Spektakuläre Wende mit Zweifeln
Die positiv getestete Olympia-Hoffnung Sara Benfares soll an Knochenkrebs erkrankt sein. Eine Bestätigung steht noch aus.
Der Dopingfall Sara Benfares könnte eine spektakuläre Wendung nehmen, die die Öffentlichkeit zwischen Ungläubigkeit und tiefer Betroffenheit schwanken lässt. Der Saarbrücker Zeitung liegen französische Medienbeiträge vor, in denen die saarländische OlympiaHoffnung Benfares mit der Diagnose Krebs in Verbindung gebracht wird. Das Doping-Portal SPE15 der Investigativ-Journalistin Odile Baudrier schrieb am Mittwochmorgen als Folge der Berichterstattung der SZ unter Berufung auf Trainer und Vater Samir Benfares, auch mit wörtlichen Zitaten, dass seine Tochter im August 2023 die Diagnose Knochenkrebs erhalten habe.
Die 22-jährige Langstreckenläuferin des LC Rehlingen befindet sich nach einem positiven Dopingtest auf die verbotenen Substanzen Epo und Testosteron in einem Ergebnismanagementverfahren mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) und ist vorläufig suspendiert und von allen Förderungen des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS), der Sportstiftung Saar (Mitgliedschaft im Team Saarland für Paris) und ihres Vereins LC Rehlingen ausgenommen. Das Verfahren der NADA kann mit einem Sanktionsbescheid und einem sich anschließenden Disziplinarverfahren, aber auch mit der Einstellung des Verfahrens enden.
Auf neuerliche Anfrage der SZ teilte die NADA mit, dass sie keine Details des laufenden Verfahrens kommentieren werde. Auch ist weiter unklar, wann mit einer offiziellen Stellungnahme der NADA zu rechnen ist. „Wir haben in Deutschland eine sogenannte Einzelfall-Entscheidung, so dass jeder Fall einzeln betrachtet wird und somit unterschiedliche Verfahrenslängen entstehen. Daher kann ich dazu keine Aussage treffen“, teilte Eva Bunthoff, Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Marketing, mit.
Benfares war nach SZ-Informationen am Montag in Begleitung ihres Anwalts Rainer Cherkeh zu einer Anhörung bei der NADA in Bonn. Wenn man dem Portal SPE15 Glauben schenkt, auch nicht zum ersten Mal. Journalistin Baudrier schildert in ihrem Beitrag von einem Gespräch mit Vater Benfares und deckt medizinische Details auf mit der Schlussfolgerung: „Die Krankenakte spricht für sie.“
Demnach habe die Athletin im vergangenen Jahr eine Reihe von Stressfrakturen erlitten (Baudrier schreibt von zehn). Bei Untersuchungen sei dann im August die tragische Diagnose festgestellt worden. Benfares habe sich einer Chemotherapie unterzogen, die ihren Hämatokritwert auf 27 Prozent (Anteil der roten Blutkörperchen) habe sinken lassen, weshalb ein deutscher Facharzt ihr Epo verordnet habe – und Testosteron gespritzt habe, um die von der Krankheit betroffenen Knochen zu stärken.
Die Familie Benfares – Vater Samir war früher selbst ein Weltklasse-Mittelstreckler – soll sich der Folgen für die Tochter als Leistungssportlerin aufgrund der verbotenen Substanzen grundsätzlich bewusst gewesen sein, sich aber für eine schnelle Behandlung entschieden haben. Baudrier zitiert Vater Benfares an dieser Stelle mit den Worten: „Der Arzt erzählte mir von Epo und Testosteron. Ich erklärte, dass meine Tochter eine Hochleistungssportlerin sei und dass wir für die TUE ( Therapeutic Use Exemptions, medizinische Ausnahmegenehmigung; Anmerkung der Red.) ein Protokoll befolgen müssten. Er wandte ein, wir dürfen keine Zeit verlieren, wir müssen uns so schnell wie möglich darum kümmern.“
Am 30. September folgte die Dopingkontrolle der NADA. Diesen Termin nannte Journalistin Baudrier, diesen Termin soll auch Mutter Beatrice Benfares in diversen Gesprächen, von denen die SZ Kenntnis hat, genannt haben. Das Ergebnis ist bekannt: positiv auf Epo und Testosteron. Das Problem: Benfares hatte vor dem Dopingtest am
30. September vermutlich zu keinem Zeitpunkt Kontakt zur NADA, um ihre Situation zu erläutern und eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Dazu ist sie als Kaderathletin des Deutschen LeichtathletikVerbandes allerdings verpflichtet.
Und nicht nur dieser Aspekt sorgt für Zweifel. Am 31. August war Benfares zur offiziellen Präsentation des Teams Saarland für Paris am Sportcampus Saar in Saarbrücken, zeigte sich an der Seite von LSVS-Vorstand Johannes Kopkow und von Prof. Dr. Klaus Steinbach, dem Vorsitzenden der Sportstiftung Saar, und hinterließ einen bleibenden Eindruck – zu einem Zeitpunkt, an dem sie die Diagnose offenbar gerade erst erhalten hatte. „Von medizinischen Problemen hatten wir zu diesem Zeitpunkt keinerlei Kenntnis“, schildert Kopkow auf Anfrage der SZ: „Im Gegenteil. Wir haben sie offen, fröhlich und ambitioniert erlebt. Sie sagte, dass sie sich so gut fühle, dass sie in Paris sogar um die Medaillen laufen
wolle.“Sagt das eine 22-Jährige, die gerade eine Chemotherapie wegen Knochenkrebs durchläuft oder bereits hinter sich hat?
