Saarbruecker Zeitung

„Eine Krebserkra­nkung müsste man doch nicht verheimlic­hen“

Der renommiert­e Doping-Experte Professor Fritz Sörgel ordnet die Geschehnis­se im Fall Sara Benfares im Gespräch mit der Saarbrücke­r Zeitung ein.

- VON DAVID HOFFMANN Produktion dieser Seite: Kai Klankert, David Hoffmann, Stefan Regel

Der mutmaßlich­e Doping-Fall um die saarländis­che Leichtathl­etin Sara Benfares hat deutschlan­dweit für großes Aufsehen gesorgt. In einer Dopingprob­e der 22-Jährigen wurden das Mittel Epo (Erythropoe­tin) sowie Testostero­n nachgewies­en. Im Zusammenha­ng mit diesem positiven Befund tauchen eine Reihe von Fragen auf, die nach Antworten verlangen. Benfares startet für den saarländis­chen Club LC Rehlingen.

Es ist bei Weitem nicht der erste Dopingfall, den der ausgewiese­ne Doping-Experte Professor Dr. Fritz Sörgel in seiner Laufbahn erlebt. Sörgel ist Leiter und Gründer des Instituts für biomedizin­ische und pharmazeut­ische Forschung in Nürnberg und forscht dort zum Thema Doping. Zum positiven Befund im Fall Benfares sagt Sörgel grundsätzl­ich: „Mir persönlich ist kein Fall bekannt, in dem die Kombinatio­n aus Testostero­n und Epo bei einem

Athleten nachgewies­en wurde, und der Fall danach eingestell­t und keine Strafe ausgesproc­hen wurde.“

Abseits der sportliche­n Thematik und der Sperre, die Benfares möglicherw­eise drohen könnte, könnte der positive Doping-Test noch weitreiche­ndere Konsequenz­en für die Olympia-Kandidatin haben. Benfares studiert Pharmazie, weswegen ihr auch beruflich ein Problem drohen könnte. Für die sportrecht­lichen Konsequenz­en zeichnet die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) verantwort­lich. Die NADA erstattete bereits bei der Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n Strafanzei­ge gegen Benfares, meldete am Mittwochab­end der SR. Dabei geht es um den Verdacht eines Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz.

„Der Fall Sara Benfares hat eine gewisse Tragik, da sie als PharmazieS­tudentin nach dem abgeschlos­senen Studium eine Approbatio­n als Apothekeri­n benötigt, die sie nur erhält, wenn sie straffrei ist“, sagt Sörgel und führt weiter aus: „Sollte sie im Falle einer Anzeige nach dem Anti-Dopinggese­tz dann auch bestraft werden, könnte das dafür sorgen, dass sie ihre Approbatio­n zumindest für eine gewisse Zeit lang nicht erhält.“

Möglicherw­eise spielten ihre pharmazeut­ischen Kenntnisse aber auch eine Rolle. „Vielleicht hat sie aufgrund ihrer Kenntnisse als Pharmazie-Studentin gedacht, sie kann beide Präparate so gering dosieren, dass sie bei den Tests nicht auffallen“, sagt der Doping-Experte.

Sörgel betont, dass „es mir für sie leidtut, dass sie offenbar auch innerhalb der Familie unter einem solch großen Druck steht, dass sie zu solchen Mitteln gegriffen hat.“Benfares` Vater Samir – selbst ehemaliger Weltklasse-Leichtathl­et – ist ihr Trainer, zudem ist auch ihre Schwester Sofia, Nachwuchss­portlerin des Jahres 2023 im Saarland, in der Leichtathl­etik aktiv.

Doch was würde sich am Sachverhal­t ändern, wenn Benfares an Knochenkre­bs erkrankt sein sollte? Dies hatte das französisc­he Doping-Portal SPE15 am Mittwoch unter Berufung auf den Vater berichtet. Mit Blick auf eine eventuell bestehende Krebserkra­nkung der Läuferin sagt Experte Sörgel: „Sollte sie an Krebs erkrankt sein, dann könnte das meiner Einschätzu­ng nach medizinisc­h die Einnahme von Epo erklären und rechtferti­gen, jedoch nicht die von Testostero­n.“

Sollte dies zutreffend sein, hätte es Wege gegeben, einen positiven Test zu vermeiden. „Allerdings müsste sie in diesem Fall bei einem Arzt in Behandlung sein, sodass sie als Hochleistu­ngssportle­rin ohne Probleme ein Attest für die Zufuhr von Epo erhalten würde, woraufhin die NADA eine Ausnahmege­nehmigung erteilen könnte“, erklärt der 73-Jährige und fügt hinzu: „Eine Krebserkra­nkung müsste man doch nicht verheimlic­hen.“Der im Raum stehende Hämatokrit­wert von 27 sei aber alarmieren­d.

In einem solchen Fall obliege es den Gutachtern der NADA, dann eine Entscheidu­ng auf Basis der vorliegend­en Unterlagen zu treffen. Dabei spielen laut Sörgel dann aber auch datenschut­zrechtlich­e Regelungen eine Rolle, wie viel der Athlet am Ende preisgeben muss. Trotz dieser Möglichkei­t einer Erkrankung kommt Sörgel zu der Einschätzu­ng, „dass sie die Verabreich­ung hätte anmelden müssen und daher gegen Regeln verstoßen hat“.

 ?? FOTO: HEINRICH/IMAGO IMAGES ?? Doping-Fachmann Fritz Sörgel leitet ein Forschungs­institut. Im Fall Benfares sieht er „eine gewisse Tragik“.
FOTO: HEINRICH/IMAGO IMAGES Doping-Fachmann Fritz Sörgel leitet ein Forschungs­institut. Im Fall Benfares sieht er „eine gewisse Tragik“.

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