Mitte-Rechts-Bündnis hat in Südtirol jetzt das Sagen
Mit einem Ja zu Europa und einem Nein zu faschistischen Ideologien startet in der Provinz eine Koalition aus Christdemokraten und drei Rechtsparteien.
(dpa) Es ist eine Zeitenwende in der Südtiroler Landespolitik: Am Mittwoch ging die christdemokratische Südtiroler Volkspartei (SVP) nach Jahrzehnten großer Dominanz ein Bündnis mit gleich drei Parteien aus dem rechten Lager ein. Solch eine große Koalition gab es in Südtirol noch nie. Ein Vorzeichen für andere Regionen in Europa?
Die Stimmung in der Urlaubsregion mit ihren 530 000 Einwohnern ist jedenfalls angespannt. Seit sich infolge des Niedergangs der bisherigen „Sammelpartei“bei der Parlamentswahl im Herbst auf nur noch 34,5 Prozent die neue Koalition abzeichnete, kam es mehrfach zu Protestmärschen.
Sogar ein Pappsarg mit den Initialen SVP wurde durch die Hauptstadt Bozen getragen. Aus Kunst und Wissenschaft kamen Offene Briefe mit Warnungen vor einer „unverhohlen neofaschistischen Politik“. Manche werfen dem alten und neuen Regierungschef Arno Kompatscher einen „Pakt mit dem Teufel“vor.
Grund der Aufregung ist, dass zur neuen Koalition, die am Mittwoch ins Amt kam, auch Parteien gehören, die teils weit rechts stehen: die Fratelli d`Italia (Brüder Italiens) von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit Ursprüngen im Postfaschismus, die rechtsnationale Lega von Vize-Regierungschef Matteo Salvini aus der gleichen Parteienfamilie wie die AfD aus Deutschland sowie die Freiheitlichen, die der rechtspopulistischen FPÖ aus dem Nachbarland Österreich nahestehen. Kleinster Partner im neuen Fünfer-Bündnis ist eine konservative Bürgerliste mit dem Namen La Civica. Die Zusammenarbeit ist auch deshalb heikel, weil die SVP aus historischen Gründen stets großen Wert auf die Abgrenzung nach rechts gelegt hatte.
Kompatscher, der Mitte des Monats vom Parlament in Bozen bereits als Landeshauptmann wiedergewählt wurde, will davon nichts wissen. „Der Vergleich hinkt deutlich“, sagt der 52-Jährige. „Wir bleiben, wo wir sind. Wir rücken nicht nach rechts.“Und ein Pakt mit dem Teufel sei das schon gar nicht. „Wir haben unsere Seele nicht verkauft. Und werden das auch nicht tun.“
Kompatscher spricht von einer „Zweckgemeinschaft“, an der aufgrund von Wahlergebnis und Verfassung praktisch kein Weg vorbeigeführt habe. Zudem könne es von Vorteil sein, mit zwei Parteien zu regieren, die auch in Rom an der Macht sind.
Tatsächlich ist im Autonomiestatut vorgeschrieben, dass an der Regierung Südtirols immer auch eine Partei der italienischen Sprachgruppe beteiligt sein muss. So hatte die SVP auch zu Zeiten größter Dominanz immer auch einen Italo-Partner. Neu ist, dass es gleich drei sind – und auch, dass die SVP erstmals eine andere Partei aus dem deutschsprachigen Raum dazu nehmen musste. Die MitteMitte-Rechts-Rechts-Rechts-Koalition (kurz: 2M3R) hat im Parlament nun 19 von 35 Mandaten. Damit im Kabinett alle Posten bekommen, wurde es von acht auf elf Ressortchefs vergrößert.
Kompatscher weist auch Vermutungen zurück, dass in Südtirol ein Modell für Regierungen weit rechts der Mitte ausprobiert werde, das dann auch in Deutschland oder anderswo zur Anwendung kommen könnte. „Absolut nicht. Ich wehre mich dagegen, dass man hineininterpretieren möchte, dass wir der Vorreiter für irgendwas in dieser Richtung sein sollen.“In der Koalitionsvereinbarung stehe ein klares Ja zu Europa und ein klares Nein zu jeglicher faschistischer Ideologie. „Es gibt eine klare rote Linie“verspricht der SVP-Mann. „Wenn das in die falsche Richtung geht, wird die Reißlinie gezogen.“Die nächste Zeit wird er sehr unter Beobachtung stehen.