Scholz haut drauf – und Merz tänzelt nur
Ein Schlagabtausch sollte es werden. Doch im Bundestag erlebt man bei der Generaldebatte eine verkehrte Welt. Der Kanzler attackiert den Oppositionsführer hart – der wiederum macht auf soften Staatsmann. Ein klarer Punktsieg für Olaf Scholz.
Es fallen Worte wie „Mimose“, „Hasenfüßigkeit“und „kleines Karo“. Die Attacken, die einer der beiden Kontrahenten gegen den anderen fährt, sind hart. Und ungewöhnlich. Denn im Bundestag erlebt man an diesem Mittwoch eine politisch verkehrte Welt.
Es ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich in der Generaldebatte über seinen Haushalt den Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) vorknöpft. Nicht andersherum – wie eigentlich üblich. Scholz haut drauf. Merz tänzelt lediglich durch den Parlamentsring. Das war schon mal ganz anders.
Zuletzt hat der Fraktionschef der Union den Kanzler stets scharf attackiert. Diesmal spricht Merz Scholz nicht ein einziges Mal an. Er sucht stattdessen die großen europäischen Linien, gibt den Staatsmann, rechnet vor allem mit der SPD ab, die keine Partei der Arbeitnehmer mehr sei, sondern eine der „subventionierten Arbeitslosigkeit“. Der Applaus der eigenen Fraktion ist zwischenzeitlich mäßig. Merz hat im Vorfeld der Debatte die Er
wartungen zwar gedämmt, er könne nicht immer nur angreifen. Aber so ein softer Auftritt? Das scheint auch manchen seiner Leute zu überraschen.
Ganz anders die SPD-Fraktion. Sie jubelt ihrem Regierungschef mehrfach zu, mitunter gehen dessen Worte sogar im Applaus unter. Scholz will die eigenen Reihen hinter sich
schließen. Das wird von ihm erwartet, weil seine Ampel immer wieder taumelt, er und die SPD in den Umfragen miserabel abschneiden. Und es gelingt ihm klar. Ebenso deutlich ist der Punktsieg, den Scholz zwischenzeitlich mit erhobener Faust einfährt – ausgerechnet gegen den Anwärter aufs Kanzleramt, der Merz seitens der Union gerne wäre.
Es ist die 150. Sitzung des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode. Ein kleines Jubiläum. Die Generaldebatte, parlamentarisches Hochamt, passt dazu. Der eine kommt um 11.55 Uhr in den Plenarsaal: Friedrich Merz. Betont lässig steht er dann mit der Hand in der Hosentasche bei seinen Getreuen. Olaf Scholz folgt vier Minuten später. Jeder bleibt in seinem Terrain, es gibt keinen kurzen Austausch beider. Sie können einfach nicht miteinander. Auch persönlich nicht. Das mag dazu beitragen, dass Merz die Debatte dann doch zu einer weitreichenden Aussage nutzt – er kündigt die Zusammenarbeit mit der Ampel vielleicht nicht gänzlich, aber prinzipiell auf.
„Wenn Sie die Jacke unten falsch einknöpfen, dann diskutieren wir nicht mit Ihnen, wie groß denn der Knopf im obersten Loch sein sollte“, ruft Merz. „Ersparen Sie sich und uns in Zukunft ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit.“Das sei nichts anderes als „politische Rhetorik“.
Zumal die Ampel „kaltschnäuzig und rücksichtslos“von ihrer Mehrheit Gebrauch mache, etwa bei den Änderungen des Staatsbürgerrechts oder beim Wahlrecht. Auch bei einer Aufweichung der Schuldenbremse werde man keinesfalls mitmachen. Das Super-Wahljahr 2024 kommt im Bundestag an.
Scharf geht Merz mit der Sozialpolitik der Ampel ins Gericht: Das System des Bürgergelds sei „genau das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen, um die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer zu fördern“. Und bei der Begrenzung der illegalen Migration habe die Ampel nichts umgesetzt und Absprachen nicht eingehalten. Merz unterläuft dabei ein Fauxpas. Auch die Bezahlkarte für Migranten komme nicht, obwohl sie zur Begrenzung beitrage. Die Regierungsfraktionen lachen. Denn die Ministerpräsidenten haben sich kurz zuvor darauf geeinigt.
Scholz nutzt das später genüsslich für Spott: Der Oppositionsführer lese offenbar „nicht mal Zeitung, dann ist irgendwas nicht richtig im Lande der Opposition“.
Der Kanzler wirkt ohnehin wie das berühmte Duracell-Häschen. Scholz holzt schnell los gegen Merz, den er mehrfach direkt anspricht. Es sei „immer ein kleines Karo“, wenn man wie der Sauerländer nur auf andere zeige. Aus der Regierungszeit der Union sei vieles liegengeblieben. „Was hat eigentlich ihr politisches Programm mit der Zukunft Deutschlands zu tun?“, fragt Scholz regelrecht empört. „Nichts“, gibt er gleich die Antwort. „Zwei Jahre haben wir Tempo gemacht, wo Tempo jetzt notwendig war.“Merz hingegen habe nichts dazu gelernt. „All die Wachstumsbremsen, die sie gezeigt haben, die wollen sie wieder ziehen.“Auf der Regierungsbank grinsen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Scholz leg noch nach: Merz keile immer gerne gegen die Regierung, „aber wenn Sie mal kritisiert werden, dann sind Sie eine Mimose“. Volltreffer.
Beide nehmen sich aber auch die AfD zur Brust. Scholz betont, die Partei meine, was man ihr unterstelle. Wer jetzt noch schweige, „macht sich mitschuldig“angesichts der sogenannten „Remigrations“-Pläne der Partei. Merz ruft den Abgeordneten der AfD zu: „Sie sind nicht die Alternative für Deutschland. Sondern der Absturz für Deutschland.“Zumindest darin sind sich Merz und Scholz in der Generaldebatte einig.
„Ersparen Sie sich und uns in Zukunft ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit.“Friedrich Merz (CDU) Oppositionsführer im Deutschen Bundestag