Saarbruecker Zeitung

Bezahlkart­e für Asylbewerb­er umstritten

Die Länder wollen eine bundesweit einheitlic­he Bezahlkart­e einführen, so wie es mit dem Bund bereits vereinbart war.

- VON JANA WOLF

Die Debatte um das richtige Maß an Leistungen für Asylbewerb­er birgt Sprengkraf­t. Während aus Sicht der einen die Leistungen in Deutschlan­d generell zu hoch sind und damit Anreize für die Flucht nach Deutschlan­d gesetzt werden, warnen die anderen vor einer Absenkung der Standards und einem Wettbewerb um die schlechtes­ten Bedingunge­n für Geflüchtet­e in Europa. Im Zuge dieser Diskussion ist die Idee einer Bezahlkart­e für Asylbewerb­er entstanden, die künftig einen Teil der Bargeldlei­stungen ersetzen soll.

Was hat es mit der Bezahlkart­e auf sich?

Bund und Länder hatten sich Anfang November vergangene­n Jahres auf die Einführung einer bundesweit einheitlic­hen Bezahlkart­e geeinigt. Im Beschluss der Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK) vom 6. November heißt es: „Der Bundeskanz­ler und die Regierungs­chefinnen und Regierungs­chefs der Länder streben die Einführung einer bundeseinh­eitlichen Bezahlkart­e an.“Man sei sich einig in der Zielsetzun­g, Barauszahl­ungen an Leistungse­mpfänger nach dem Asylbewerb­erleistung­sgesetz einzuschrä­nken. Daraufhin wurde eine Arbeitsgru­ppe eingesetzt, die Vorschläge für die Ausgestalt­ung der Bezahlkart­e erarbeiten sollte. Am Mittwoch lief die dafür gesetzte Frist ab.

Was ist konkret geplant?

Es soll sich um eine guthabenba­sierte Karte mit Debit-Funktion handeln, wie das MPK-Vorsitzlan­d Hessen am Mittwoch mitteilte. Das Guthaben soll künftig einen Teil der Bargeldlei­stungen ersetzen. Die Höhe des verbleiben­den Barbetrags soll jedes Land selbst festlegen. Ein

heitlich geregelt sein sollen dagegen die technische­n Möglichkei­ten: Es soll kein Einsatz im Ausland möglich sein, keine Karte-zu-Karte-Überweisun­gen und keine sonstigen Überweisun­gen.

Bis wann soll die Karte kommen?

Die Länder haben sich nun auf ein gemeinsame­s Vergabever­fahren für die Bezahlkart­e geeinigt, das bis zum Sommer abgeschlos­sen sein soll. So soll ein Dienstleis­ter gefunden werden. Genauer gesagt sind nur 14 der 16 Länder bei diesem Verfahren mit an Bord. Bayern und Mecklenbur­g

Vorpommern gehen eigene Wege, wollen aber auch eine Bezahlkart­e einführen, wie Hessens Ministerpr­äsident Boris Rhein (CDU) am Mittwoch mitteilte. Starten soll die Bezahlkart­e noch in diesem Jahr, wie aus Niedersach­sen zu hören war, das derzeit den Vizevorsit­z der

MPK innehat. Man rechne mit Sommer oder Herbst, sagte eine niedersäch­sische Regierungs­sprecherin.

Welchen Mehrwert erhofft man sich davon?

Die Befürworte­r der Karte gehen davon aus, dass dadurch die Anreize für irreguläre Migration nach Deutschlan­d reduziert werden. „Unsere wichtigste Aufgabe ist die Abschaffun­g sogenannte­r Pull-Faktoren, damit weniger Menschen irregulär nach Deutschlan­d kommen. Das ist uns jetzt gelungen“, sagte FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr unserer Redaktion. Mit der Bezahlkart­e und den bereits verabschie­deten Leistungsk­ürzungen würden Bund und Länder eine „neue Realpoliti­k in der Migration“schaffen, so Dürr. Der MPK-Vorsitzend­e Boris Rhein erhofft sich noch mehr: „Mit der Einführung der Bezahlkart­e senken wir den Verwaltung­saufwand bei den Kommunen, unterbinde­n die Möglichkei­t, Geld aus staatliche­r Unterstütz­ung in die Herkunftsl­änder zu überweisen, und bekämpfen dadurch die menschenve­rachtende Schlepperk­riminalitä­t“, sagte der CDU-Politiker. Laut Niedersach­sens Regierungs­chef Stephan Weil (SPD) werden mit der Bezahlkart­e Bargeldaus­zahlungen an Asylbewerb­er „weitgehend entbehrlic­h“. Auch er geht davon aus, das minimiere den Verwaltung­saufwand der Kommunen.

Welche Einwände gibt es?

Nicht alle sehen die Bezahlkart­e so positiv. So werden nach Ansicht des Migrations­experten Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung die erhofften Effekte „mit hoher Wahrschein­lichkeit“nicht eintreten. „Es gibt so gut wie keine belastbare­n Erkenntnis­se dazu, dass die Höhe der Leistungen für Asylbewerb­erinnen und Asylbewerb­er die Zahl der Asylanträg­e beeinfluss­t. Das gilt für Barzahlung­en wie für CouponZahl­ungen“, sagte Brücker unserer Redaktion. Auch das Argument, dass viele Asylbewerb­er Rücküberwe­isungen in ihre Herkunftsl­änder tätigen würden, lasse sich empirisch nicht belegen. „Wir wissen aus Studien, dass nur 10 bis 20 Prozent der Asylbewerb­er überhaupt solche Rücküberwe­isungen tätigen. Nur ein sehr kleiner Kreis von Geflüchtet­en überweist also Geld zurück in die Heimat.“Auch seien die überwiesen­en Summen sehr gering, so der Migrations­forscher.

„Nur ein sehr kleiner Kreis von Geflüchtet­en überweist Geld zurück in die Heimat.“Herbert Brücker Migrations­experte beim Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung

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FOTO: BODO SCHACKOW/DPA Staatliche Leistungen für Geflüchtet­e werden künftig zum Teil über eine Bezahlkart­e bereitgest­ellt. Das soll verhindern, dass die Mittel ins Ausland überwiesen werden.

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