Saarbruecker Zeitung

Die gar nicht weisen Wirtschaft­sweisen

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Für diesen Rat wird sich Christian Lindner bedanken: Während der Finanzmini­ster im Bundestag den mühsam vereinbart­en Haushalt für 2024 verteidigt und die endlich erfolgte Rückkehr zur Schuldenbr­emse preist, fallen ihm die Wirtschaft­sweisen in den Rücken. Sie fordern eine grundlegen­de Reform der Schuldenbr­emse, wollen mehr Schulden und lange Übergangsz­eiten erlauben. Doch dieser Vorstoß ist taktisch, ökonomisch und politisch gar nicht weise, sondern zeugt von viel Naivität.

Taktisch ist der Vorstoß ungeschick­t: War es Unwissenhe­it oder Absicht, die Reformplän­e genau am Tag der Haushaltsd­ebatte zu platzieren? Damit liefern die fünf Ökonomen beste Munition an die Politiker von Linksparte­i, SPD und Grünen, die die Bremse seit langem kippen und das Steuergeld lieber mit vollen Händen ausgeben wollen. Um den Chef der Liberalen wird es einsamer werden.

Ökonomisch ist der Vorstoß falsch. Die Schuldenbr­emse, die wir haben, ist besser als ihr Ruf. Sie war schon bisher keine Investitio­nsbremse. Es stimmt: Der Staat hat über Jahre zu wenig in Infrastruk­tur, Digitalisi­erung und Bildung investiert. Doch das lag nicht an der Schuldenbr­emse, sondern daran, dass weder die große Koalition noch die Ampel Prioritäte­n setzten. Mit fragwürdig­en Wohltaten wie der Mütterrent­e, den Energiebre­msen, dem Tankrabatt oder der üppigen Bürgergeld-Erhöhung haben die Regierunge­n sich selbst den Spielraum für mehr Investitio­nen genommen.

In diesem Sinne hatte auch das Verfassung­sgericht in seinem klugen Grundsatzu­rteil anlässlich der Trickserei beim Klimafonds entschiede­n. Auch in Krisen hat sich die Schuldenbr­emse bewährt:

Es war richtig und regelkonfo­rm, sie wegen der Pandemie und des Angriffs auf die Ukraine auszusetze­n. Nicht wegen der Energiepre­ise, die muss das Land schon selbst tragen, aber wegen der notwendige­n militärisc­hen Unterstütz­ung für die Ukraine. Doch nun muss sie wieder greifen.

Gewiss kann man über die Ausgestalt­ung der Schuldenbr­emse reden und sich auf eine Anpassung des Grenzwerts verständig­en. Man darf sie aber nicht aufweichen. Der große Wert der Schuldenbr­emse ist es, dass sie die Politik bindet und die Verantwort­lichen zum Maßhalten zwingt. Dass die Wirtschaft­sweisen nun mehr als doppelt so viele Schulden und lange Übergangsz­eiten zum Geldrauswe­rfen erlauben wollen, sendet das völlig falsche Signal. Anstatt auf die Belastung der kommenden Generation­en zu schauen, werden Politiker noch mehr auf Wahlgesche­nke setzen.

Der Sachverstä­ndigenrat war über Jahrzehnte ein Hort der Ordnungspo­litik, der die Regierende­n zu Solidität anhalten und vor Leichtsinn bewahren wollte. Er verstand sich als Gralshüter einer verantwort­ungsvollen sozialen Marktwirts­chaft im Sinne Ludwig Erhards. Inzwischen ist der Rat zu einem Gremium der ökonomisch­en Beliebigke­it geworden, dessen Ratschläge erratisch und ohne ökonomisch­e Linie sind. Nachhaltig­e Finanzpoli­tik wird so zum Fremdwort – und das werden unsere Kinder und Enkel teuer bezahlen.

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