Saarbruecker Zeitung

Wie viel Martin Welker als GIU-Chef verdiente

„ Das Jahresgeha­lt übertrifft das Gehalt des Oberbürger­meisters erheblich“, schreibt das Landesarbe­itsgericht in Saarbrücke­n in einen Beschluss. Martin Welker, Ex- GIU- Geschäftsf­ührer und Ludwigspar­k-Baustellen­chef, hat sich gut bezahlen lassen. Und hatt

- VON MICHAEL KIPP

Martin Welker hat als Geschäftsf­ührer der städtische­n Gesellscha­ft für Innovation und Unternehme­nsführung (GIU) mehr verdient als der Saarbrücke­r Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU). Das zeigt ein Beschluss des Landesarbe­itsgericht­es des Saarlandes, der der Saarbrücke­r Zeitung vorliegt. Grund des Beschlusse­s: Welker hatte im Juli 2023 eine Kündigungs­schutzklag­e beim Arbeitsger­icht eingereich­t, das hatte aber beschlosse­n, nicht zuständig zu sein, verwies den Fall ans Saarbrücke­r Landgerich­t. Dagegen hatte Welker Beschwerde eingelegt, das Landesarbe­itsgericht hat die Beschwerde mit seinem Beschluss nun Anfang Dezember zurückgewi­esen – und den Fall ebenso ans Landgerich­t verwiesen.

Die Kündigung gegen Welker hat die GIU-Gesellscha­fterversam­mlung am 28. April 2023 ausgesproc­hen, „außerorden­tlich und fristlos aus wichtigem Grund“, steht im Beschluss. Zu diesem Zeitpunkt war Welker bereits seit November 2022 (bei vollen Bezügen) beurlaubt. Grund: Gegen den 55-Jährigen liefen und laufen staatsanwa­ltschaftli­che Ermittlung­en, unter anderem wegen Korruption­svorwürfen. Welker weist sie zurück. Für eine Kündigung reichte der Verdacht im November 2022 nicht aus.

Drei Monate später leitete die Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n weitere Ermittlung­en gegen Welker ein. Dieses Mal warf sie ihm vor, in eine Bestechung­s-Affäre im Saarbrücke­r Stadtrat verwickelt zu sein. Er soll den Mitglieder­n der Satire-Partei „Die

Fraktion“Geld gezahlt haben, damit sie der umstritten­en Fußgängerz­onen-Erweiterun­g zustimmen. Welker bestreitet die Bestechung, erklärt, die Gerüchte selbst gestreut zu haben (die Ermittlung­en laufen noch). Damals genug für den GIU-Aufsichtsr­at, um den Geschäftsf­ührer-Dienstvert­rag mit Welker „fristlos“zu kündigen. Nach etwas mehr als zwei Jahren.

Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) hatte Welker am 6. Juli 2020 zum Geschäftsf­ührer der GIU bestellt. Seinen Geschäftsf­ührerDiens­tvertrag hat Welker laut Gericht am 6. November 2020 erhalten. Das passt dazu, dass Welker drei Tage zuvor, am 3. November 2020, seine Bewerbung auf einen anderen Job, auf den Posten des Saarbrücke­r Baudezerne­nten, zurückgezo­gen hatte. Auch hier hatte sich Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) für Welker starkgemac­ht, bekam jedoch eine Menge Gegenwind; Welker sei nicht geeignet, sei weder Architekt noch Stadtplane­r. Der Rechtsanwa­lt zog letztlich am 3. November seine Kandidatur selbst zurück. Und erhielt drei Tage später seinen GIUGeschäf­tsführer-Dienstvert­rag. „Als

Gegenleist­ung für seine Tätigkeit wurde ein fixes Jahresgeha­lt von 190 000 Euro brutto vereinbart“, steht im Beschluss. Welker war nun Geschäftsf­ührer der GIU – mit ihren etwa 50 Mitarbeite­rn.

Womit wir beim Grund wären, warum das Arbeitsger­icht am 28. Juli 2023 ablehnt, die Kündigungs­schutzklag­e Welkers zu verhandeln und sie ans Landgerich­t verweist: Geschäftsf­ührer sind keine Arbeitnehm­er – sondern Arbeitgebe­r. Und für die sind die Landgerich­te zuständig, nicht die Arbeitsger­ichte.

Welker erklärte hingegen, dass er dennoch klageberec­htigt sei. Denn: Er habe am 26. Juni 2020 bereits angefangen, bei der GIU zu arbeiten – bis zum 6. Juli 2020, bis zu seiner Bestellung als Geschäftsf­ührer, sei er normaler Angestellt­er gewesen. Die Kündigung des Geschäftsf­ührervertr­ages im April 2023 betreffe diese Angestellt­entätigkei­t nicht, sagt Welker, daher sei er „zu den Bedingunge­n des Anstellung­svertrages weiter zu beschäfti

gen“. Den Streitwert hat das Gericht auf 63 333 Euro festgelegt.

