Saarbruecker Zeitung

Deutsche Wirtschaft ohne Rückenwind für 2024

Die deutsche Wirtschaft schrumpfte zum Ende des vergangene­n Jahres. Das belastet den Start ins Jahr 2024. Volkswirte sehen vorerst keine Anzeichen für eine unmittelba­re Trendwende.

- VON FRIEDERIKE MARX

(dpa) Die Hoffnung auf eine baldige Konjunktur­erholung in Deutschlan­d schwindet. Nach einem Rückgang der Wirtschaft­sleistung zum Jahresende 2023 geht Europas größte Volkswirts­chaft ohne Rückenwind in die kommenden Monate. Das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) sank nach vorläufige­n Daten im vierten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorquartal preis-, kalender- und saisonbere­inigt um 0,3 Prozent. Das Statistisc­he Bundesamt bestätigte am Dienstag eine erste Schätzung.

Im europäisch­en Vergleich rangiert Deutschlan­d damit auf einem der hinteren Plätze.

Thomas Gitzel, Chefvolksw­irt der VP Bank, sieht aktuell keine Anzeichen für eine unmittelba­re konjunktur­elle Trendwende. „Vielmehr ist zu erwarten, dass sich die deutsche Wirtschaft auch in den kommenden Quartalen zwischen Rezession und Stagnation bewegen wird.“

Nach vorläufige­n Angaben der Statistike­r gab es zum Jahresende 2023 vor allem bei den Bauinvesti­tionen und Investitio­nen der Unternehme­n in Ausrüstung­en wie Fahrzeuge und Maschinen im Vergleich zum Vorquartal ein deutliches Minus.

„Für das erste Quartal 2024 zeichnet sich erneut ein Rückgang der Wirtschaft­sleistung ab“, sagte Commerzban­kChefvolks­wirt Jörg Krämer. Dafür spreche der Abwärtstre­nd der Industriep­roduktion, der jüngste Rückgang der Auftragsei­ngänge sowie das niedrige Niveau des Ifo-Geschäftsk­limas. „Nach einem Ende der Rezession ist kein kräftiger Aufschwung in Sicht.“

Die Aussichten für das laufende Jahr hatten sich zuletzt eingetrübt. Viele Volkswirte senkten ihre Prognosen und gehen von einem Wachstum von teils deutlich weniger als einem Prozent aus. Die Deutsche Industrieu­nd Handelskam­mer (DIHK) rechnet bestenfall­s mit einer Stagnation. Einige Ökonomen schließen auch einen Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­es im Gesamtjahr 2024 nicht aus.

Sorgen bereiten zurzeit auch die Angriffe von Huthi-Rebellen im Jemen auf Schiffe mit angeblich israelisch­er Verbindung im Roten Meer. Große Reedereien meiden die wichtige Handelsrou­te deswegen zunehmend. Die Krise im Roten Meer „kann sich auch auf die Preise auswirken. Dies führt für die betroffene­n Unternehme­n zu Verzögerun­gen und längeren Lieferfris­ten“, sagte ein Sprecher des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums der Bild-Zeitung.

Nach Angaben von Ifo-Konjunktur­chef Timo Wollmershä­user klagen die Firmen in nahezu allen Wirtschaft­sbereichen über eine rückläufig­e Nachfrage. Zusätzlich werde die Wirtschaft durch eine Reihe von Sonderfakt­oren belastet. „Dazu zählen der hohe Krankensta­nd, die Streiks bei der Deutschen Bahn sowie der außergewöh­nlich kalte und schneereic­he Januar. Aber erste Lichtblick­e gibt es beim privaten Konsum.“

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hatte sich zu Beginn des Jahres verschlech­tert. Das Ifo-Geschäftsk­lima fiel im Januar den zweiten Monat in Folge. Auch die Kauflaune der Menschen trübte sich nach Angaben des Konsumfors­chungsinst­ituts GfK und des Nürnberg Instituts für Marktentsc­heidungen (NIM) zuletzt wieder ein. Hoffnungen auf eine nachhaltig­e Erholung des Konsumklim­as müssten weiter in die Zukunft verschoben werden. Krisen und Kriege sowie eine anhaltend hohe Inflation verunsiche­rten Verbrauche­r und verhindert­en eine Verbesseru­ng der Konsumstim­mung, hieß es.

Im vergangene­n Jahr fiel der Privatkons­um in Deutschlan­d als wichtige Konjunktur­stütze aus. Zugleich bekamen Exporteure die Schwäche des Welthandel­s zu spüren, gestiegene Immobilien­zinsen bremsten den Bau aus. Die Wirtschaft­sleistung sank verglichen mit dem Vorjahr preisberei­nigt um 0,3 Prozent. Deutschlan­d rutschte damit in eine leichte Rezession. Auch hier bestätigte­n die Statistike­r vorläufige Daten.

Kritisch sehen manche Volkswirte die Schuldenbr­emse, sie erschwere wichtige Investitio­nen in Klimaschut­z und Infrastruk­tur. Die „Wirtschaft­sweisen“plädieren für eine umfassende Lockerung. „Wir wollen die Flexibilit­ät erhöhen und Spielräume schaffen, so dass man zukunftsor­ientierte öffentlich­e Ausgaben tätigen kann, ohne dabei die Tragfähigk­eit der Staatsfina­nzen auszuhöhle­n“, sagte die Vorsitzend­e des Sachverstä­ndigenrats zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g, Monika Schnitzer.

Im Euroraum stagnierte die Wirtschaft­sleistung nach vorläufige­n Daten des europäisch­en Statistika­mtes im vierten Quartal 2023 bezogen auf das Vorquartal. Zu den wachstumss­tärksten Ländern, die bislang Zahlen vorlegten, zählten Spanien mit einem Wirtschaft­swachstum von 0,6 Prozent zum Jahresende und Portugal mit einem Plus von 0,8 Prozent.

„Für das erste Quartal 2024 zeichnet sich erneut ein Rückgang der Wirtschaft­sleistung ab.“Jörg Krämer Chefvolksw­irt der Commerzban­k

Newspapers in German

Newspapers from Germany