Erhält das Historische Museum einen Neubau?
Der Saarbrücker Schlossplatz wird sein Gesicht verändern, wenn das Historische Museum wächst. Wie radikal, zeigt der erste Preisträger des Architektenwettbewerbs. Bürger können jetzt alle Entwürfe sehen.
Erstens kommt es anders, zweitens als man nicht mal kühn zu träumen gewagt hätte. Als im vergangenen Jahr publik wurde, dass das Historische Museum Saar eine bauliche Erweiterungsmöglichkeit auf dem Saarbrücker Schlossplatz sucht, war allein dies schon eine kleine Sensation. Denn das Schlossplatz-Ensemble zählt zu den bedeutendsten Denkmälern und prestigeträchtigsten Besuchs-Zielen des Saarlandes, nicht zuletzt wegen des Mittelrisaliten des Kölner Stararchitekten Gottfried Böhm. Letzterer entwarf 1993 auch den „Tunnelbau“des Historischen Museums an der Talstraße. Und just der müsste nun wieder verschwinden, konkret gesprochen abgerissen werden.
Denn jetzt soll sogar ein Museumsneubau her. Das ist ein Begriff, der seit dem Skandal um den Erweiterungsbau der Saarbrücker Modernen Galerie tabu schien, das Kölner Architekturbüro „trint + kreuder d.n.a.“bringt ihn jedoch zurück in die Landespolitik. Beziehungsweise die Jury tut es, die den radikalen Schritt, den das Büro mit seinen Entwürfen bei einem europaweiten Planungswettbewerb ging, mit dem ersten Preis belohnte. Am Dienstag wurden alle 22 Entwürfe Vertretern der Medien in der Alten Post in Saarbrücken vorgestellt, ab heute können die Bürger in der Ausstellung sehen, wie sich der Schlossplatz verwandeln könnte.
Das Modell des ersten Preisträgers sieht unter anderem ein großes Vordach vor, das wie ein Schirm über die Talstraße ragt. Durch Verglasung wird das Museum, heute eine blickdichte Röhre, zu einem auch nachts weithin leuchtenden Blickpunkt. Hanno Kreuder machte deutlich, dass der Abriss des Böhm`schen Bestandsbau nicht von vornherein feststand, sondern in einem Prozess erarbeitet wurde, vor allem im Hinblick auf den aufgelaufenen Sanierungsstau und grundlegende energetische Verbesserungen, die die nächsten 50 Jahre tragen sollten. Zudem handele es sich um einen Stahlbau: „Wenn man den saniert, bleibt nur das Skelett übrig, da macht man es besser gleich ganz neu und dann kostengünstiger.“
Doch eine Hemmschwelle gab es zu überwinden: die Hochschätzung des „großen“Böhm. „Der Saarbrücker Museumsbau mag zwar nicht Böhms Meisterwerk gewesen sein, aber man geht vorsichtig mit dessen Architektur um“, so Kreuder. Auch Matthias Trebbert (zwo/elf Architekten Karlsruhe), dessen Büro einen Anerkennungspreis erhielt für ein Modell, das den Bestandsbau stehen ließ, meinte: „Wir haben extreme Defizite gesehen, aber wir haben diese Gebäude in unserer Ausbildung studiert, da hat man Respekt.“
Oder man hat sehr viel Mut, wie die Jury. Nach elfstündiger Sitzung am Freitag erging die Nominierung der fünf Favoriten einstimmig, wie man von Museumschef Simon
Matzerath hört. Für ihn stellt der neue Baukörper von trint + kreuder „die Wunschlösung“dar: „Da habe ich richtig Lust drauf!“Doch ein Planungswettbewerb verpflichtet nicht zur Realisierung. Was heißt: Ob, wann und mit welchem Büro gebaut wird, steht in den Regionalverbands-Sternen. Denn über Kosten wird erst im nächsten Verfahrensschritt verhandelt, mit den drei bestplatzierten Büros: trint + kreuder, Oliver Brünjes mit Uwe Erhard (Saarbrücken) und studioinges (Berlin). Dann erst kommt die Regionalverbandsversammlung als Hauptgeldgeber für das Museum ins Spiel. „Der Wettbewerb liefert erst den Einstieg in Gespräche“, so Regionalverbandsdirektor Peter Gillo auf die Nachfrage der SZ, ob die Landesregierung, ebenfalls Finanzier im Museums-Zweckverband, bereits Bereitschaft zur Mitförderung oder zumindest zur ideellen Unterstützung eines derart ehrgeizigen Vorhabens an prominenter Stelle signalisiert habe.
