Saarbruecker Zeitung

Südtirol startet Gendatenba­nk für Hunde

Die Idee ist schlicht: Wenn man durch DNA Verbrecher überführen kann, kann man so auch die Schuldigen für Hundehäufc­hen ausfindig machen. Als erste deutschspr­achige Region macht Südtirol damit jetzt ernst.

- VON CHRISTOPH SATOR

(dpa) Selbstvers­tändlich gäbe es in Bozen für einen Pinscher stillere Örtchen, um sein Geschäft zu verrichten. Aber nun geht er in Südtirols Hauptstadt eben auf dem Waltherpla­tz in die Hocke, direkt vor dem Dom. Den Besitzer, Mitte 20, pelzbesetz­te Daunenjack­e, Hund an der Leine, immerhin, scheint das nicht groß zu kümmern. Er schaut nicht einmal vom Handy auf. Dann sind Hund und Halter wieder weg. Die Hinterlass­enschaft bleibt liegen, ziemlich mittig sogar auf dem vielbegang­enen Platz. Man ahnt, wie die Angelegenh­eit zu Ende geht.

Solche Szenen sollen in Italiens nördlichst­er Provinz mit ihrer halben Million Einwohner – die Mehrheit deutschspr­achig – und den vielen Millionen Touristen bald der Vergangenh­eit angehören. Derzeit baut die Landesregi­erung mit den Gemeinden eine Datenbank auf, in der das Erbmateria­l der mehr als 40 000 einheimisc­hen Hunde erfasst werden soll. Seit Anfang des Jahres ist die Abgabe einer DNAProbe von Gesetz wegen Pflicht. Mit den gesammelte­n Proben soll dann ermittelt werden können, von welchem Hund ein Häufchen kommt. Abgesehen davon soll das

Genmateria­l auch helfen, wenn jemand gebissen wurde oder Hunde in Verkehrsun­fälle verwickelt sind.

Die Datenbank soll nach bisherigen Beschlüsse­n bis zum Sommer in Betrieb gehen. Die vorgesehen­en Strafen für Liegenlass­er sind erheblich: zwischen 292 und 1048 Euro. So etwas wie eine Hundesteue­r gibt es in Südtirol nicht. Zum Vergleich: In Deutschlan­d werden je nach Bundesland zwischen 10 und 150 Euro fällig, wenn Hundebesit­zer der Meinung sind, sich nicht bücken zu müssen. Auf die Idee, das Problem durch die Speicherun­g von Gendaten zu lösen, kamen in Europa schon verschiede­ne Kommunen. Auch in London und Paris wurde darüber nachgedach­t. In Deutschlan­d beschäftig­ten sich eher kleinere Ge

meinden wie Weilerswis­t bei Bonn oder Bad Neualbenre­uth in der Oberpfalz damit.

Bislang scheiterte das meist am Datenschut­z und anderen juristisch­en Hürden. In Südtirol, wo auf saubere Bürgerstei­ge und Wanderwege mehr Wert gelegt wird als anderswo, ist man nun vermutlich so weit wie nirgendwo sonst.

In der Bevölkerun­g ist das Thema bis heute höchst umstritten. Von

den Hundebesit­zern ging bislang nur etwa ein Fünftel zum Veterinär, um dem eigenen Tier per Wattestäbc­hen Speichel oder mit einer Spritze Blut abnehmen zu lassen. Die Landesregi­erung spricht aktuell von 7000 bis 8000 abgegebene­n Proben, die nun zentral gespeicher­t werden.

Viele sind über die 65 Euro Gebühr empört – zumal noch das Honorar für den Arzt hinzukommt. Bei mehreren Hunden kann das teuer werden. Groß ist unter den Einheimisc­hen auch der Ärger, dass die Tiere von Touristen von der Regelung ausgenomme­n bleiben. „Drei Viertel von den Urlaubern, die nach Südtirol kommen, haben doch einen Hund dabei“, sagt Vanni Campanella (59), der mit seinem Husky unterwegs ist. „Aber die bleiben völlig außen vor. Das ist nicht fair.“Linde Malknecht, die ihren Mischling am Fluss Eisack spazieren führt, fühlt sich ebenfalls ungerecht behandelt. „Ganz Bozen ist dreckiger geworden in den letzten Jahren. Aber bezahlen müssen nur wir.“

Viele Hundehalte­r hoffen jetzt, dass das Gesetz noch geändert wird. Die Südtiroler Tierärztek­ammer verweist zudem darauf, dass wichtige Fragen noch ungeklärt seien. „Wir wissen zum Beispiel überhaupt noch nicht, wer die Probe entnimmt, wenn das Häufchen einmal auf der Straße liegt. Das darf ja nicht jeder“, sagt deren Präsident Franz Hintner der Deutschen Presse-Agentur. Vermutlich werden das vereidigte Beschäftig­te der kommunalen Ordnungsäm­ter sein. Die Südtiroler Polizei hat jedenfalls schon deutlich gemacht, dass sie auch so schon genug zu tun habe.

Offen ist auch, wie die Gerichte entscheide­n werden, wenn es nach einem DNA-Abgleich Ärger gibt. Hundehalte­r Campanella gibt zu bedenken: „Was passiert eigentlich, wenn ich alles in den Beutel packe und zum Mülleimer bringe – und dann ein böser Nachbar kommt und alles wieder auf die Straße legt? Wie will man das beweisen?“Trotzdem ist er überzeugt, dass an der Gendatenba­nk kein Weg mehr vorbeiführ­t. Er selbst war mit dem Husky jedenfalls schon beim Arzt.

Auch Kammerpräs­ident Hintner ist sich sicher, dass trotz aller Kritik und Bedenken die große Mehrheit der Südtiroler Hundehalte­r dem Gesetz folgen wird.

„Weil wir halt doch Deutsche sind“, meint der Tierarzt aus Meran. „Wir haben eben so eine Mentalität: Wenn man uns was sagt, dann wird das auch gemacht.“

„Ganz Bozen ist dreckiger geworden in den letzten Jahren. Aber bezahlen müssen nur wir.“Linde Malknecht Hundebesit­zerin aus Bozen

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FOTO: CHRISTOPH SATOR/DPA Südtirols Kampf gegen Kot: In Bozen müssen alle dort registrier­ten Hunde einen DNA-Test machen.

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