Saarbruecker Zeitung

Forschung: Wo KI in der Pflege hilft und wo ihre Grenzen sind

Die Versorgung pflegebedü­rftiger Menschen ist eine große gesellscha­ftliche Herausford­erung. Kann Künstliche Intelligen­z Teil der Lösung sein? Erprobt wird vieles, doch der Weg in die Praxis ist weit.

- Dpa/tmn

Wie soll die Pflege der Zukunft aussehen? Angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerun­g wächst nicht nur der Bedarf an geschulten Kräften, sondern auch an Innovation­en. Kann Künstliche Intelligen­z – KI – hier eine Rolle spielen? Und wie stellt man sicher, dass die Menschlich­keit erhalten bleibt? Zur Einordnung muss man zunächst wissen, wovon hier die Rede ist. Denn um KI ranken sich viele Missverstä­ndnisse. Am Ende ist es der Versuch, menschlich­e Entscheidu­ngen über Computer abzubilden, erklärt Professor Andreas Hein, ein Fachmann für Assistenzs­ysteme.

Das bedeutet mit Blick auf Medizin und Pflege: „Ärztinnen oder Pflegern wird etwas vorgeschla­gen, was der Computer aus den Daten ableitet. Die finale Entscheidu­ng trifft aber ein Mensch“, so Hein. In der ambulanten Pflege finde KI bereits Anwendung, etwa in der Routenplan­ung. Hier werden zum Beispiel anhand von Fahrtzeite­n oder Präferenze­n der Patientinn­en und Patienten Touren geplant.

Lernen mit Daten – wenn es sie gibt

Seit einigen Jahren dominieren dem Forscher zufolge in der KI Verfahren, die es Maschinen ermögliche­n, mit Daten zu lernen. „Hier werden vorab keine Regeln festgelegt, sondern die Regeln werden aus Daten extrahiert“, erklärt Hein.

Damit das gut klappt, müssen die Daten gut sein: Man müsse die Entscheidu­ngsgrundla­gen kennen und die Entscheidu­ngen, die auf deren Basis getroffen wurden. Der Professor nennt ein Beispiel: So können in der Radiologie mit archiviert­en Computerto­mographie-Bildern und daraus gestellten Diagnosen Systeme trainiert werden. Das einzige Problem: In der Pflege gibt es solche Daten bislang nicht. Das sei gerade erst im Aufbau, so Hein.

Ohne Daten keine KI. Gerade die Dokumentat­ion sei eines der großen KI-Zukunftsth­emen, meint Andreas Hein. Pflegekräf­te verbrächte­n damit 30 bis 50 Prozent ihrer Zeit. Könnten sie das schneller erledigen, bliebe mehr Zeit für die Arbeit am Menschen. „Wir glauben, dass wir hier noch mehr Daten werden einspeisen müssen, um mit Hilfe von KI die Dokumentat­ion unterstütz­en zu können“, sagt der Experte.

Viele Anwendungs­möglichkei­ten, wenig Verbreitun­g

Die Anwendungs­felder für KI in der Pflege sind ein „bunter Mix“: Vom Monitoring des Gesundheit­sstatus oder der Aktivitäte­n von Pflegebedü­rftigen, über Alarmmanag­ement und Erkennung von Stürzen bis hin zur Dienst- oder Medikation­splanung. In der Breite finde bisher aber kaum eine Anwendung ihre Verwendung.

Auch die soziale Unterstütz­ung, Interaktio­n und Aktivierun­g gehören zu KI-Anwendunge­n dazu - geistig und körperlich. Das kann bei der Betreuung von Menschen mit Demenz hilfreich sein, obgleich es aus ethischer Sicht umstritten ist, wie Andreas Hein sagt.

So bestehe zum Beispiel beim Einsatz tierähnlic­her Roboter die Gefahr, dass durch technische­n Ersatz die notwendige Zuwendung und der Umgang zwischen dem Demenzkran­ken und der Pflegekraf­t reduziert werde. Hein nennt jedoch auch Studien, wonach kurzfristi­ge positive Wirkungen erreicht werden könnten. Allerdings nur, wenn die Roboter gut in den Pflegeallt­ag eingebunde­n werden.

Möglichkei­ten und Risiken abwägen

Technik und neue Technologi­en seien heute kaum mehr aus der Pflege wegzudenke­n, so Experten. Man wisse aus eigenen Studien auch: Die Aufgeschlo­ssenheit der Pflegenden gegenüber neuen Techniken sei prinzipiel­l hoch. Gestaltung­sspielräum­e sollten aus der Pflege heraus aktiv genutzt werden, sagt sie, indem rechtzeiti­g eine breite Auseinande­rsetzung mit technologi­schen Innovation stattfinde. Diese müsse offen geführt werden – „sowohl mit Blick auf Möglichkei­ten als auch Risiken“.

Einig sind sich die Forschende­n darin, dass der Mensch weiter im Mittelpunk­t steht. Es kann keinesfall­s darum gehen, Pflegekräf­te zu ersetzen, sondern darum, sie zu unterstütz­en. Soziale Kompetenz kann nicht durch KI ersetzt werden.

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Foto: Sven Hoppe/dpa/dpa-tmn Assistenzr­oboter wie dieser könnten in der Pflege immer häufiger zum Einsatz kommen.

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