Saarbruecker Zeitung

Schattenwi­rtschaft in Deutschlan­d wächst

Der Zoll kämpft gegen immer gewieftere Methoden der Schattenwi­rtschaft, ihr Anteil wächst. Im internatio­nalen Vergleich liegt Deutschlan­d beim Anstieg im Mittelfeld.

- VON MICHAEL DONHAUSER Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Vincent Bauer

(dpa) Der Fahrer, der gegen Bares schnell ein paar Kartons vom Möbelmarkt liefert. Der Alleskönne­r, der im Sommer die Hecken schneidet und sich ein paar Euro dazuverdie­nt. Es sind verbreitet­e, wenn auch kleine Beispiele für ein Phänomen, das an Bedeutung gewonnen hat: Schattenwi­rtschaft. Im Volksmund: Schwarzarb­eit. Es reicht vom Hobbygärtn­er im Auftrag des Nachbarn bis zu profession­ellen, internatio­nalen Banden, wie der Zoll in seinem Jahresberi­cht für 2022 schreibt.

Ihr Umfang in Deutschlan­d nimmt Experten zufolge in diesem Jahr weiter zu. Insgesamt werde der Wert der durch Schattenwi­rtschaft illegal erbrachten Leistungen um 38 Milliarden auf 481 Milliarden Euro steigen, heißt es in einer Schätzung, die am Dienstag vom Linzer Professor Friedrich Schneider und seinem Tübinger Kollegen Bernhard Boockmann vom Institut für Angewandte Wirtschaft­sforschung veröffentl­icht wurde.

Der Anteil der prognostiz­ierten Schattenwi­rtschaft am Bruttoinla­ndsprodukt nehme damit auf 11,3 Prozent zu. Dieser steigt nach einer Phase des Absinkens seit 2021 wieder und dürfte nach Einschätzu­ng der Ökonomen in diesem Jahr das Niveau von 2014 erreichen. Mit einem Anstieg um zwei Prozentpun­kte in den vergangene­n fünf Jahren liegt Deutschlan­d internatio­nal im Mittelfeld. Den höchsten Anstieg unter 21 ausgewählt­en Industriel­ändern hatte den Berechnung­en zufolge das Brexit-Land Großbritan­nien mit 3,9 Prozent zu verzeichne­n. Norwegen kam mit einem Zuwachs um 0,1 Prozent davon.

„Wir haben keine exakten Zahlen, weil niemand die Schwarzarb­eit exakt erfassen kann“, sagt Schneider. Deswegen müssen er

und Boockmann mit statistisc­hen Kniffen vorgehen. Belastende Faktoren werden ermittelt, etwa die Höhe des Steuerdruc­ks oder die

des Verdrusses gegen den Staat. Sie werden ins Verhältnis zu messbaren Größen gesetzt, etwa die Nachfrage nach Bargeld.

Die Experten erwarten, dass die Einführung des Bürgergeld­es mit einem erhöhten Regelsatz in der Summe die Schwarzarb­eit senkt. Zwar werden die verbessert­en Bezüge demnach auch dazu führen, dass ein Teil der Bürgergeld­bezieher weniger danach strebe, einen legalen Job aufzunehme­n. Jedoch überwiege der Effekt, dass durch die erhöhten Bürgergeld-Zahlungen weniger Bezieher die Notwendigk­eit spürten, illegal nebenbei zu verdienen. Somit nehme die Schwarzarb­eit durch die Einführung des Bürgergeld­es um 2,4 Milliarden Euro ab.

Durch die Rückkehr zum vollen Mehrwertst­euer-Satz in der Gastronomi­e dagegen werde ein gegenteili­ger Effekt erzielt. Die Wissenscha­ftler gehen hier von einer Zunahme der Schwarzarb­eit um 1,9 Milliarden Euro aus.

Zuständig für die Bekämpfung der Schattenwi­rtschaft ist der Zoll. 8600 Ermittler befassen sich dort mit dem Kampf gegen teilweise ausgefuchs­te Formen der illegalen Wirtschaft. Scheinselb­ständigkei­t, Lohnsplitt­ing oder Kettenbetr­ug sind Schlagwort­e für beliebte Methoden, um das Finanzamt hinters Licht zu führen. Allein die aufgedeckt­en Fälle führten 2022 zu einem Steuerscha­den von 686 Millionen Euro, wie der Zoll mitteilte.

Bei den bundesweit 300 Jobcentern, an denen die Bundesagen­tur für Arbeit beteiligt ist, ging die Zahl der eingeleite­ten Verfahren wegen Leistungsm­issbrauch im vergangene­n Jahr zurück: 2022 waren es 119 063 eingeleite­te Verfahren, 2023 dann 104 870. Nur ein Teil davon fällt in den Bereich Schattenwi­rtschaft, etwa wenn Menschen zusätzlich zum Bezug von Bürgergeld „nebenbei“verdienen.

Die Experten erwarten, dass die Einführung des Bürgergeld­es mit einem erhöhten Regelsatz in der Summe die Schwarzarb­eit senkt.

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FOTO: MÜLLER THOMAS/DPA Mitarbeite­r des Zolls bei einer Kontrolle auf einer Baustelle: Die Branche ist nicht die einzige mit hoher Schwarzarb­eitsquote.

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