Saarbruecker Zeitung

Vom Kinderzimm­er in den Sammlersch­rank

So gut wie jedes Kind kennt Playmobil. Nun werden die Spielfigur­en 50 Jahre alt – und wollen sich nach einer „ Midlife Crisis“teilweise neu erfinden.

- VON IRENA GÜTTEL

(dpa) Punkt, Punkt, gebogener Strich – fertig ist das Gesicht, dazu obendrauf Zick-Zack-Haare. Würde man ein Kind eine Spielzeugf­igur entwerfen lassen, würde diese wahrschein­lich ähnlich aussehen. Ein einfach gehaltenes Design, aber man erkennt sofort: Das ist eine Playmobil-Figur.

Vor 50 Jahren kamen die ersten dieser Spielzeugf­iguren auf den Markt und eroberten in den nächsten Jahrzehnte­n die Kinderzimm­er in vielen Ländern weltweit. Wer mit Playmobil groß geworden ist, hat inzwischen meist selbst Kinder, die ebenfalls damit spielen oder gespielt haben. Was heute eine Selbstvers­tändlichke­it ist, war damals jedoch eine kleine Revolution.

Ein 7,5 Zentimeter großer Ritter, ein Bauarbeite­r und ein Indianer – das waren die ersten Figuren, die der Spielzeugp­roduzent Horst Brandstätt­er am 2. Februar 1974 auf der Spielwaren­messe in Nürnberg vorstellte. Genau dort feiert die Spielzeugm­arke aus dem mittelfrän­kischen Zirndorf seit Dienstag das runde Jubiläum und will zugleich ein neues Kapitel in seiner wechselvol­len Geschichte aufschlage­n, wie Playmobil-Vorstand Bahri Kurter ankündigt. „Wir stellen uns jetzt strategisc­h neu auf.“

3,8Milliarde­n Playmobil-Figuren wurden in den vergangene­n 50 Jahren gefertigt, in mehr als 100 Ländern sind diese erhältlich. Trotzdem lief es zuletzt nicht mehr so gut für die Traditions­marke. Der Mutterkonz­ern, die Horst Brandstätt­er Group, streicht nach zwei wirtschaft­lich schwierige­n Jahren mit Einbußen bei Umsatz und Gewinn 700 Stellen weltweit. Genaue Geschäftsz­ahlen nennt die Gruppe generell nicht.

Offen spricht Kurter dagegen über die Probleme von Playmobil, die aus seiner Sicht zum Teil hausgemach­t sind. In den vergangene­n Jahren sei die ursprüngli­che Zielgruppe der vier bis zehn Jahre alten Kinder um ein Drittel geschrumpf­t, weil sich die älteren zunehmend mit digitalen Medien beschäftig­ten, sagt er. Man habe aber versucht, diese neuen Probleme mit alten Konzepten zu beheben. „Und das hat nicht so funktionie­rt, wie wir das wollten.“Eine Neuausrich­tung, die Kleinkinde­r und die Sammelleid­enschaft von Jugendlich­en und Erwachsene­n anspricht, soll nun neue Käuferinne­n und Käufer bringen. Mit einer Neuausrich­tung begann auch die Geschichte von Playmobil: Einst stellte der Spielzeugp­roduzent Horst Brandstätt­er Hula-Hoop-Reifen, Trettrakto­ren und andere große Kunststoff-Artikel her. Bereits 1971 hatte Entwickler Hans Beck die Idee für die ersten Playmobil-Figuren. Als dann im Zuge der Ölkrise die Preise für Kunststoff­e enorm stiegen, erkannte Brandstätt­er darin eine Chance, neue Spielzeuge zu fertigen, für die man weniger Kunststoff brauchte.

Zu den ersten Playmobil-Männern gesellten sich bald Frauen, Kinder und Tiere. Es entstanden ganze Themenwelt­en wie Ritterburg, Bauernhof oder Piratensch­iff, die sich erweitern und kombiniere­n ließen. „Es war perfekt durchkompo­niert, das hatte etwas verblüffen­d Neues“, sagt Karin Falkenberg vom Spielzeugm­useum in Nürnberg. Kinder konnten sich dadurch mit ihren Playmobil-Sachen zum Spielen verabreden.

„Neu war auch die Alltagsbez­ogenheit“, sagt die Expertin. Man könne die Arme der Figuren bewegen, diese auf Stühle oder in Fahrzeuge setzen, ihnen Schals umlegen und diesen etwas in die Hände stecken. Auch die Größenverh­ältnisse zwischen Figuren, Häuser, Tieren oder Bäumen seien realistisc­h, was bei früheren Spielzeuge­n nicht der Fall gewesen sei. Mit der Zeit wurden die Figuren diverser, mit verschiede­nen Frisuren, Haut- und Augenfarbe­n, zum Teil kamen Wimpern oder rote Wangen dazu. Auch die Themenspan­ne wurde größer: Heute bevöl

kern unter anderem Feen, Pferde mit kämmbaren Haaren, Dinos und Ninja-Kämpfer die Playmobil-Welt. Jahrzehnte­lang blieb der Gesichtsau­sdruck der Figuren dagegen immer derselbe: ein freundlich­es Lächeln. Selbst fiese Piraten und böse Krieger blickten bei Playmobil gut gelaunt drein. Doch auch das ändere sich jetzt, sagt Kurter.

„Die Zeit, in der Kinder hemmungslo­s mit Spielzeug spielen, wird immer kürzer“, sagt Falkenberg. Das Credo vieler Hersteller lautet deshalb: Zielgruppe erweitern. Dabei nehmen sie inzwischen sogar Jugendlich­e und Erwachsene

in den Blick, die eigentlich längst aus dem Spielalter heraus sein sollten. Produkte für „Kidults“– eine Wortschöpf­ung aus kid (Kind) und adults (Erwachsene) – sind nach Ansicht der Spielwaren­messe einer der wichtigste­n Trends der Branche.

Der dänische Weltmarktf­ührer Lego macht das schon länger erfolgreic­h. Sets mit vielen Tausend Steinen, mit denen man zum Beispiel die Titanic oder den Eiffelturm nachbauen kann, richten sich gezielt an die Altersgrup­pe 18+. Dazu kommen erfolgreic­he Lizenzen wie „Star Wars“und „Harry Potter“. Lego sei vor 20 Jahren vor einem Scheide

punkt gewesen wie jetzt Playmobil, sagt Kurter. Statt auf Lego und andere Konkurrent­en zu schauen, wolle er aber mehr an den Stärken von Playmobil arbeiten.

Den Playmobil-Rekord allerdings hält eine Sonderfigu­r: Martin Luther verkaufte sich bisher 1,2 Millionen Mal weltweit. Und an diesen Erfolg will Kurter anknüpfen. Künftig werde es Sammelfigu­ren von verschiede­nen Prominente­n geben, sagt er. Welche, wollte er noch nicht verraten. Außerdem werde es eine Zusammenar­beit mit der FußballNat­ionalmanns­chaft zur EM im Sommer geben.

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Vor 50 Jahren präsentier­e Horst Brandstätt­er auf der Spielwaren­messe in Nürnberg die ersten Playmobil-Figuren. Inzwischen haben diese sich weiter entwickelt, sind diverser geworden.

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