Bezahlkarte für Asylbewerber umstritten
Die Länder wollen eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte einführen, so wie es mit dem Bund bereits vereinbart war.
Die Debatte um das richtige Maß an Leistungen für Asylbewerber birgt Sprengkraft. Während aus Sicht der einen die Leistungen in Deutschland generell zu hoch sind und damit Anreize für die Flucht nach Deutschland gesetzt werden, warnen die anderen vor einer Absenkung der Standards und einem Wettbewerb um die schlechtesten Bedingungen für Geflüchtete in Europa. Im Zuge dieser Diskussion ist die Idee einer Bezahlkarte für Asylbewerber entstanden, die künftig einen Teil der Bargeldleistungen ersetzen soll.
Was hat es mit der Bezahlkarte auf sich?
Bund und Länder hatten sich Anfang November vergangenen Jahres auf die Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte geeinigt. Im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom 6. November heißt es: „Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder streben die Einführung einer bundeseinheitlichen Bezahlkarte an.“Man sei sich einig in der Zielsetzung, Barauszahlungen an Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einzuschränken. Daraufhin wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge für die Ausgestaltung der Bezahlkarte erarbeiten sollte. Am Mittwoch lief die dafür gesetzte Frist ab.
Was ist konkret geplant?
Es soll sich um eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion handeln, wie das MPK-Vorsitzland Hessen am Mittwoch mitteilte. Das Guthaben soll künftig einen Teil der Bargeldleistungen ersetzen. Die Höhe des verbleibenden Barbetrags soll jedes Land selbst festlegen. Ein
heitlich geregelt sein sollen dagegen die technischen Möglichkeiten: Es soll kein Einsatz im Ausland möglich sein, keine Karte-zu-Karte-Überweisungen und keine sonstigen Überweisungen.
Bis wann soll die Karte kommen?
Die Länder haben sich nun auf ein gemeinsames Vergabeverfahren für die Bezahlkarte geeinigt, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. So soll ein Dienstleister gefunden werden. Genauer gesagt sind nur 14 der 16 Länder bei diesem Verfahren mit an Bord. Bayern und Mecklenburg
Vorpommern gehen eigene Wege, wollen aber auch eine Bezahlkarte einführen, wie Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) am Mittwoch mitteilte. Starten soll die Bezahlkarte noch in diesem Jahr, wie aus Niedersachsen zu hören war, das derzeit den Vizevorsitz der
MPK innehat. Man rechne mit Sommer oder Herbst, sagte eine niedersächsische Regierungssprecherin.
Welchen Mehrwert erhofft man sich davon?
Die Befürworter der Karte gehen davon aus, dass dadurch die Anreize für irreguläre Migration nach Deutschland reduziert werden. „Unsere wichtigste Aufgabe ist die Abschaffung sogenannter Pull-Faktoren, damit weniger Menschen irregulär nach Deutschland kommen. Das ist uns jetzt gelungen“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr unserer Redaktion. Mit der Bezahlkarte und den bereits verabschiedeten Leistungskürzungen würden Bund und Länder eine „neue Realpolitik in der Migration“schaffen, so Dürr. Der MPK-Vorsitzende Boris Rhein erhofft sich noch mehr: „Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität“, sagte der CDU-Politiker. Laut Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) werden mit der Bezahlkarte Bargeldauszahlungen an Asylbewerber „weitgehend entbehrlich“. Auch er geht davon aus, das minimiere den Verwaltungsaufwand der Kommunen.
Welche Einwände gibt es?
Nicht alle sehen die Bezahlkarte so positiv. So werden nach Ansicht des Migrationsexperten Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung die erhofften Effekte „mit hoher Wahrscheinlichkeit“nicht eintreten. „Es gibt so gut wie keine belastbaren Erkenntnisse dazu, dass die Höhe der Leistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber die Zahl der Asylanträge beeinflusst. Das gilt für Barzahlungen wie für CouponZahlungen“, sagte Brücker unserer Redaktion. Auch das Argument, dass viele Asylbewerber Rücküberweisungen in ihre Herkunftsländer tätigen würden, lasse sich empirisch nicht belegen. „Wir wissen aus Studien, dass nur 10 bis 20 Prozent der Asylbewerber überhaupt solche Rücküberweisungen tätigen. Nur ein sehr kleiner Kreis von Geflüchteten überweist also Geld zurück in die Heimat.“Auch seien die überwiesenen Summen sehr gering, so der Migrationsforscher.
„Nur ein sehr kleiner Kreis von Geflüchteten überweist Geld zurück in die Heimat.“Herbert Brücker Migrationsexperte beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung