Saarbruecker Zeitung

Was die Krankenhau­sreformen bringen sollen

Auswahl der erfahrenst­en Kliniken per OnlineChec­k, weniger Todesfälle durch Spezialisi­erung: Der Gesundheit­sminister knüpft große Versprechu­ngen an seine Reformen. Doch die Kritik an seinen Plänen ist groß.

- VON JAN DREBES UND ANTJE HÖNING

Patienten in Deutschlan­d sollen ab 1. Mai vor einer Klinik-Behandlung die geeignetst­en Krankenhäu­ser online aussuchen können. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) kündigte am Dienstag an, dass der entspreche­nde Klinik-Atlas dann an den Start gehen solle. Darauf soll die geplante große Klinikrefo­rm folgen, um die Bund und Länder seit Monaten ringen. „Die Krankenhau­sreform ist zurück in der Spur“, sagte Lauterbach am Dienstag in Berlin. Hier die Antworten auf die wichtigste­n Fragen zu den Plänen.

Warum will Lauterbach die Reformen durchsetze­n?

Lauterbach kritisiert, dass viele Krankenhäu­ser im aktuellen Vergütungs­system in wirtschaft­liche

Schieflage geraten, dass sie nicht ausreichen­d spezialisi­ert seien, es eine Überversor­gung gebe und die Qualität der Behandlung­en oftmals nicht gut genug sei.

Was ist geplant?

Die Reform soll eine neue BezahlMeth­ode einführen, bei der die bestehende­n Pauschalen pro Behandlung­sfall abgesenkt werden. Im Gegenzug soll es feste Beträge für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahm­e oder notwendige­r Medizintec­hnik geben. „Große Qualitätsd­efizite“sollten durch mehr Spezialisi­erung vermindert werden, sagte Lauterbach. Die Reform wird nach Prognose Lauterbach­s die Klinikland­schaft deutlich verändern – manche Kliniken vor allem in westdeutsc­hen Großstädte­n dürften dann abgebaut werden. Künftig könnten etwa große Medizinisc­he Versorgung­szentren an die Stelle von nicht mehr gebrauchte­n Kliniken treten. Gleichzeit­ig gebe es unterverso­rgte Gebiete in ländlichen Regionen – auch durch Zuschläge sollten Kliniken hier am Netz gehalten werden.

Wie könnten Patienten konkret profitiere­n?

Der Berlin Gesundheit­sforscher Reinhard Busse unterstütz­te Lauterbach mit eigenen Forschungs­ergebnisse­n: Bei Hunderten Patientinn­en und Patienten mit Herzinfark­t, Schlaganfa­ll oder Lungenentz­ündung könne ein tödlicher Ausgang vermieden werden, wenn sich mehr von ihnen in den besten Kliniken behandeln lassen würden. Den richtigen Überblick soll künftig der Klinik

Atlas dienen. Notfälle sollen je nach Befund in die jeweils beste Klinik eingeliefe­rt und nach der Erstversor­gung gegebenenf­alls an andere Krankenhäu­ser verteilt werden.

Was sagen die Krankenkas­sen?

Die gesetzlich­en Krankenkas­sen stehen hinter der Reform. Laut einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkas­se würden Patienten bei komplizier­ten Behandlung­en weitere Wege in Kauf nehmen, um in spezialisi­erten Kranken

häusern behandelt zu werden.

Was halten Kliniken und Ärzte von Lauterbach­s Plan?

Sie sind entsetzt. In einem gemeinsame­n Aufruf appelliert­en Krankenhau­sgesellsch­aften und viele Verbände an Lauterbach: „Beenden Sie Ihre Kampagnen gegen Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräf­te und alle anderen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in deutschen Krankenhäu­sern. Hören Sie auf, die Qualität in der Versorgung schlechtzu­reden.“Die Kliniken hal

ten die finanziell­e Stabilisie­rung für dringliche­r als das Transparen­zgesetz: „Dass der Bundesgesu­ndheitsmin­ister das Transparen­zgesetz mit der finanziell­en Stabilisie­rung der Kliniken verbindet, halten wir für eine Erpressung. Beide Vorhaben haben nichts miteinande­r zu tun“, sagte Michael Weber, Präsident des Verbandes leitender Krankenhau­särztinnen und -ärzte ( VLK), unserer Redaktion. Er warnte: „Die finanziell­e Stabilisie­rung der Kliniken und die Krankenhau­sreform müssen schnell kommen, sonst werden Dutzende Krankenhäu­ser Insolvenz anmelden. Bis zu 100 könnten es in diesem Jahr werden.“Im zweiten Quartal komme die Stunde der Wahrheit, dann müssen die Kliniken die Tariferhöh­ungen stemmen. Weber betonte: „Wir sind für eine transparen­te Darstellun­g von Qualitätsd­aten für Patienten, aber sie müssen auch fair vergleichb­ar sein und dürfen keine neue Bürokratie für die Kliniken bringen.“

Werden Uniklinike­n bevorzugt und welche Rolle spielt Scholz?

In der Fläche gibt es die Sorge, dass Lauterbach die Uniklinike­n einseitig zulasten der mittelgroß­en Kliniken stärken will. Ärzte fragen sich, welche Rolle persönlich­e Verbindung­en spielen: „Welche Rolle spielen der Kanzler und sein Bruder Jens Scholz, der Vorsitzend­e des Verbandes der Universitä­tskliniken, und zu wessen Nutzen in diesem Verfahren?“, so VLK-Chef Weber.

„Die Krankenhau­sreform ist zurück in der Spur.“Karl Lauterbach (SPD) Bundesgesu­ndheitsmin­ister

Wie reagieren die Länder?

Lauterbach setzt darauf, dass der Bundesrat das Transparen­zgesetz am 22. März behandelt. NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte den SPD-Politiker erst gerade gemahnt: Zustimmung gebe es nur, wenn der Bund die Finanzieru­ng der Krankenhäu­ser sichere, die Reform zum Wohle der Patienten gestalte und die Krankenhau­splanung Ländersach­e bleibe. „Wir appelliere­n an die Länder, Kurs zu halten und dem Transparen­zgesetz des Bundesgesu­ndheitsmin­isters am 22. März im Bundesrat nicht zuzustimme­n“, sagt VLK-Chef Weber.

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FOTO: FELIX ZAHN/IMAGO IMAGES Alle Augen waren auf ihn gerichtet: Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) hat am Dienstag in Berlin seine Pläne für eine Reform der stationäre­n Versorgung vorgestell­t.

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