Ende der Regierungskrise in Nordirland ist in Sicht
Nordirland hat seit knapp zwei Jahren keine funktionierende Regierung. Jetzt will die protestantisch-unionistische DUP zurückkehren.
Als Jeffrey Donaldson am frühen Dienstagmorgen nach einem Treffen mit seiner Partei auf dem abgelegenen nordirischen Landsitz Larchfield Estate vor die Kameras trat, wirkte er müde, aber erleichtert. Die Democratic Unionist Party (DUP) habe der Wiederherstellung der Regierung mit der katholischen Sinn-Féin-Partei in dem Landesteil zugestimmt, sagte der Parteichef der erzkonservativen protestantischen Partei. Voraussetzung dafür sei, dass die von London gemachten Zusagen umgesetzt würden. Die Regierung könnte innerhalb weniger Tage zusammenkommen. Damit nähere man sich laut Beobachtern einem „historischen Moment“.
Auch wenn bisher nicht alle Details geklärt sind, ein Ende der politischen Blockade in Nordirland ist in Sicht. Seit fast zwei Jahren hat das Regionalparlament nicht mehr im Regierungssitz Stormont getagt. Die DUP weigerte sich seit Mai 2022, mit der republikanischen Sinn-Féin-Partei eine Regierung zu bilden. Dies führte dazu, dass die nordirischen Beamten inmitten einer Finanzkrise, zusammenbrechender öffentlicher Dienste und ausufernder Streiks quasi auf Autopilot regieren mussten.
Die Vorsitzende von Sinn Féin, Mary Lou McDonald, zeigte sich optimistisch, dass die Regierung vor Ablauf der angesetzten Frist am 8. Februar zum ersten Mal tagen könnte. Auf die nordirische Regierung wartet eine lange To-do-Liste. Ganz oben steht nach den Streiks der vergangenen Wochen und Monaten die Bezahlung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
Da das Abkommen zwischen der DUP und London erst am heutigen Mittwoch veröffentlicht werden soll, sind laut Beobachtern noch viele Fragen offen: Werden Waren, die aus England, Schottland und Wales nach Nordirland kommen, in Zukunft wirklich nicht kontrolliert, wie Donaldson sinngemäß in Aussicht stellte? Und: Wie ist das mit der Europäischen Union vereinbar? Die DUP lehnte eine Rückkehr in die Regierung aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll ab, das in seiner überarbeiteten Fassung den Namen „Windsor Framework“trägt. Dabei handelt es sich um jenes Brexit-Abkommen, auf das sich der britische Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende Februar 2023 geeinigt hatten. Die Unionisten störten sich daran, dass durch das Abkommen mit der EU die Zollgrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland in die Irische See verlegt werden sollte.
Es begann ein monatelanges Tauziehen zwischen der DUP und der britischen Regierung. Die Unionisten maßen ihre Fortschritte an den sogenannten sieben Tests. Sie forderten zum Beispiel, dass die Bürger Nordirlands bei allen neuen Regelungen, die sie betreffen, ein Mitspracherecht haben. Donaldson bezeichnete das Abkommen mit London nun als „nicht perfekt“, betonte aber, dass es Nordirlands Platz im Vereinigten Königreich und im britischen Binnenmarkt sichern werde. Die Blockade der Unionisten hatte laut Beobachtern jedoch noch einen anderen Grund: Das Karfreitagsabkommen sieht eine Einheitsregierung der jeweils größten Parteien beider Konfessionen vor. Die DUP, die für den Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich eintritt, wird bei einer Rückkehr nach Stormont nun erstmals nur den stellvertretenden Regierungschef stellen. Weil Jeffrey Donaldson seinen Sitz in Westminster behalten hat, ist bisher nicht klar, wer diesen Posten übernehmen wird.
Neue Regierungschefin wird Michelle O`Neil von der Sinn-Féin-Partei. Die katholisch-nationalistische Partei hatte bei den Regionalwahlen im Mai 2022 einen historischen Sieg errungen und sich zum ersten Mal gegen die DUP durchgesetzt. Damit säßen die DUP-Abgeordneten in Stormont zum ersten Mal auf den Plätzen, wo sonst die Politiker von Sinn Féin Platz nehmen.
Neue Regierungschefin wird Michelle O‘Neil von der Sinn-Féin-Partei.