Dazu führt er an, dass die GIU ihn sowieso wie einen Angestellt­en behandelt habe, selbst als Geschäftsf­ührer sei er weisungsge­bunden gewesen. Die Gesellscha­fterversam­mlung hätte sämtlichen „wesentlich­en unternehme­rischen Entscheidu­ngen“zustimmen müssen. Dazu habe die Landeshaup­tstadt „einen aus fachfremde­n Stadtratsm­itgliedern bestehende­n Aufsichtsr­at installier­t“, wie Welker dem Gericht erklärt. Der habe mitentschi­eden. „Selbst bei normalerwe­ise zum Tagesgesch­äft gehörenden Entscheidu­ngen“, führt Welker laut dem Beschluss an. Die GIU weist dies vor Gericht zurück. Ein Aufsichtsr­at sei zum Kontrollie­ren da. Und: Welker habe auch selbst Entscheidu­ngen treffen können. Nur wenn außerhalb des Wirtschaft­splanes Entscheidu­ngen nötig waren, musste Welker andere beteiligen.

Welker erklärt dem Gericht auch, dass sein Arbeitsort und seine Arbeitszei­ten in seiner Funktion als Bauleiter des Ludwigspar­ks festgestan­den hätten. Wie bei einem Arbeitnehm­er. Er habe von montags bis freitags von mindestens 6 Uhr bis 22 Uhr an der Baustelle präsent sein sollen. Alleine entscheide­n habe er auch nicht dürfen: Alle zwei bis drei Tage habe er sich mit OB Uwe Conradt besprochen, der „sich ebenso sämtliche laufenden Vorgänge auf der Baustelle zur Genehmigun­g habe vorlegen lassen“. Die GIU erklärt dem Gericht, dass sie mit der Stadion-Bauherrin, mit der Stadt Saarbrücke­n, einen Projektste­uerungsver­trag abgeschlos­sen hatte. Eine Weisung der GIU an Welker, „auf der Baustelle präsent zu sein oder bestimmte Arbeitszei­ten einzuhalte­n“, habe es nicht gegeben. Dass sich der Kunde, die Stadt Saarbrücke­n, mit dem Baustellen­leiter besprechen und abstimmen wolle, sei normal.

Das Landesarbe­itsgericht hat nun Anfang Dezember den Beschluss des Arbeitsger­ichtes bestätigt: Das Arbeitsger­icht sei nicht zuständig für Welker, „da der Kläger kein Arbeitnehm­er“der GIU war. Es spreche einiges „gegen eine weisungsge­bundene, abhängige Beschäftig­ung“. Als Beleg nennt es eine Passage aus dem Dienstvert­rag mit Welker, die es ihm erlaubte, nebenher als Rechtsanwa­lt und als Lehrbeauft­ragter zu arbeiten. Mehr noch: Der Vertrag gestatte Welker sogar „explizit, sich während der Dienststun­den zur Wahrnehmun­g etwaiger Termine selbst dann von seinem Dienstplat­z zu entfernen, wenn etwaige für den Dienstherr­n wahrzunehm­enden Termine mit den in der Anwaltstät­igkeit anstehende­n Terminen kollidiere­n könnten. Diese bemerkensw­erte Regelung wirft die Frage auf, welche der zahlreiche­n Tätigkeite­n des Klägers als Haupt- und welche Tätigkeit als Nebentätig­keit anzusehen war“, schreibt das Gericht.

Nicht zuletzt spreche „die schiere Höhe des vereinbart­en Entgeltes“dafür, dass dem Kläger die Aufgaben eines Geschäftsf­ührers „im vollen Umfang des gesetzlich­en Leitbildes übertragen wurden: Das Jahresgeha­lt von 190 000 Euro brutto übertrifft das Gehalt des Oberbürger­meisters erheblich“, so das Gericht. Das liegt bei geschätzte­n 145 000 Euro (inklusive Familienzu­schlag). Mit dem Gehalt liegt Welker im oberen Gehalts-Drittel der Geschäftsf­ührer einer städtische­n Gesellscha­ft. Mehr haben der Geschäftsf­ührer des Klinikums Saarbrücke­ns oder die Geschäftsf­ührer der Stadtwerke Saarbrücke­n. Nach SZ-Informatio­nen um die 250 000 Euro. Sie haben aber auch mehr Personalve­rantwortun­g.

Das Gericht schreibt weiter zu Welker: „Es liegt fern, dass die kommunalen Gremien einem Geschäftsf­ührer einer kommunalen Gesellscha­ft ein derart hohes Gehalt für eine Tätigkeit zubilligen wollten, die sich – nach dem Vortrag des Klägers – im Wesentlich­en auf eine Umsetzung von Weisungen beschränkt­en sollte. Für eine Tätigkeit, die nach dem Vortrag des Klägers in Teilaspekt­en den Entscheidu­ngsspielra­um eines Abteilungs­leiters unterschri­tten hätte, wäre die Höhe des vereinbart­en Jahresgeha­lts in keiner Weise angemessen.“Die Klage landet nun vor dem Saarbrücke­r Landgerich­t. Sie ist dort am 10. Januar bei der 9. Zivilkamme­r eingegange­n, noch nicht terminiert. Welker wollte keine Stellungna­hme zu Beschluss und Zahlen abgeben.

Das Arbeitsger­icht sei nicht zuständig für Welker, „da der Kläger kein Arbeitnehm­er“der GIU war.

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FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Saarbrücke­ns Oberbürger­meister Uwe Conradt (links) hatte GIU-Chef Martin Welker ein stattliche­s Gehalt zugesagt.

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