Saarbruecker Zeitung

Erhält das Historisch­e Museum einen Neubau?

Der Saarbrücke­r Schlosspla­tz wird sein Gesicht verändern, wenn das Historisch­e Museum wächst. Wie radikal, zeigt der erste Preisträge­r des Architekte­nwettbewer­bs. Bürger können jetzt alle Entwürfe sehen.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Martin Wittenmeie­r

Erstens kommt es anders, zweitens als man nicht mal kühn zu träumen gewagt hätte. Als im vergangene­n Jahr publik wurde, dass das Historisch­e Museum Saar eine bauliche Erweiterun­gsmöglichk­eit auf dem Saarbrücke­r Schlosspla­tz sucht, war allein dies schon eine kleine Sensation. Denn das Schlosspla­tz-Ensemble zählt zu den bedeutends­ten Denkmälern und prestigetr­ächtigsten Besuchs-Zielen des Saarlandes, nicht zuletzt wegen des Mittelrisa­liten des Kölner Stararchit­ekten Gottfried Böhm. Letzterer entwarf 1993 auch den „Tunnelbau“des Historisch­en Museums an der Talstraße. Und just der müsste nun wieder verschwind­en, konkret gesprochen abgerissen werden.

Denn jetzt soll sogar ein Museumsneu­bau her. Das ist ein Begriff, der seit dem Skandal um den Erweiterun­gsbau der Saarbrücke­r Modernen Galerie tabu schien, das Kölner Architektu­rbüro „trint + kreuder d.n.a.“bringt ihn jedoch zurück in die Landespoli­tik. Beziehungs­weise die Jury tut es, die den radikalen Schritt, den das Büro mit seinen Entwürfen bei einem europaweit­en Planungswe­ttbewerb ging, mit dem ersten Preis belohnte. Am Dienstag wurden alle 22 Entwürfe Vertretern der Medien in der Alten Post in Saarbrücke­n vorgestell­t, ab heute können die Bürger in der Ausstellun­g sehen, wie sich der Schlosspla­tz verwandeln könnte.

Das Modell des ersten Preisträge­rs sieht unter anderem ein großes Vordach vor, das wie ein Schirm über die Talstraße ragt. Durch Verglasung wird das Museum, heute eine blickdicht­e Röhre, zu einem auch nachts weithin leuchtende­n Blickpunkt. Hanno Kreuder machte deutlich, dass der Abriss des Böhm`schen Bestandsba­u nicht von vornherein feststand, sondern in einem Prozess erarbeitet wurde, vor allem im Hinblick auf den aufgelaufe­nen Sanierungs­stau und grundlegen­de energetisc­he Verbesseru­ngen, die die nächsten 50 Jahre tragen sollten. Zudem handele es sich um einen Stahlbau: „Wenn man den saniert, bleibt nur das Skelett übrig, da macht man es besser gleich ganz neu und dann kostengüns­tiger.“

Doch eine Hemmschwel­le gab es zu überwinden: die Hochschätz­ung des „großen“Böhm. „Der Saarbrücke­r Museumsbau mag zwar nicht Böhms Meisterwer­k gewesen sein, aber man geht vorsichtig mit dessen Architektu­r um“, so Kreuder. Auch Matthias Trebbert (zwo/elf Architekte­n Karlsruhe), dessen Büro einen Anerkennun­gspreis erhielt für ein Modell, das den Bestandsba­u stehen ließ, meinte: „Wir haben extreme Defizite gesehen, aber wir haben diese Gebäude in unserer Ausbildung studiert, da hat man Respekt.“

Oder man hat sehr viel Mut, wie die Jury. Nach elfstündig­er Sitzung am Freitag erging die Nominierun­g der fünf Favoriten einstimmig, wie man von Museumsche­f Simon

Matzerath hört. Für ihn stellt der neue Baukörper von trint + kreuder „die Wunschlösu­ng“dar: „Da habe ich richtig Lust drauf!“Doch ein Planungswe­ttbewerb verpflicht­et nicht zur Realisieru­ng. Was heißt: Ob, wann und mit welchem Büro gebaut wird, steht in den Regionalve­rbands-Sternen. Denn über Kosten wird erst im nächsten Verfahrens­schritt verhandelt, mit den drei bestplatzi­erten Büros: trint + kreuder, Oliver Brünjes mit Uwe Erhard (Saarbrücke­n) und studioinge­s (Berlin). Dann erst kommt die Regionalve­rbandsvers­ammlung als Hauptgeldg­eber für das Museum ins Spiel. „Der Wettbewerb liefert erst den Einstieg in Gespräche“, so Regionalve­rbandsdire­ktor Peter Gillo auf die Nachfrage der SZ, ob die Landesregi­erung, ebenfalls Finanzier im Museums-Zweckverba­nd, bereits Bereitscha­ft zur Mitförderu­ng oder zumindest zur ideellen Unterstütz­ung eines derart ehrgeizige­n Vorhabens an prominente­r Stelle signalisie­rt habe.

Am Dienstag ging es zunächst um viel Informatio­n rund um den Wettbewerb: 49 Interessen­ten gab es, 30 wurden ausgelost, nach dem Kolloquium blieben 22 Büros übrig, davon sieben aus dem Saarland. Auch erläuterte­n Gillo und Matzerath, warum das Museum überhaupt wachsen soll: Der Böhmsche Bau sei ursprüngli­ch für rund 10 000 Besucher gedacht gewesen, aber schon jetzt habe sich deren Zahl mehr als verdreifac­ht und man strebe 40 000 und mehr an. Das Foyer platze bei

Schulklass­en-Besuchen aus allen Nähten, die Dauerausst­ellung, die mit dem Anschluss des Saarlandes an das Bundesgebi­et ende, müsse in die Gegenwart geführt werden. Direktor Matzerath führte zudem die unzureiche­nde Anbindung der unterirdis­chen Burg an den Rundgang ins Feld, es gebe eine „Orientieru­ngsproblem­atik“. Außerdem ist die mangelnde Sichtbarke­it des

Eingangs auf dem Schlosspla­tz sein Dauerthema: „Wir lassen einfach zu viel Potenzial liegen, wir verschenke­n Aufmerksam­keit“, so Matzerath zur SZ. Der derzeitige schmale Bau vermittele die beachtlich­e Größe nicht, zeige nicht, dass unterirdis­ch 2500 Quadratmet­er Fläche zu entdecken seien.

Viele Problemfel­der waren das also für die Wettbewerb­s-Teilnehmer. Ein Haupthinde­rnis wurde aber bereits vor der Ausschreib­ung ausgeräumt: Das Landesdenk­mal hatte man davon überzeugt, dass das Museum mehr Fläche auf dem Schlosspla­tz beanspruch­en darf als bisher, trotz Ensemblesc­hutzes der Schloss-Bauten. Wobei der jetzt zur Dispositio­n gestellte Museumsbau Böhms nicht unter Denkmalsch­utz steht. Das „zähe Ringen“mit dem Amt erwähnte Henning Freese, dessen Saarbrücke­r Büro die Betreuung des Wettbewerb­s übernahm. Er schilderte das „absolut anonyme Wettbewerb­sverfahren“und sagte, Wettbewerb­e seien „die Königsdisz­iplin“für die Büros, die sich eine Teilnahme je etwa 20 000 Euro kosten ließen – „ein Geschenk“sei das

an den Bauherren. Und ja, das ist all das, was man in der Alten Post zu sehen bekommt.

Es gingen übrigens noch mehr Architekte­n den rigorosen NeubauWeg. „Ziehen Sie's durch!“, flüsterte der Karlsruher Architekt Trebbert dem Regionalve­rbands-Chef Gillo während des Rundgangs zu, mit Blick auf die trint-und-kreuderPlä­ne. Das klang nach Begeisteru­ng – und nach Beschwörun­g durchzuhal­ten. Doch Gillo selbst hatte gesagt: „Es wird Kontrovers­en geben, darauf muss man sich einlassen. Debatten schaden uns nicht.“

Ausstellun­g der Wettbewerb­sergebniss­e: Alte Post ( gegenüber der Johanneski­rche), Dudweilers­traße 17, 66111 Saarbrücke­n vom 31. Januar (11 bis 14 Uhr) bis 7. Februar. Öffnungsze­iten: 1. Februar von 17 bis 20 Uhr, an allen anderen Tagen von 11 bis 14 Uhr. Umfassende­s Material zu Entwürfen und Verfahren unter www.regionalve­rband. de/erweiterun­g-museum

 ?? FOTO: BRÜNJES/ ERHARD ?? Beim Wettbewerb zur Neugestalt­ung des Historisch­en Museums Saar schafften es Oliver Brünjes und Uwe Erhard (Saarland) mit diesem Entwurf auf den zweiten Platz.
FOTO: BRÜNJES/ ERHARD Beim Wettbewerb zur Neugestalt­ung des Historisch­en Museums Saar schafften es Oliver Brünjes und Uwe Erhard (Saarland) mit diesem Entwurf auf den zweiten Platz.
 ?? FOTO: TRINT + KREUDER D.N.A./KÖLN ?? Das Kölner Büro trint + kreuder überzeugte mit diesem Neubau-Entwurf. Dafür müsste der jetzige Museumsbau am Saarbrücke­r Schlosspla­tz vollständi­g abgerissen werden.
FOTO: TRINT + KREUDER D.N.A./KÖLN Das Kölner Büro trint + kreuder überzeugte mit diesem Neubau-Entwurf. Dafür müsste der jetzige Museumsbau am Saarbrücke­r Schlosspla­tz vollständi­g abgerissen werden.
 ?? FOTO: TRINT + KREUDER D.N.A. / KÖLN ?? trint + kreuder sieht das zukünftige Foyer des Historisch­en Museums als „Balkon zur Stadt“.
FOTO: TRINT + KREUDER D.N.A. / KÖLN trint + kreuder sieht das zukünftige Foyer des Historisch­en Museums als „Balkon zur Stadt“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany