„Die Integration wird nie vollendet sein“
Gespräch mit der Integrationsbeirat-Vorsitzenden über den Rat, Wahlen, den Stand der Integration – und warum es immer weiter geht.
VÖLKLINGEN Was kann ein Integrationsbeirat konkret bewirken? Darüber haben wir mit Kiymet Kirtas, der Vorsitzenden des Integrationsbeirats in Völklingen, gesprochen.
Frau Kirtas, Sie sind seit zehn Jahren Vorsitzende des Völklinger Integrationsbeirates, der am 7. April neu gewählt wird. 1990 gab es den ersten „Ausländerbeirat“in Völklingen, aus dem wurde im Jahr 2010 der Integrationsbeirat – wie trägt der Beirat zur Integration bei? Kiymet Kirtas Diese Frage bekommen wir im Integrationsbeirat oft gestellt. Der Beirat ist ein wichtiges Sprachrohr für die politische Partizipation von Migranten, auch gegenüber Stadtverwaltung und Öffentlichkeit. Und er steht für ein tolerantes Miteinander verschiedener Lebensweisen und Kulturen. Integration betrifft dabei alle Menschen in Völklingen, nicht nur Migranten. Es ist nicht die eigentliche Aufgabe des Beirates, die migrantische Bevölkerung zu unterstützen, sondern sie aktiv an der kommunalen Selbstverwaltung zu beteiligen.
Und wie unterstützt der Beirat Völklinger Bürger mit ausländischen Wurzeln konkret?
Kirtas Eigentlich sind die Themen queerbeet, zu denen der Beirat, etwa in seinen Sprechstunden, um Hilfe gebeten wird. Oft werden Ansprechpartner im Zusammenhang mit Sprachbarrieren gesucht. Da wird zum Beispiel ein Brief der Ausländerbehörde oder ganz einfach eine Information der Schule des Kindes nicht richtig verstanden. Geht es zum Beispiel um ein Schulthema, dann rufen wir auch zur Klärung dort an oder schauen dort zusammen mit den Eltern vorbei. Während Corona gab es besonders viele Anfragen zur Ausländerbehörde, weil es dort wegen der Pandemie zu Verzögerungen gekommen war und Menschen auf wichtige Unterschriften auf ihren Dokumenten warteten. Junge Leute kommen auch zu uns, wenn es um Fragen zur Ausbildung oder auch mal um Probleme mit dem Arbeitsvertrag geht.
Weil sich das Wahlrecht geändert hat und dadurch die Satzung des Integrationsbeirates geändert werden musste, kommt die Wahl am 7. April recht kurzfristig (wir berichteten). Genügt die Zeit für alle Vorbereitungen?
Kirtas Das Wichtigste ist, dass die Gesetzeslage zum Besseren geändert wurde, auch wenn das zeitlich natürlich sehr, sehr eng ist. Und man merkt, wie wichtig Unterstützung ist und dass man nicht allein arbeitet. Gott sei Dank ist da die Unterstützung durch die Stadtverwaltung und die Oberbürgermeisterin, aber auch durch Vereine und Institutionen, die mit Migranten arbeiten, sehr gut. Es ist schön zu spüren, dass man nicht allein ist. Wir hatten ja auch schon Info-Veranstaltungen, und es wird noch weitere geben.
Die Beteiligung bei den Wahlen zum Ausländer- bzw. zum Integrationsbeirat war – obwohl in Völklingen innerhalb des Saarlandes noch am höchsten – immer ausgesprochen gering. Die Änderung im Wahlrecht hatte es auch in der Hoffnung gegeben, dass die Wahlbeteiligung steigt. Etwa dadurch, dass nun auch Menschen mit Migrationshintergrund wählen können, die bereits einen deutschen Pass haben. Lassen sich schon Auswirkungen der Änderungen erkennen?
Kirtas Bei der Infoveranstaltung vorigen Donnerstag im Rathaussaal waren etliche neue Gesichter zu sehen. Und ich bin auch schon gezielt von Menschen angesprochen worden, die sich über die Möglichkeit freuen, zu wählen oder sich zur Wahl zu stellen. Wichtig für die neu hinzugekommenen Gruppen von Wahlberechtigten ist, dass sie sich mindestens 21 Tage vor der Wahl im Rathaus registrieren lassen – das geht aber ganz schnell und unkompliziert.
Zeichnet sich schon ab, ob es für die kommende Wahl verschiedene Listen geben wird? In Völklingen gab es ja zum Beispiel schon italienische, türkische und syrische Listen, die für den Beirat kandidierten.
Kirtas Ja, nach bisherigem Stand werden es zwei Listen sein. Was mich dabei besonders freut: Es sind keine nach Nationalitäten getrennte, sondern internationale Listen.
Die Bewerber haben zum Beispiel türkische, syrische, libysche, afrikanische, bulgarische, rumänische und ich glaube, auch italienische Wurzeln. Da es sich nicht um politisch, sondern eher kulturell orientierte Listen handelt, unterstütze ich die Vielfalt gerne.
Warum freut sie diese Internationalität?
Kiymet Kirtas: Weil der Integrati
onsbeirat nicht nur für bestimmte Volksgruppen da ist. Da ist es auch gut, wenn in den Listen Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln vertreten sind. Dann ist es auch einfacher, Menschen unterschiedlicher Herkunft anzusprechen. Ich werde jedenfalls beide Listen unterstützen.
Beide? Geht das?
Kirtas Schon. Zumal ich selbst nicht mehr kandidieren werde, was mir
sehr leid tut und eine sehr, sehr schwierige Entscheidung für mich war, aber es gibt gesundheitliche Gründe. Wer neu in den Rat gewählt wird, der wird aber nicht allein gelassen. Wir haben auch vor, eine Schulung für neue Beiratsmitglieder anzubieten, und im Hintergrund mache ich gerne weiter mit.
Wie schätzen Sie den Stand der Integration insgesamt ein?
Kirtas Es hat sich schon einiges getan. Als mein Vater 1972 hier ankam, um im Bergbau zu arbeiten, da kannte man ja nicht einmal das Wort „Integration“– diese erste Generation hat schon viel für uns getan. Und es wird sich auch noch viel tun. Aber es wird auch immer wieder Neues kommen, also wird die Integration auch nie vollendet sein.