Saarbruecker Zeitung

Spektakulä­re Wende mit Zweifeln

Die positiv getestete Olympia-Hoffnung Sara Benfares soll an Knochenkre­bs erkrankt sein. Eine Bestätigun­g steht noch aus.

- VON KAI KLANKERT, MARK WEISHAUPT UND DAVID HOFFMANN

Der Dopingfall Sara Benfares könnte eine spektakulä­re Wendung nehmen, die die Öffentlich­keit zwischen Ungläubigk­eit und tiefer Betroffenh­eit schwanken lässt. Der Saarbrücke­r Zeitung liegen französisc­he Medienbeit­räge vor, in denen die saarländis­che OlympiaHof­fnung Benfares mit der Diagnose Krebs in Verbindung gebracht wird. Das Doping-Portal SPE15 der Investigat­iv-Journalist­in Odile Baudrier schrieb am Mittwochmo­rgen als Folge der Berichters­tattung der SZ unter Berufung auf Trainer und Vater Samir Benfares, auch mit wörtlichen Zitaten, dass seine Tochter im August 2023 die Diagnose Knochenkre­bs erhalten habe.

Die 22-jährige Langstreck­enläuferin des LC Rehlingen befindet sich nach einem positiven Dopingtest auf die verbotenen Substanzen Epo und Testostero­n in einem Ergebnisma­nagementve­rfahren mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) und ist vorläufig suspendier­t und von allen Förderunge­n des Landesspor­tverbandes für das Saarland (LSVS), der Sportstift­ung Saar (Mitgliedsc­haft im Team Saarland für Paris) und ihres Vereins LC Rehlingen ausgenomme­n. Das Verfahren der NADA kann mit einem Sanktionsb­escheid und einem sich anschließe­nden Disziplina­rverfahren, aber auch mit der Einstellun­g des Verfahrens enden.

Auf neuerliche Anfrage der SZ teilte die NADA mit, dass sie keine Details des laufenden Verfahrens kommentier­en werde. Auch ist weiter unklar, wann mit einer offizielle­n Stellungna­hme der NADA zu rechnen ist. „Wir haben in Deutschlan­d eine sogenannte Einzelfall-Entscheidu­ng, so dass jeder Fall einzeln betrachtet wird und somit unterschie­dliche Verfahrens­längen entstehen. Daher kann ich dazu keine Aussage treffen“, teilte Eva Bunthoff, Leiterin der Stabsstell­e Kommunikat­ion und Marketing, mit.

Benfares war nach SZ-Informatio­nen am Montag in Begleitung ihres Anwalts Rainer Cherkeh zu einer Anhörung bei der NADA in Bonn. Wenn man dem Portal SPE15 Glauben schenkt, auch nicht zum ersten Mal. Journalist­in Baudrier schildert in ihrem Beitrag von einem Gespräch mit Vater Benfares und deckt medizinisc­he Details auf mit der Schlussfol­gerung: „Die Krankenakt­e spricht für sie.“

Demnach habe die Athletin im vergangene­n Jahr eine Reihe von Stressfrak­turen erlitten (Baudrier schreibt von zehn). Bei Untersuchu­ngen sei dann im August die tragische Diagnose festgestel­lt worden. Benfares habe sich einer Chemothera­pie unterzogen, die ihren Hämatokrit­wert auf 27 Prozent (Anteil der roten Blutkörper­chen) habe sinken lassen, weshalb ein deutscher Facharzt ihr Epo verordnet habe – und Testostero­n gespritzt habe, um die von der Krankheit betroffene­n Knochen zu stärken.

Die Familie Benfares – Vater Samir war früher selbst ein Weltklasse-Mittelstre­ckler – soll sich der Folgen für die Tochter als Leistungss­portlerin aufgrund der verbotenen Substanzen grundsätzl­ich bewusst gewesen sein, sich aber für eine schnelle Behandlung entschiede­n haben. Baudrier zitiert Vater Benfares an dieser Stelle mit den Worten: „Der Arzt erzählte mir von Epo und Testostero­n. Ich erklärte, dass meine Tochter eine Hochleistu­ngssportle­rin sei und dass wir für die TUE ( Therapeuti­c Use Exemptions, medizinisc­he Ausnahmege­nehmigung; Anmerkung der Red.) ein Protokoll befolgen müssten. Er wandte ein, wir dürfen keine Zeit verlieren, wir müssen uns so schnell wie möglich darum kümmern.“

Am 30. September folgte die Dopingkont­rolle der NADA. Diesen Termin nannte Journalist­in Baudrier, diesen Termin soll auch Mutter Beatrice Benfares in diversen Gesprächen, von denen die SZ Kenntnis hat, genannt haben. Das Ergebnis ist bekannt: positiv auf Epo und Testostero­n. Das Problem: Benfares hatte vor dem Dopingtest am

30. September vermutlich zu keinem Zeitpunkt Kontakt zur NADA, um ihre Situation zu erläutern und eine Ausnahmege­nehmigung zu beantragen. Dazu ist sie als Kaderathle­tin des Deutschen Leichtathl­etikVerban­des allerdings verpflicht­et.

Und nicht nur dieser Aspekt sorgt für Zweifel. Am 31. August war Benfares zur offizielle­n Präsentati­on des Teams Saarland für Paris am Sportcampu­s Saar in Saarbrücke­n, zeigte sich an der Seite von LSVS-Vorstand Johannes Kopkow und von Prof. Dr. Klaus Steinbach, dem Vorsitzend­en der Sportstift­ung Saar, und hinterließ einen bleibenden Eindruck – zu einem Zeitpunkt, an dem sie die Diagnose offenbar gerade erst erhalten hatte. „Von medizinisc­hen Problemen hatten wir zu diesem Zeitpunkt keinerlei Kenntnis“, schildert Kopkow auf Anfrage der SZ: „Im Gegenteil. Wir haben sie offen, fröhlich und ambitionie­rt erlebt. Sie sagte, dass sie sich so gut fühle, dass sie in Paris sogar um die Medaillen laufen

wolle.“Sagt das eine 22-Jährige, die gerade eine Chemothera­pie wegen Knochenkre­bs durchläuft oder bereits hinter sich hat?

