Die Krux neuer Migrationsabkommen
Erst im Januar hat die Bundesregierung eine neue Migrationspartnerschaft mit Marokko vereinbart – nur mündlich, nichts Schriftliches. Der zuständige Sonderbevollmächtigte Joachim Stamp ist nun ein Jahr im Amt. Seine Erfolge sind schwer greifbar.
Augenhöhe, vertrauensvoll, mit Rücksicht auf beiderseitige Interessen – das ist das Vokabular, das die Bundesregierung gerne auspackt, sobald es um das schwierige Geschäft neuer Migrationsabkommen geht. Es ist ein heikles Unterfangen, keine Frage. Ganz wesentlich geht es bei diesen Abkommen doch darum: Die Bundesregierung will abgelehnte Asylbewerber ohne Bleiberecht wieder in ihre Herkunftsländer zurückschicken, umgekehrt will sie gut ausgebildete Fach- und Arbeitskräfte nach Deutschland locken. Was aus deutscher Perspektive erstrebenswert sein mag, kann in den Herkunftsstaaten als westliche
Überheblichkeit wahrgenommen werden. Das weiß man in der Bundesregierung ganz genau. Es mündet oftmals in eine übervorsichtige Kommunikation.
Beobachten ließ sich das jüngst am Beispiel Marokkos. In der vergangenen Woche ist die Bundesregierung eine Migrationspartnerschaft mit dem nordafrikanischen Land eingegangen. Nichts Schriftliches, nur eine mündliche Übereinkunft. Man habe vereinbaren können, „dass wir in gemeinsamen Arbeitsstrukturen irreguläre Migration reduzieren und legale Arbeitsmigration stärken“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Das sei im „gemeinsamen Interesse“, so Faeser.
Warum nur eine mündliche Vereinbarung, ist das belastbar? Man sei gemeinsam der Auffassung, „dass zum jetzigen Zeitpunkt Schriftlichkeit entbehrlich ist“, sagte der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), am Montag. „Entscheidend ist nicht das Papier, was wir unterzeichnen.“Entscheidend sei, dass es ein dauerhaftes Vertrauen und eine gute Arbeitsstruktur gebe, so Stamp. Worin diese besteht, in welchen Punkten man zusammenarbeitet, lässt die Bundesregierung offen.
Es ist die Krux des Sonderbevollmächtigten: Unter Verweis auf diplomatische Vertraulichkeit gibt er kaum Details über Verhandlungen auch mit anderen Ländern bekannt, um sich mögliche Durchbrüche nicht zu verbauen. Dadurch wird Stamps Arbeit nach außen aber
schwer greifbar, seine Verhandlungserfolge kaum nachvollziehbar. Am 1. Februar ist Stamp ein Jahr im Amt. Er selbst zieht ein „durchaus positives Zwischenfazit“.
Mit Georgien hat die Bundesregierung Mitte Dezember ein Migrationsabkommen geschlossen – das zweite dieser Art nach einer Vereinbarung mit Indien aus dem Dezem
ber 2022, die bisher allerdings kaum Früchte trägt. Ein Abkommen mit Moldau werde „demnächst sicherlich folgen“, so Stamp. Es gebe ein paar Dinge auf der moldauischen Seite zu klären, aber er gehe davon aus, dass das „in Bälde“abgeschlossen sein werde. Mit Usbekistan und Kirgisien sei man in „sehr sehr guten Gesprächen“– zwei zentralasiati
sche Länder mit „großer geopolitischer Relevanz“, so der FDP-Politiker. Gespräche fänden auch mit Kenia und Kolumbien statt. Im Fall Kolumbiens nehmen die Asylanträge deutlich zu, die Anerkennungsquote ist allerdings gering. Nun will man dafür sorgen, dass mehr Kolumbianer durch regulärer Migration den Weg in den deutschen
Arbeitsmarkt finden. Mehr Einblick in den Stand seiner Verhandlungen gibt Stamp nicht.
Für die Opposition ist das ein gefundenes Fressen. „Der Beauftragte der Bundesregierung steht auf verlorenem Posten“, sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Man könne so eine Aufgabe nicht an einen Beamten mit einer Handvoll Mitarbeiter delegieren. „Bei diesem großen Thema ist die Außenministerin und bei bestimmten Ländern auch der Kanzler gefragt“, so Frei.
Rückendeckung bekommt Stamp dagegen aus der eigenen Partei und der Ampel. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spricht von einem „Paradigmenwechsel“, den die Bundesregierung mit der Anpassung der Asylbewerberleistungen, aber auch dem Rückführungsverbesserungsgesetz und der Aushandlung von Migrationsabkommen eingeleitet habe. Und der SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese teilte seinerseits gegen die Union aus: „Leider mussten wir nach 16 Jahren unionsgeführtem Innenministerium beim Thema Migrationsabkommen fast bei Null beginnen.“Doch die „Verhandlungen auf Augenhöhe“tragen Früchte, so der SPD-Fraktionsvize: Die Innenministerin und der Sonderbevollmächtigte würden „mit Hochdruck und sichtbaren Ergebnissen“daran arbeiten, bilaterale Migrationsabkommen in „beiderseitigem Interesse“abzuschließen. Augenhöhe, beiderseitiges Interesse – das Vokabular dürfte Faeser und Stamp bekannt vorkommen.
„Der Beauftragte der Bundesregierung steht auf verlorenem Posten.“Thorsten Frei Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion