„Eine Krebserkrankung müsste man doch nicht verheimlichen“
Der renommierte Doping-Experte Professor Fritz Sörgel ordnet die Geschehnisse im Fall Sara Benfares im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung ein.
Der mutmaßliche Doping-Fall um die saarländische Leichtathletin Sara Benfares hat deutschlandweit für großes Aufsehen gesorgt. In einer Dopingprobe der 22-Jährigen wurden das Mittel Epo (Erythropoetin) sowie Testosteron nachgewiesen. Im Zusammenhang mit diesem positiven Befund tauchen eine Reihe von Fragen auf, die nach Antworten verlangen. Benfares startet für den saarländischen Club LC Rehlingen.
Es ist bei Weitem nicht der erste Dopingfall, den der ausgewiesene Doping-Experte Professor Dr. Fritz Sörgel in seiner Laufbahn erlebt. Sörgel ist Leiter und Gründer des Instituts für biomedizinische und pharmazeutische Forschung in Nürnberg und forscht dort zum Thema Doping. Zum positiven Befund im Fall Benfares sagt Sörgel grundsätzlich: „Mir persönlich ist kein Fall bekannt, in dem die Kombination aus Testosteron und Epo bei einem
Athleten nachgewiesen wurde, und der Fall danach eingestellt und keine Strafe ausgesprochen wurde.“
Abseits der sportlichen Thematik und der Sperre, die Benfares möglicherweise drohen könnte, könnte der positive Doping-Test noch weitreichendere Konsequenzen für die Olympia-Kandidatin haben. Benfares studiert Pharmazie, weswegen ihr auch beruflich ein Problem drohen könnte. Für die sportrechtlichen Konsequenzen zeichnet die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) verantwortlich. Die NADA erstattete bereits bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken Strafanzeige gegen Benfares, meldete am Mittwochabend der SR. Dabei geht es um den Verdacht eines Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz.
„Der Fall Sara Benfares hat eine gewisse Tragik, da sie als PharmazieStudentin nach dem abgeschlossenen Studium eine Approbation als Apothekerin benötigt, die sie nur erhält, wenn sie straffrei ist“, sagt Sörgel und führt weiter aus: „Sollte sie im Falle einer Anzeige nach dem Anti-Dopinggesetz dann auch bestraft werden, könnte das dafür sorgen, dass sie ihre Approbation zumindest für eine gewisse Zeit lang nicht erhält.“
Möglicherweise spielten ihre pharmazeutischen Kenntnisse aber auch eine Rolle. „Vielleicht hat sie aufgrund ihrer Kenntnisse als Pharmazie-Studentin gedacht, sie kann beide Präparate so gering dosieren, dass sie bei den Tests nicht auffallen“, sagt der Doping-Experte.
Sörgel betont, dass „es mir für sie leidtut, dass sie offenbar auch innerhalb der Familie unter einem solch großen Druck steht, dass sie zu solchen Mitteln gegriffen hat.“Benfares` Vater Samir – selbst ehemaliger Weltklasse-Leichtathlet – ist ihr Trainer, zudem ist auch ihre Schwester Sofia, Nachwuchssportlerin des Jahres 2023 im Saarland, in der Leichtathletik aktiv.
Doch was würde sich am Sachverhalt ändern, wenn Benfares an Knochenkrebs erkrankt sein sollte? Dies hatte das französische Doping-Portal SPE15 am Mittwoch unter Berufung auf den Vater berichtet. Mit Blick auf eine eventuell bestehende Krebserkrankung der Läuferin sagt Experte Sörgel: „Sollte sie an Krebs erkrankt sein, dann könnte das meiner Einschätzung nach medizinisch die Einnahme von Epo erklären und rechtfertigen, jedoch nicht die von Testosteron.“
Sollte dies zutreffend sein, hätte es Wege gegeben, einen positiven Test zu vermeiden. „Allerdings müsste sie in diesem Fall bei einem Arzt in Behandlung sein, sodass sie als Hochleistungssportlerin ohne Probleme ein Attest für die Zufuhr von Epo erhalten würde, woraufhin die NADA eine Ausnahmegenehmigung erteilen könnte“, erklärt der 73-Jährige und fügt hinzu: „Eine Krebserkrankung müsste man doch nicht verheimlichen.“Der im Raum stehende Hämatokritwert von 27 sei aber alarmierend.
In einem solchen Fall obliege es den Gutachtern der NADA, dann eine Entscheidung auf Basis der vorliegenden Unterlagen zu treffen. Dabei spielen laut Sörgel dann aber auch datenschutzrechtliche Regelungen eine Rolle, wie viel der Athlet am Ende preisgeben muss. Trotz dieser Möglichkeit einer Erkrankung kommt Sörgel zu der Einschätzung, „dass sie die Verabreichung hätte anmelden müssen und daher gegen Regeln verstoßen hat“.