Was die Krankenhausreformen bringen sollen
Auswahl der erfahrensten Kliniken per OnlineCheck, weniger Todesfälle durch Spezialisierung: Der Gesundheitsminister knüpft große Versprechungen an seine Reformen. Doch die Kritik an seinen Plänen ist groß.
Patienten in Deutschland sollen ab 1. Mai vor einer Klinik-Behandlung die geeignetsten Krankenhäuser online aussuchen können. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte am Dienstag an, dass der entsprechende Klinik-Atlas dann an den Start gehen solle. Darauf soll die geplante große Klinikreform folgen, um die Bund und Länder seit Monaten ringen. „Die Krankenhausreform ist zurück in der Spur“, sagte Lauterbach am Dienstag in Berlin. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Plänen.
Warum will Lauterbach die Reformen durchsetzen?
Lauterbach kritisiert, dass viele Krankenhäuser im aktuellen Vergütungssystem in wirtschaftliche
Schieflage geraten, dass sie nicht ausreichend spezialisiert seien, es eine Überversorgung gebe und die Qualität der Behandlungen oftmals nicht gut genug sei.
Was ist geplant?
Die Reform soll eine neue BezahlMethode einführen, bei der die bestehenden Pauschalen pro Behandlungsfall abgesenkt werden. Im Gegenzug soll es feste Beträge für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik geben. „Große Qualitätsdefizite“sollten durch mehr Spezialisierung vermindert werden, sagte Lauterbach. Die Reform wird nach Prognose Lauterbachs die Kliniklandschaft deutlich verändern – manche Kliniken vor allem in westdeutschen Großstädten dürften dann abgebaut werden. Künftig könnten etwa große Medizinische Versorgungszentren an die Stelle von nicht mehr gebrauchten Kliniken treten. Gleichzeitig gebe es unterversorgte Gebiete in ländlichen Regionen – auch durch Zuschläge sollten Kliniken hier am Netz gehalten werden.
Wie könnten Patienten konkret profitieren?
Der Berlin Gesundheitsforscher Reinhard Busse unterstützte Lauterbach mit eigenen Forschungsergebnissen: Bei Hunderten Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder Lungenentzündung könne ein tödlicher Ausgang vermieden werden, wenn sich mehr von ihnen in den besten Kliniken behandeln lassen würden. Den richtigen Überblick soll künftig der Klinik
Atlas dienen. Notfälle sollen je nach Befund in die jeweils beste Klinik eingeliefert und nach der Erstversorgung gegebenenfalls an andere Krankenhäuser verteilt werden.
Was sagen die Krankenkassen?
Die gesetzlichen Krankenkassen stehen hinter der Reform. Laut einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse würden Patienten bei komplizierten Behandlungen weitere Wege in Kauf nehmen, um in spezialisierten Kranken
häusern behandelt zu werden.
Was halten Kliniken und Ärzte von Lauterbachs Plan?
Sie sind entsetzt. In einem gemeinsamen Aufruf appellierten Krankenhausgesellschaften und viele Verbände an Lauterbach: „Beenden Sie Ihre Kampagnen gegen Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in deutschen Krankenhäusern. Hören Sie auf, die Qualität in der Versorgung schlechtzureden.“Die Kliniken hal
ten die finanzielle Stabilisierung für dringlicher als das Transparenzgesetz: „Dass der Bundesgesundheitsminister das Transparenzgesetz mit der finanziellen Stabilisierung der Kliniken verbindet, halten wir für eine Erpressung. Beide Vorhaben haben nichts miteinander zu tun“, sagte Michael Weber, Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte ( VLK), unserer Redaktion. Er warnte: „Die finanzielle Stabilisierung der Kliniken und die Krankenhausreform müssen schnell kommen, sonst werden Dutzende Krankenhäuser Insolvenz anmelden. Bis zu 100 könnten es in diesem Jahr werden.“Im zweiten Quartal komme die Stunde der Wahrheit, dann müssen die Kliniken die Tariferhöhungen stemmen. Weber betonte: „Wir sind für eine transparente Darstellung von Qualitätsdaten für Patienten, aber sie müssen auch fair vergleichbar sein und dürfen keine neue Bürokratie für die Kliniken bringen.“
Werden Unikliniken bevorzugt und welche Rolle spielt Scholz?
In der Fläche gibt es die Sorge, dass Lauterbach die Unikliniken einseitig zulasten der mittelgroßen Kliniken stärken will. Ärzte fragen sich, welche Rolle persönliche Verbindungen spielen: „Welche Rolle spielen der Kanzler und sein Bruder Jens Scholz, der Vorsitzende des Verbandes der Universitätskliniken, und zu wessen Nutzen in diesem Verfahren?“, so VLK-Chef Weber.
„Die Krankenhausreform ist zurück in der Spur.“Karl Lauterbach (SPD) Bundesgesundheitsminister
Wie reagieren die Länder?
Lauterbach setzt darauf, dass der Bundesrat das Transparenzgesetz am 22. März behandelt. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte den SPD-Politiker erst gerade gemahnt: Zustimmung gebe es nur, wenn der Bund die Finanzierung der Krankenhäuser sichere, die Reform zum Wohle der Patienten gestalte und die Krankenhausplanung Ländersache bleibe. „Wir appellieren an die Länder, Kurs zu halten und dem Transparenzgesetz des Bundesgesundheitsministers am 22. März im Bundesrat nicht zuzustimmen“, sagt VLK-Chef Weber.