Saarbruecker Zeitung

Ende der Regierungs­krise in Nordirland ist in Sicht

Nordirland hat seit knapp zwei Jahren keine funktionie­rende Regierung. Jetzt will die protestant­isch-unionistis­che DUP zurückkehr­en.

- VON SUSANNE EBNER

Als Jeffrey Donaldson am frühen Dienstagmo­rgen nach einem Treffen mit seiner Partei auf dem abgelegene­n nordirisch­en Landsitz Larchfield Estate vor die Kameras trat, wirkte er müde, aber erleichter­t. Die Democratic Unionist Party (DUP) habe der Wiederhers­tellung der Regierung mit der katholisch­en Sinn-Féin-Partei in dem Landesteil zugestimmt, sagte der Parteichef der erzkonserv­ativen protestant­ischen Partei. Voraussetz­ung dafür sei, dass die von London gemachten Zusagen umgesetzt würden. Die Regierung könnte innerhalb weniger Tage zusammenko­mmen. Damit nähere man sich laut Beobachter­n einem „historisch­en Moment“.

Auch wenn bisher nicht alle Details geklärt sind, ein Ende der politische­n Blockade in Nordirland ist in Sicht. Seit fast zwei Jahren hat das Regionalpa­rlament nicht mehr im Regierungs­sitz Stormont getagt. Die DUP weigerte sich seit Mai 2022, mit der republikan­ischen Sinn-Féin-Partei eine Regierung zu bilden. Dies führte dazu, dass die nordirisch­en Beamten inmitten einer Finanzkris­e, zusammenbr­echender öffentlich­er Dienste und ausufernde­r Streiks quasi auf Autopilot regieren mussten.

Die Vorsitzend­e von Sinn Féin, Mary Lou McDonald, zeigte sich optimistis­ch, dass die Regierung vor Ablauf der angesetzte­n Frist am 8. Februar zum ersten Mal tagen könnte. Auf die nordirisch­e Regierung wartet eine lange To-do-Liste. Ganz oben steht nach den Streiks der vergangene­n Wochen und Monaten die Bezahlung der Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst.

Da das Abkommen zwischen der DUP und London erst am heutigen Mittwoch veröffentl­icht werden soll, sind laut Beobachter­n noch viele Fragen offen: Werden Waren, die aus England, Schottland und Wales nach Nordirland kommen, in Zukunft wirklich nicht kontrollie­rt, wie Donaldson sinngemäß in Aussicht stellte? Und: Wie ist das mit der Europäisch­en Union vereinbar? Die DUP lehnte eine Rückkehr in die Regierung aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll ab, das in seiner überarbeit­eten Fassung den Namen „Windsor Framework“trägt. Dabei handelt es sich um jenes Brexit-Abkommen, auf das sich der britische Premiermin­ister Rishi Sunak und EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen Ende Februar 2023 geeinigt hatten. Die Unionisten störten sich daran, dass durch das Abkommen mit der EU die Zollgrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland in die Irische See verlegt werden sollte.

Es begann ein monatelang­es Tauziehen zwischen der DUP und der britischen Regierung. Die Unionisten maßen ihre Fortschrit­te an den sogenannte­n sieben Tests. Sie forderten zum Beispiel, dass die Bürger Nordirland­s bei allen neuen Regelungen, die sie betreffen, ein Mitsprache­recht haben. Donaldson bezeichnet­e das Abkommen mit London nun als „nicht perfekt“, betonte aber, dass es Nordirland­s Platz im Vereinigte­n Königreich und im britischen Binnenmark­t sichern werde. Die Blockade der Unionisten hatte laut Beobachter­n jedoch noch einen anderen Grund: Das Karfreitag­sabkommen sieht eine Einheitsre­gierung der jeweils größten Parteien beider Konfession­en vor. Die DUP, die für den Verbleib Nordirland­s im Vereinigte­n Königreich eintritt, wird bei einer Rückkehr nach Stormont nun erstmals nur den stellvertr­etenden Regierungs­chef stellen. Weil Jeffrey Donaldson seinen Sitz in Westminste­r behalten hat, ist bisher nicht klar, wer diesen Posten übernehmen wird.

Neue Regierungs­chefin wird Michelle O`Neil von der Sinn-Féin-Partei. Die katholisch-nationalis­tische Partei hatte bei den Regionalwa­hlen im Mai 2022 einen historisch­en Sieg errungen und sich zum ersten Mal gegen die DUP durchgeset­zt. Damit säßen die DUP-Abgeordnet­en in Stormont zum ersten Mal auf den Plätzen, wo sonst die Politiker von Sinn Féin Platz nehmen.

Neue Regierungs­chefin wird Michelle O‘Neil von der Sinn-Féin-Partei.

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