Am Dienstag ging es zunächst um viel Information rund um den Wettbewerb: 49 Interessenten gab es, 30 wurden ausgelost, nach dem Kolloquium blieben 22 Büros übrig, davon sieben aus dem Saarland. Auch erläuterten Gillo und Matzerath, warum das Museum überhaupt wachsen soll: Der Böhmsche Bau sei ursprünglich für rund 10 000 Besucher gedacht gewesen, aber schon jetzt habe sich deren Zahl mehr als verdreifacht und man strebe 40 000 und mehr an. Das Foyer platze bei
Schulklassen-Besuchen aus allen Nähten, die Dauerausstellung, die mit dem Anschluss des Saarlandes an das Bundesgebiet ende, müsse in die Gegenwart geführt werden. Direktor Matzerath führte zudem die unzureichende Anbindung der unterirdischen Burg an den Rundgang ins Feld, es gebe eine „Orientierungsproblematik“. Außerdem ist die mangelnde Sichtbarkeit des
Eingangs auf dem Schlossplatz sein Dauerthema: „Wir lassen einfach zu viel Potenzial liegen, wir verschenken Aufmerksamkeit“, so Matzerath zur SZ. Der derzeitige schmale Bau vermittele die beachtliche Größe nicht, zeige nicht, dass unterirdisch 2500 Quadratmeter Fläche zu entdecken seien.
Viele Problemfelder waren das also für die Wettbewerbs-Teilnehmer. Ein Haupthindernis wurde aber bereits vor der Ausschreibung ausgeräumt: Das Landesdenkmal hatte man davon überzeugt, dass das Museum mehr Fläche auf dem Schlossplatz beanspruchen darf als bisher, trotz Ensembleschutzes der Schloss-Bauten. Wobei der jetzt zur Disposition gestellte Museumsbau Böhms nicht unter Denkmalschutz steht. Das „zähe Ringen“mit dem Amt erwähnte Henning Freese, dessen Saarbrücker Büro die Betreuung des Wettbewerbs übernahm. Er schilderte das „absolut anonyme Wettbewerbsverfahren“und sagte, Wettbewerbe seien „die Königsdisziplin“für die Büros, die sich eine Teilnahme je etwa 20 000 Euro kosten ließen – „ein Geschenk“sei das
an den Bauherren. Und ja, das ist all das, was man in der Alten Post zu sehen bekommt.
Es gingen übrigens noch mehr Architekten den rigorosen NeubauWeg. „Ziehen Sie's durch!“, flüsterte der Karlsruher Architekt Trebbert dem Regionalverbands-Chef Gillo während des Rundgangs zu, mit Blick auf die trint-und-kreuderPläne. Das klang nach Begeisterung – und nach Beschwörung durchzuhalten. Doch Gillo selbst hatte gesagt: „Es wird Kontroversen geben, darauf muss man sich einlassen. Debatten schaden uns nicht.“
Ausstellung der Wettbewerbsergebnisse: Alte Post ( gegenüber der Johanneskirche), Dudweilerstraße 17, 66111 Saarbrücken vom 31. Januar (11 bis 14 Uhr) bis 7. Februar. Öffnungszeiten: 1. Februar von 17 bis 20 Uhr, an allen anderen Tagen von 11 bis 14 Uhr. Umfassendes Material zu Entwürfen und Verfahren unter www.regionalverband. de/erweiterung-museum