Saarbruecker Zeitung

Gespräche über Pflege: Die Vorbereitu­ng auf den Ernstfall

Ein Pflegefall kann Familien von heute auf morgen treffen. Deshalb lohnt es sich, darauf vorbereite­t zu sein – auch wenn die Gespräche darüber vielleicht unangenehm sind.

- Dpa/tmn

Ein Pflegefall in der Familie ändert alles: den Tagesablau­f, die finanziell­en Belastunge­n, den Einklang von Job und Freizeit oder das Wohnumfeld. Häufig müssen dann unter Druck schnelle Lösungen her. Doch vieles lässt sich schon vorab organisier­en und besprechen. Denn dass ein Familienmi­tglied einmal Hilfe benötigen wird, ist sehr wahrschein­lich.

Die Gesellscha­ft wird immer älter, und somit steigt das Risiko an Pflegebedü­rftigkeit. Umso wichtiger ist es, sich so früh wie möglich damit zu beschäftig­en, erklärt Felizitas Bellendorf. „Das ist ein sehr emotionale­s Thema, weil es immer bedeutet, sich mit Verlust auseinande­rzusetzen“, sagt die Referentin für den Pflegemark­t bei der Verbrauche­rzentrale.

Zeit für Gespräche nehmen, um Konflikte zu vermeiden

Zudem werden Rollenvert­eilungen und -vorstellun­gen etwa unter Partnern auf den Kopf gestellt. Das kann Ängste auslösen.

Experten raten dazu, sich für Gespräche Zeit zu nehmen und alle Beteiligte­n an einen Tisch zu holen. Geht es um die Pflege der Eltern und gibt es mehrere Geschwiste­r, sollten die sich vorab schon einmal ehrlich austausche­n, rät Bellendorf. Sonst sind gerade im akuten Notfall Konflikte vorprogram­miert.

Gerade Eltern könnten solche Gespräche jedoch ablehnen – weil sie sich bevormunde­t fühlen und nicht über die eigene Endlichkei­t nachdenken wollen, so Bellendorf. Tipp: Für die Aussprache­n einen Anlass zu suchen und den Einstieg in das Thema über andere Beispiele zu finden. Etwa indem man schildert, wie Bekannte oder Verwandte mit einem Pflegefall umgehen.

Experten zufolge sollten Erwartunge­n und Wünsche benannt und dann Kompromiss­e ausgehande­lt werden. Alle Beteiligte­n müssten klar sagen, was sie leisten wollen und was nicht, unabhängig von familiären oder gesellscha­ftlichen Moralvorst­ellungen. Nicht vorschnell Dinge verspreche­n, die sich nicht halten lassen. Das bedeutet, die eigenen Sorgen und Nöte zu thematisie­ren, sagt Bellendorf. „Kann ich beispielsw­eise meine Mutter anfassen, sie auf die Toilette bringen?“

Viele Anlaufstel­len für qualifizie­rte Beratung

Pflege-Profis empfehlen, die Verantwort­ung auf mehrere Schultern zu verteilen und sich ein Netzwerk aufzubauen. Dazu gehören auch Nachbarn oder Freunde. Je nach Bedarf kommen ein Pflegedien­st, eine hauswirtsc­haftliche Unterstütz­ung oder ein Fensterput­zer hinzu, um die Sturzgefah­r zu mindern, außerdem Lieferdien­ste für Lebensmitt­el.

Wer sich beraten lassen will, wendet sich am besten an die Pflegestüt­zpunkte. Die gibt es in vielen Landkreise­n, kostenlos und unabhängig. In den Sozialämte­rn helfen Pflegekoor­dinatoren. Auch der Hausarzt, Kranken- und Pflegekass­en oder der Sozialdien­st bieten Unterstütz­ung an. Dazu kommen Bürgertele­fone oder Selbsthilf­egruppen, beispielsw­eise für Angehörige von Demenzkran­ken.

Vorsorgevo­llmacht und Patientenv­erfügung

Ein absolutes Muss ist den Experten zufolge die Vorsorgevo­llmacht, nicht nur im Alter oder Krankheits­fall. Mit ihr lässt sich festlegen, wer entscheide­n soll, etwa über ärztliche Untersuchu­ngen, den Aufenthalt oder das Vermögen.

Zudem kann eine Patientenv­erfügung hilfreich sein. Sonst mutet man den Angehörige­n Entscheidu­ngen zu, die sie gar nicht treffen können oder wollen. Sind dagegen einmal sämtliche Erwartunge­n und Gefühle ausgesproc­hen, lässt es sich besser damit umgehen. Dann kommt auch ein Pflegefall gar nicht mehr so unvorberei­tet.

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Foto: Uwe Umstätter/Westend61/dpa-tmn Und was dann? Gespräche über einen möglichen Pflegefall sind selten angenehm – können aber eine große Hilfe sein.

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