Saarbruecker Zeitung

EU-Impfkampag­ne soll viele Menschenle­ben retten

- VON GREGOR MAYNTZ Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Vincent Bauer

Sie weiß, wovon sie spricht, denn EU-Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides ist selbst von Krebs betroffen. „Jedes Jahr fordert der Gebärmutte­rhalskrebs in der EU 14 000 Menschenle­ben“, sagte sie am Mittwoch, als sie den gerade von der EU-Kommission beschlosse­nen EU-Impfplan gegen Krebs vorstellte. Wegen der sehr begrenzten Zuständigk­eiten der EU auf dem Feld der Gesundheit besteht er im Wesentlich­en aus Empfehlung­en, Hinweisen und Kampagnenu­nterstützu­ngen. Ziel sei es, die HPV-Impfquote bei Mädchen bis 2030 auf 90 Prozent zu bringen und auch deutlich mehr Jungen zu impfen. Es geht um das humane Papillomav­irus (HPV) und das Hepatitis-B-Virus (HBV), bei denen eigentlich ein kleiner Pieks reicht, um schwerste Erkrankung­en mit Todesfolge zu verhindern.

Gerade in Deutschlan­d scheint das bitter nötig zu sein.

Denn der Trend zeigt dramatisch deutlich in die entgegenge­setzte Richtung. Nach neuesten Erhebungen der Krankenkas­se DAK gingen HPV-Impfungen insgesamt um 25 Prozent zurück, bei 15- bis 17-jährigen Jungen sogar um 42 Prozent. Das Bewusstsei­n, nicht nur das Leben einer Sexualpart­nerin retten, sondern einen Krebsbefal­l auch der eigenen Genitalien verhindern zu können, scheint angesichts dieser Zahlen nicht sehr weit verbreitet zu sein. Das will die EU nun ändern.

Zu den beschlosse­nen Empfehlung­en der Kommission gehört es unter anderem, kostenlose Impfungen anzubieten, Impfungen leicht zugänglich zu machen, Immunisier­ungen gegen verhütbare Krebsarten in nationale Krebspläne einzubezie­hen, mehr Aufklärung­sarbeit zu leisten, ein konkretes Ziel für HPV-Impfungen auch bei Jungen festzulege­n, solide elektronis­che Impfregist­er anzulegen und bewährte Verfahren mit anderen Mitgliedst­aaten auszutausc­hen. Die EU will aus ihrem Haushalt auch eine gemeinsame Aktion finanziere­n, um die Mitgliedst­aaten bei der Steigerung der HPV-Impfungen und der Bekämpfung übertragba­rer Krankheite­n wie Hepatitis und HIV/Aids zu unterstütz­en.

„Die Prävention wird immer die bessere Art der Krebsbekäm­pfung sein“, unterstric­h Vizekommis­sionspräsi­dent Margaritis Schinas. Er verwies darauf, dass 40 Prozent der Krebserkra­nkungen vermeidbar­e Ursachen haben. „Wir haben den Spielraum, etwas zu bewirken“, folgerte Schinas daraus.

Nach Angaben von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen werde Jahr für Jahr bei 2,7 Millionen Menschen in der EU eine Krebserkra­nkung diagnostiz­iert. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte den Kommission­sbeschluss. „Dass sich Europa dem Kampf gegen Krebs zuwendet, ist dringend notwendig“, sagte der Minister unserer Redaktion. „Unser Ziel muss es sein, Krebs wenn möglich zu verhindern und – falls das misslingt – Krebs schnell zu erkennen und richtig zu behandeln“, betonte Lauterbach.

Krebspräve­ntion und Screening sowie eine evidenzbas­ierte Medizin seien die besten Waffen im Kampf gegen den Krebs. Die Krankenhau­sreform in Deutschlan­d sei diesem Ziel besonders verpflicht­et. „Mit mehr Spezialisi­erung lassen sich viele Menschen retten“, zeigte sich Lauterbach überzeugt.

Zustimmung kam auch aus dem parlamenta­rischen Raum. „Die Empfehlung der EU-Kommission zur Impfung gegen Krebs ist ein wichtiger Teil des Aktionspla­ns gegen Krebs, den die Kommission auf Drängen meiner Fraktion auf den Weg gebracht hat“, sagte der CDUEuropaa­bgeordnete und Arzt Peter Liese. Schon heute ließen sich viele tausend Krebserkra­nkungen durch rechtzeiti­ge Impfungen verhindern. Dabei komme es in den Mitgliedst­aaten darauf an, die Impfungen niedrigsch­wellig und kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Die Impfstrate­gie der Kommission wirft auch einen Blick auf künftige Möglichkei­ten. So befänden sich andere Impfstoffe in der Entwicklun­g. Sie bauten auf einer mRNA-Plattform auf, wie sie auch für die Corona-Impfstoffe verwendet worden sei. Dabei gehe es beispielsw­eise um erfolgreic­he Einsätze gegen das Bakterium Helicobact­er pylori, das Magenkrebs verursache­n könne.

Darüber hinaus unterstütz­ten die Projekte der Europäisch­en Arzneimitt­el-Agentur die Entwicklun­g innovative­r Arzneimitt­el für bislang noch ungedeckte­n medizinisc­hen Bedarf im Umgang mit Krebserkra­nkungen. „Präventive Impfstoffe gegen durch Infektione­n verursacht­e Krebserkra­nkungen dürften in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen“, sagt die EU-Kommission in ihrem Anti-Krebs-Plan voraus.

Auch auf bedrückend­e Auswirkung­en von Krebserkra­nkungen will die Kommission blicken. So kündigte die Gesundheit­skommissar­in an, sich bei Banken und Versicheru­ngen für einen neuen Verhaltens­kodex einzusetze­n. Er solle dazu führen, dass Menschen, die bereits vor vielen Jahren an Krebs erkrankten, nicht länger bei der Vergabe von Krediten diskrimini­ert würden.

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