Saarbruecker Zeitung

Merz und Union wandeln auf schmalem Grat

Den Kanzler im Bundestag wieder anstacheln oder lieber nicht? Für CDU- Chef Friedrich Merz geht es jetzt auch darum, sich und die Union verstärkt als bessere Alternativ­e zu präsentier­en. Das wird schwierig genug werden. Weil ein Vorwurf nach wie vor immer

- VON HAGEN STRAUSS

In der Fraktionss­itzung der Union Anfang der Woche soll Friedrich Merz dem Vernehmen nach selbst darauf hingewiese­n haben, dass er den Kanzler nicht immer scharf attackiere­n könne. Das nutze sich ab. An diesem Mittwoch wird der Vorsitzend­e der Union also in der Generaldeb­atte wohl einen Mittelweg beschreite­n – Merz will Olaf Scholz (SPD) etwas angreifen und zugleich ausführlic­h darlegen, wie es die Union besser machen würde. Ein schmaler Grat. Auf dem geht der CDU-Mann sowieso in den nächsten Wochen und Monaten.

Beim traditione­llen Schlagabta­usch in der Haushaltsw­oche des Bundestage­s spricht der Opposition­sführer immer vor dem Kanzler. Zuletzt war es so, dass Merz mit seinen Angriffen Scholz anstachelt­e. Zur Freude der SPD-Fraktion, die ihren Kanzler mal energisch erleben konnte. Das schloss die sozialdemo­kratischen Reihen – was Merz nun ganz und gar nicht mehr recht sein kann.

Scholz steht schließlic­h auch innerparte­ilich mächtig unter Druck. Seit dem Haushaltsd­esaster und wegen der nicht enden wollenden Streiterei­en in der Ampel wachsen die Zweifel an seinen Führungsfä­higkeiten. Aus diesem Kessel will der Opposition­sführer möglichst keinen Dampf ablassen. Also ist ein kluges Vorgehen auch im Parlament gefragt.

Darüber hinaus geht es für den CDU-Chef jetzt verstärkt darum zu zeigen, dass er eine Alternativ­e zu Scholz sein könnte. In den Umfragen läuft es gut, die persönlich­en Werte des Sauerlände­rs sind ebenso besser geworden. Das, so räumt man in der CDU ein, verdanke man insbesonde­re dem schlechten Zustand der Ampel. Manch einer stichelt intern, eigentlich müsste man noch viel positiver dastehen. Wer Merz aber in diesen Tagen trifft, erlebt einen Opposition­sführer, der staatsmänn­isch und entspannt unterwegs ist. Schon länger gab es etwa keine verbale Zuspitzung mehr, die ihm heftige Schlagzeil­en eingebrach­t hätte.

Dahinter steckt auch, dass die Union ein Hauptprobl­em jetzt abschüttel­n will – das sind ausgerechn­et die letzten 16 Jahre ihrer Regierungs­zeit vor der Ampel. Immer noch bekommen CDU/CSU zu hören, sie hätten so lange regiert und seien verantwort­lich für Dies und Das. Am Dienstag erhob den Vorwurf mal wieder Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) bei der Einbringun­g seines Haushalts in den Bundestag. „Wir müssen es schaffen, dass endlich differenzi­erter auf die 16 Jahre geschaut wird“, so einer aus dem Umfeld des Vorsitzend­en. Man müsse die eigenen Kompetenze­n schärfen. Am Ende führe nur dies zu neuem Vertrauen. Auch Merz scheint dies beherzigen zu wollen.

Schwierig genug ist das. Wie überhaupt das ganze Jahr ein schwierige­s werden wird für die Union und ihren Vorsitzend­en. Die Formkurve könnte mit der Europawahl im Juni einen gravierend­en Absturz erleben. Mit Sorge schaut man zudem auf die vielen Kommunalwa­hlen im Osten und die drei Landtagswa­hlen im September in Sachsen, Thüringen und Brandenbur­g. Unklar ist, ob die K-Frage vorher oder nachher entschiede­n wird.

Eines weiß man allerdings bereits: Die CDU-Landesverb­ände im Osten werden sich aus Berlin nicht viel sagen lassen beim Umgang mit Linken und Rechten dort. Gerade der thüringisc­he nicht. Der September wird damit zu entscheide­nden Weg

Zuletzt war es so, dass Merz mit seinen Angriffen Scholz anstachelt­e. Zur Freude der SPD-Fraktion, die ihren Kanzler mal energisch erleben konnte.

marke für Merz. Nebenbei brodeln weiterhin die Auseinande­rsetzungen mit den Ministerpr­äsidenten – wer wollte, konnte zuletzt erneut eine zwischen Merz und NRW-Mann Hendrik Wüst erkennen, nachdem Wüst die AfD als „Nazi-Partei“bezeichnet hatte. Merz wollte so weit nicht gehen.

Wenn der Politikwis­senschaftl­er Albrecht von Lucke, Redakteur der Blätter für deutsche und internatio­nale Politik, auf dieses Jahr blickt, dann sagt er: „Friedrich Merz ist sich selbst sein größter Gegner.“Er bleibe ein Risikofakt­or, „eine lose Canon – und wird auf diese Weise zum Hoffnungst­räger der SPD“, so von Lucke

zu unserer Redaktion. Mit einem Unions-Spitzenkan­didaten Merz könne die SPD Scholz „als die seriöse, staatsmänn­ische Alternativ­e in Stellung bringen“. Die SPD werde dann auf die Mobilisier­ung gegen den politische­n Gegner setzen, „sprich: zur Verhinderu­ng von Merz“. Aber soweit ist es noch lange nicht.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? CDU-Chef Friedrich Merz und seine Vertrauten wollen weniger die Schwächen der Ampel als die eigenen Stärken in den Fokus der öffentlich­en Wahrnehmun­g rücken.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA CDU-Chef Friedrich Merz und seine Vertrauten wollen weniger die Schwächen der Ampel als die eigenen Stärken in den Fokus der öffentlich­en Wahrnehmun­g rücken.

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