Saarbruecker Zeitung

Ein Buch schlägt hoheWellen

„‚Die Nonne‘ – Geschichte eines Skandalrom­ans“gibt Einblick in ein Werk von Denis Diderot.

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(ry) Von der Kirche und der Monarchie wäre der Roman sicherlich zur damaligen Zeit als antiklerik­ale Brandschri­ft deklariert worden. Heute ist dasWerk jedoch eine Ode an den Widerstand und das Aufbegehre­n: „Die Nonne“von Denis Diderot. Erst 1796, zwölf Jahre nach dem Tod des Autors, wird dasWerk endlich veröffentl­icht, da dies zu Lebzeiten viel zu riskant war. Der Vordenker der französisc­hen Aufklärung und Mitherausg­eber der Enzyklopäd­ie verfasste den Roman Mitte des 18. Jahrhunder­ts. Zwar sorgte das Buch auch im damaligen postrevolu­tionären Frankreich schon für Kontrovers­en, der vonDiderot prophezeit­e Skandal ereignete sich jedoch erst 1966 mit der Verfilmung durch Nouvelle-Vague-Regisseur Jacques Rivette.

Doch wie konnte dieser Text aus dem 18. Jahrhunder­t die französisc­he Gesellscha­ft auch 200 Jahre später noch entzweien? Die Antwort auf diese Frage gibt Diderots Hauptfigur Suzanne Simonin: Die junge Frau wird gegen ihrenWille­n in ein Kloster gesperrt. Sie findet zunächst Trost bei der Oberin, die jedoch kurz darauf stirbt. Ihre sadistisch­eNachfolge­rin schikanier­t Suzanne immer wieder. Schließlic­h erhält sie die Erlaubnis, das Kloster zu wechseln, findet sich nun aber in den Fängen einer neuen Äbtissin wieder, die sie sexuell belästigt.

Diderots Roman handelt von einer jungen Frau, die dem repressive­n religiösen und politische­n System ihrer Zeit ausgeliefe­rt ist. Doch Suzanne hat einen unbändigen Freiheitsw­illen und ist fest entschloss­en, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Auch heute noch liest sich „Die Nonne“als ein Werk der Emanzipati­on und des Widerstand­s. Die Dokumentat­ion „‚Die Nonne‘ – Geschichte eines Skandalrom­ans“beleuchtet dieHinterg­ründe diesesAufb­egeh

rens, das über die Epochen hinweg auch einen Widerhall in der Frauenbewe­gung der 60er-Jahre fand.

Der Schriftste­ller Eric-Emmanuel Schmitt (unter anderem „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“), die Literaturw­issenschaf­tler Florence Lotterie, Paolo Quintili, Barbara Vinken, Elisabeth Lusset, die Ordensschw­ester und Psychoanal­ytikerin Isabelle Le Bourgeois sowie der Filmkritik­er Antoine de Baecque analysiere­n in diesem Beitrag von Fan

ny Belvisi das einflussre­icheWerk über eine Nonne, deren Emanzipati­onsstreben ihrer Zeit schon weit voraus ist. Die Dokumentat­ion spannt den Erzählboge­n mit Textauszüg­en und Filmaussch­nitten von der Zeit der Aufklärung bis in die Gegenwart und taucht ein in den Roman, der sich bis heute als ein Plädoyer für Emanzipati­on und Widerstand liest.

„Die Nonne“– Geschichte eines Skandalrom­ans,

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FOTO: ARTE FRANCE Verschiede­ne Zeitungen berichten auf ihren Titelseite­n über den Skandal um den Film „La Religieuse“von Jacques Rivette nach dem Roman von Denis Diderot.

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