Neue Betreiber wagen „Kufa“-Neustart
Über viele Jahre war die Saarbrücker Kulturfabrik die Party-Hochburg schlechthin in der Region. Zuletzt war es um sie still geworden. Jetzt gibt es neue Betreiber – und die präsentieren diese Woche einen Skandal-Rapper.
Es gab Zeiten, Mitte und Ende der 1990er-Jahre, da kamen Horden pickliger Abiturienten und Azubis vom Land in die große Stadt, um die große Welt kennenzulernen – die faszinierende Welt der Partynächte, die seinerzeit im Saarland nirgendwo sonst so geballt zu erleben war wie in der „Kufa“in Saarbrücken.
Die riesige „Kulturfabrik“in der alten Lagerhalle der Neufang-Brauerei war 1993 nach einem Mega-Umbau von mindestens neun Millionen D-Mark eröffnet worden, um genau das zu sein: ein Ort, der vor allem für die Jugend faszinierenden Erlebnisse bieten sollte, Kultur im weiten Sinne, Disco, Konzerte. In der Eröffnungswoche spielte ernsthaft die damals erfolgreichste Rock-Band Deutschlands, die „Scorpions“. 1500 Fans waren da.
Abertausende junger Menschen sollten folgen. Für gewöhnlich freitags und samstags kamen sie aus Lebach, Auersmacher, Wadern oder Wellesweiler angefahren, um für neun DM Eintritt zu tanzen, zu trinken, zu knutschen und in der Dudweiler Landstraße einfach eine gute Zeit zu haben.
Die „Kufa“hatte lange Jahre gute Zeiten, als Partyplatz aber ist sie seit Längerem nicht mehr bekannt gewesen. Zuletzt war dort ein „Selfie-Museum“zu Hause, ab und an konnte man auch Second-HandKlamotten kaufen. Jetzt soll sich das aber wieder ändern. Und teilweise ist das schon geschehen. Eine der ersten Veranstaltungen der neuen „Kufa“-Betreiber war die SaarlandAusgabe der erfolgreichen Party-Serie „Old School Vibes“mit Hip Hop und RnB alter Schule, die auch in SB die Massen anzog – ausverkauftes Haus! Auf einem Handyvideo, das ein Autofahrer im Vorbeifahren gedreht hat, sieht man eine wirklich lange Schlange vor der Tür. Teilweise wurde die „Kufa“als so voll empfunden, dass es im Netz heftige Beschwerden gab.
Raffaele De Giorgio aus Saarbrücken, einer der neuen Macher, räumt ein: „Wir wussten, dass viele kommen werden, aber nicht so viele. Das war schon extrem.“Er verspricht, sich die Kritik zu Herzen zu nehmen und Dinge zu ändern, so mache man es immer, wenn berechtigte Kritik kommt. Zwei Garderoben soll es bald geben, insgesamt drei Eingänge, auch werde man den Zugang künftig noch stärker begrenzen.
Tatsächlich stehen die nächsten Großereignisse in der „Kufa“bereits vor der Tür. An diesem Freitag tritt der Hamburger Skandal-Rapper Gzuz auf, der fast das gesamte Jahr 2023 im Gefängnis verbracht hat und schon mehrfach wegen Drogen und Gewalt im Konflikt mit dem Gesetz war. Fast alle verfügbaren Karten für das Konzert sind schon verkauft, wenige gibt es noch. Weiter geht es mit der Faschingsparty „Saarneval“am 10. Februar, wenn sechs DJs auflegen werden, einer Italien-Party am 9. März und einem Auftritt des Musikers Sido, dem Skandale ebenfalls nicht fremd sind, am 16. März. Am 28. März steht eine Mallorca-Party an, Anfang Mai ist dann auch eine Neuauflage der „Old School Vibes“geplant.
Und sonst? Was haben die neuen Macher vor mit dem weit über 1000 Quadratmeter großen Tempel der Nacht, in dem einst auch mal der 1. FC Saarbrücken eine rauschende Aufstiegsparty feierte oder der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle, der inzwischen verstorben ist, mehrfach Wahlkampf machte?
De Giorgio, 26, ein cooler Typ mir Bart, der zusammen mit Ge
schäftspartnern auch für den Club „Seven“in der Futterstraße verantwortlich ist, spricht von einer „Hybrid-Eventhalle“. Es soll viele Partys und Konzerte geben, man kann die neue „Kufa“aber auch für Veranstaltungen mieten. Es gebe schon jetzt „jede Menge“Anfragen, zum Beispiel für mehrere Abi-Bälle und Weihnachtsfeiern von Firmen.
De Giorgio und seine Leute wol
len ansonsten die „Kufa“drei bis vier Mal im Monat öffnen, „mit besonderen Events, mit was Coolem, was man nicht jede Woche machen kann. Wir wollen den Leuten was bieten!“Man sei gut vernetzt, könne große Künstler in die Stadt holen, auch Public Viewing während der anstehenden Fußball-Europameisterschaft oder mal ein Oktoberfest seien denkbar bis wahrscheinlich.
Jedes Wochenende Clubmusik und Tanzen, das schränkt De Giorgio (gewiss zum Leidwesen vieler) ein, werde es allerdings in der Kulturfabrik absehbar nicht geben. Großraumdiscos seien zu schwierig geworden: „Es gibt einfach nicht mehr genügend Leute, die rausgehen.“Wer 25 oder 30 sei, gehe nicht mehr wie früher jeden Freitag oder Samstag feiern, eher alle zwei Monate mal.
Corona und Netflix hätten diesen Trend verstärkt, gerade bei den noch Jüngeren.
Bei unserem Besuch am Dienstag sah es in der „Kufa“noch etwas wüst aus. Mitten im Raum stand ein Gabelstapler, die Bühne wurde umgebaut für das Konzert am Freitag. Auch danach soll sich noch manches verändern, vor allem in Licht und Ton werde man noch Geld investieren, mit Malerarbeiten hat man schon begonnen. Als die Anfrage kam im vergangenen November, so erzählt De Giorgio, habe man nicht lange überlegen müssen, ob man sich die Legende „Kufa“zutraut. Schon nach wenigen Stunden Bedenkzeit habe man zugesagt. Ob die „Kufa“wirklich an alte Zeiten anknüpfen kann, wird sich zeigen. Einer der sich mit dem Thema besser auskennen dürfte als jeder andere, hat ein gutes Gefühl. Joachim „Cassius“Clemens, der bekannteste Disco-Betreiber des Saarlandes, jüngst 70 geworden, lange Chef auch der „Kufa“und sogar schon 1993 bei der Eröffnung dabei, sagt: „Nach vielem Hin und Her gibt es jetzt die richtigen Leute, die das langfristig vernünftig betreiben können.“