Kopkow hat erstmalig am Dienstag von der Diagnose Knochenkrebs gehört. „In einem Telefonat um 14.30 Uhr – allerdings nur über Dritte. Die erste Reaktion war Ungläubigkeit, da in diesem Sachverhalt einige Gerüchte die Runde machen und es diverse Wendungen gibt. Wir sind bislang davon ausgegangen, dass sie einen Ermüdungsbruch erlitten hat, dessen Heilung mit Komplikationen verbunden war. Dass aber alles seinen Weg gegangen ist, wofür ja auch der Wettkampfstart im Dezember gesprochen hat.“
Anfang Dezember hatte Benfares bei einem Crosslauf in Genf ein respektables Comeback gefeiert (7,3 Kilometer in 24:30,8 Minuten). Die SZ hatte am 6. Dezember einen Beitrag über Benfares und ihre Rückkehr veröffentlicht. Darin hatte die Läuferin über die Ursache ihrer
körperlichen Probleme im Jahr 2023 berichtet und gesagt: „Es lag an den Schuheinlagen, die ich seit Januar immer im Training getragen habe. Das war einfach Pech. Manchmal denkt man, dass man etwas Positives dem Training hinzufügt, obwohl man damit das Gegenteil bewirkt.“
Nun steht plötzlich die Diagnose Knochenkrebs im Raum. Eine Anfrage der Saarbrücker Zeitung, um dies zu verifizieren, ließen sowohl Benfares selbst wie auch Anwalt Cherkeh bislang unbeantwortet. LSVS-Vorstand Kopkow ist hin- und hergerissen: „Über die Nachricht Knochenkrebs bin ich schockiert. Wenn sich dieses Gerücht bewahrheitet, tut es mir für den Menschen Sara Benfares unendlich leid.“
Der Fall Benfares – zwischen Ungläubigkeit und Betroffenheit – scheint kein „gewöhnlicher“Dopingfall zu sein. Er erinnert in der Emotionalität vielmehr an die Zahnpasta-Affäre um Dieter Baumann, den 5000-Meter-Olympiasieger von 1992. Baumann war bei einer Dopingkontrolle am 19. Oktober 1999 sowie bei einer Kontrollprobe am 12. November positiv auf den Wirkstoff Nandrolon getestet worden. Bei der Verhandlung vor dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wurde er aufgrund der Funde von Norandrostendion in seiner Zahnpasta (daher „Zahnpasta-Affäre“) und eingereichten Haarproben ohne Befund am 13. Juli 2000 vom Vorwurf des Dopings freigesprochen. Die Zahnpasta-Tuben sollen verseucht gewesen sein, von StasiMethoden war damals die Rede.
Nun rückt eine mutmaßliche Krebsdiagnose einer ambitionierten Spitzensportlerin, die 2022 bei der WM in Eugene und der Heim-EM in München am Start war, in den Fokus. Der DLV, der seine Landesverbände in einer Rundmail am vergangenen Freitag über die vorläufige Suspendierung von Benfares unterrichtet hatte und bei einer Anfrage der SZ am Montag noch an die NADA verwies, reagierte am Dienstag erst Stunden nach dem Bekanntwerden des Falls durch die SZ-Recherche und teilte lediglich seine grundsätzliche Haltung mit. „Der DLV positioniert sich klar gegen Doping und steht als Motor in der Einführung des deutschen AntiDoping-Gesetzes für fairen, sauberen Sport. Es hat sich erneut gezeigt, dass das nationale Kontrollsystem wirksam ist. Schon im Jahr 2011 wurde das Ergebnis- und Disziplinarmanagement von Trainings- und Wettkampfkontrollen und damit die Prüfung und die Verfolgung von Dopingverstößen in der deutschen Leichtathletik an die NADA als unabhängige Instanz übertragen. Die NADA verantwortet demnach in dem laufenden Verfahren auch die weiteren Schritte.“
Wie diese ausgehen, ist zum aktuellen Zeitpunkt reine Spekulation. Die Diagnose Knochenkrebs, so sie bestätigt wird, sorgt für eine kaum für möglich gehaltene Tragik. Die mutmaßlich nicht eingehaltenen Pflichten, an die sich jeder Spitzensportler in Deutschland halten muss, und die Ankündigungen und Erklärungen bei ihren Besuchen im Saarland und im SZ-Interview im Dezember nähren Zweifel, die nur die NADA und natürlich Benfares selbst aufklären kann.
„Die erste Reaktion war Ungläubigkeit, da in diesem Sachverhalt einige Gerüchte die Runde machen und es diverse Wendungen gibt.“LSVS-Vorstand Johannes Kopkow über die eventuelle Krebs-Erkrankung von Olympia-Kandidatin Sara Benfares