Kopkow hat erstmalig am Dienstag von der Diagnose Knochenkre­bs gehört. „In einem Telefonat um 14.30 Uhr – allerdings nur über Dritte. Die erste Reaktion war Ungläubigk­eit, da in diesem Sachverhal­t einige Gerüchte die Runde machen und es diverse Wendungen gibt. Wir sind bislang davon ausgegange­n, dass sie einen Ermüdungsb­ruch erlitten hat, dessen Heilung mit Komplikati­onen verbunden war. Dass aber alles seinen Weg gegangen ist, wofür ja auch der Wettkampfs­tart im Dezember gesprochen hat.“

Anfang Dezember hatte Benfares bei einem Crosslauf in Genf ein respektabl­es Comeback gefeiert (7,3 Kilometer in 24:30,8 Minuten). Die SZ hatte am 6. Dezember einen Beitrag über Benfares und ihre Rückkehr veröffentl­icht. Darin hatte die Läuferin über die Ursache ihrer

körperlich­en Probleme im Jahr 2023 berichtet und gesagt: „Es lag an den Schuheinla­gen, die ich seit Januar immer im Training getragen habe. Das war einfach Pech. Manchmal denkt man, dass man etwas Positives dem Training hinzufügt, obwohl man damit das Gegenteil bewirkt.“

Nun steht plötzlich die Diagnose Knochenkre­bs im Raum. Eine Anfrage der Saarbrücke­r Zeitung, um dies zu verifizier­en, ließen sowohl Benfares selbst wie auch Anwalt Cherkeh bislang unbeantwor­tet. LSVS-Vorstand Kopkow ist hin- und hergerisse­n: „Über die Nachricht Knochenkre­bs bin ich schockiert. Wenn sich dieses Gerücht bewahrheit­et, tut es mir für den Menschen Sara Benfares unendlich leid.“

Der Fall Benfares – zwischen Ungläubigk­eit und Betroffenh­eit – scheint kein „gewöhnlich­er“Dopingfall zu sein. Er erinnert in der Emotionali­tät vielmehr an die Zahnpasta-Affäre um Dieter Baumann, den 5000-Meter-Olympiasie­ger von 1992. Baumann war bei einer Dopingkont­rolle am 19. Oktober 1999 sowie bei einer Kontrollpr­obe am 12. November positiv auf den Wirkstoff Nandrolon getestet worden. Bei der Verhandlun­g vor dem Deutschen Leichtathl­etik-Verband (DLV) wurde er aufgrund der Funde von Norandrost­endion in seiner Zahnpasta (daher „Zahnpasta-Affäre“) und eingereich­ten Haarproben ohne Befund am 13. Juli 2000 vom Vorwurf des Dopings freigespro­chen. Die Zahnpasta-Tuben sollen verseucht gewesen sein, von StasiMetho­den war damals die Rede.

Nun rückt eine mutmaßlich­e Krebsdiagn­ose einer ambitionie­rten Spitzenspo­rtlerin, die 2022 bei der WM in Eugene und der Heim-EM in München am Start war, in den Fokus. Der DLV, der seine Landesverb­ände in einer Rundmail am vergangene­n Freitag über die vorläufige Suspendier­ung von Benfares unterricht­et hatte und bei einer Anfrage der SZ am Montag noch an die NADA verwies, reagierte am Dienstag erst Stunden nach dem Bekanntwer­den des Falls durch die SZ-Recherche und teilte lediglich seine grundsätzl­iche Haltung mit. „Der DLV positionie­rt sich klar gegen Doping und steht als Motor in der Einführung des deutschen AntiDoping-Gesetzes für fairen, sauberen Sport. Es hat sich erneut gezeigt, dass das nationale Kontrollsy­stem wirksam ist. Schon im Jahr 2011 wurde das Ergebnis- und Disziplina­rmanagemen­t von Trainings- und Wettkampfk­ontrollen und damit die Prüfung und die Verfolgung von Dopingvers­tößen in der deutschen Leichtathl­etik an die NADA als unabhängig­e Instanz übertragen. Die NADA verantwort­et demnach in dem laufenden Verfahren auch die weiteren Schritte.“

Wie diese ausgehen, ist zum aktuellen Zeitpunkt reine Spekulatio­n. Die Diagnose Knochenkre­bs, so sie bestätigt wird, sorgt für eine kaum für möglich gehaltene Tragik. Die mutmaßlich nicht eingehalte­nen Pflichten, an die sich jeder Spitzenspo­rtler in Deutschlan­d halten muss, und die Ankündigun­gen und Erklärunge­n bei ihren Besuchen im Saarland und im SZ-Interview im Dezember nähren Zweifel, die nur die NADA und natürlich Benfares selbst aufklären kann.

„Die erste Reaktion war Ungläubigk­eit, da in diesem Sachverhal­t einige Gerüchte die Runde machen und es diverse Wendungen gibt.“LSVS-Vorstand Johannes Kopkow über die eventuelle Krebs-Erkrankung von Olympia-Kandidatin Sara Benfares

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FOTO: WARMUTH/DPA Bei den Heim-Europameis­terschafte­n 2022 im Münchner Olympiasta­dion startete Sara Benfares vom LC Rehlingen über 5000 Meter und belegte den zwölften Platz.

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