Saarbruecker Zeitung

Neue Enthüllung­en erhöhen Druck auf AfD

Demonstrat­ionen, neue Enthüllung­en, sinkende Umfragewer­te: Die AfD steht weiter unter Druck. Immer wieder werden neue Kontakte zu Rechtsextr­emist Sellner bekannt. Die AfD-Spitze geht zum Gegenangri­ff über – vor allem Correctiv ist das Ziel.

- VON MEY DUDIN

Weitere Enthüllung­en über AfD-Verbindung­en zu Rechtsextr­emen bringen die Parteispit­ze in Bedrängnis. Das betrifft vor allem Kontakte von Funktionär­en der Partei zum früheren Kopf der Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner. So legt eine neue Recherche nahe, dass die AfD-Spitze stärker als bekannt in das Potsdamer Geheimtref­fen Ende 2023 involviert war, wo Sellner unter dem beschönige­nden Begriff „Remigratio­n“über die Massenausw­eisung von Menschen ausländisc­her Herkunft referiert hat – selbst wenn sie die deutsche Staatsbürg­erschaft haben.

Laut WDR, NDR und Süddeutsch­e Zeitung war unter den Teilnehmer­n eine weitere Person aus dem Umfeld von Parteichef­in Alice Weidel: Arne Friedrich Mörig, Sohn des Düsseldorf­er Zahnarztes Gernot Mörig, der das Treffen in Potsdam organisier­t hat. Besonders pikant: Mörig junior soll demnach von der AfD bezahlt worden sein, und zwar aus dem persönlich­en Budget innerhalb des Bundesvors­tandes, über das Weidel als Parteichef­in direkt verfügen könne. Der 31-Jährige stand den Anga

ben zufolge seit Ende 2022 in einem Arbeitsver­hältnis mit dem Parteivors­tand, das inzwischen wieder gekündigt worden sei. In Potsdam habe er die Idee einer neurechten Influencer-Agentur präsentier­t. Unter den weiteren Teilnehmer­n des Treffens war damals neben einem AfD-Landtags- und einer AfD-Bundestags­abgeordnet­en auch Weidels inzwischen entlassene­r persönlich­er Referent Roland Hartwig.

Eine weitere Enthüllung kommt

aus Bayern: Dort trafen sich AfDPolitik­er bereits zwei Wochen vor der Potsdamer Veranstalt­ung mit Rechtsextr­emist Sellner.

Die neuen Recherchen fallen in eine Zeit bundesweit­er Großdemons­trationen gegen Rechts und lauter werdenden Rufen nach einem Parteiverb­ot. Erstmals

scheint der monatelang­e Höhenflug unterbroch­en zu sein: Laut „Trendbarom­eter“von RTL und n-tv fiel die AfD Ende Januar erstmals seit dem Sommer 2023 wieder unter die 20-Prozent-Marke und kam auf 19 Prozent. Unklar ist auch, ob der AfD-Bundespart­eitag wie geplant in NRW abgehalten wer

den kann: Die Messe Essen, wo die Delegierte­n sich im Juni versammeln wollen, prüft derzeit, ob ein Vertragsrü­cktritt rechtlich möglich ist.

Und was macht die AfD-Spitze? Sie geht zur Gegenattac­ke über. Weidel wirft dem Recherchen­etzwerk Correctiv, dessen Journalist­en das Potsdamer Treffen aufgedeckt haben, „Verleumdun­g“vor. In einem Positionsp­apier nimmt die Partei Stellung zur vermeintli­chen „Deportatio­nslüge“und erklärt: „Die

AfD unterschei­det nicht zwischen deutschen Staatsange­hörigen mit und ohne Migrations­hintergrun­d.“Dann kündigen die Rechtspopu­listen die Umsetzung einer „Remigratio­nsagenda“an: Sie wollen rund 250 000 ausreisepf­lichtige Ausländer „konsequent abschieben“, insbesonde­re Menschen aus Syrien und Afghanista­n.

Welche Folgen hat diese Debatte in diesem wichtigen Wahljahr, bei dem im Herbst über drei ostdeutsch­e Landtage abgestimmt wird? Der Marburger Sozialpsyc­hologe Ulrich Wagner sagt unserer Redaktion, seine Prognose sei: „Viele Menschen sehen bei aktuellen Protesten die Möglichkei­t, auch ihr Unbehagen gegenüber dieser brutalen Form von Fremdenfei­ndlichkeit zum Ausdruck zu bringen.“Eine mögliche Folge sei, dass diejenigen, die bisher mit der Protesthal­tung der AfD sympathisi­ert hätten, aber nicht mit deren Fremdenfei­ndlichkeit, jetzt merkten: „Es gibt viele die das kritisch sehen und ich muss vielleicht auch darüber nachdenken, ob ich am Ende wirklich die AfD wähle.“Das könne der AfD Wähler entziehen.

Es gebe auch ein anderes Argument, das ebenfalls richtig sei: „Wenn wir jetzt so heftig über die AfD reden, kann das zur Folge haben, dass der engere Kreis sich bestärkt sieht in der Überzeugun­g, dass die Altparteie­n und die Medien ohnehin nichts anderes machen, als die AfD zu diffamiere­n. Das führt dann zur Schließung der Reihen.“

Was der Sozialpsyc­hologe nach eigenen Worten nicht abschätzen kann, ist der Effekt der Aufmerksam­keit, die durch die Debatte erzeugt wird. „Das ist wie Werbung: Selbst schlechte Werbung ist besser als keine Werbung.“

Eine neue Recherche legt nahe, dass die AfDSpitze stärker als bekannt in das Potsdamer Geheimtref­fen Ende 2023 involviert war.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Die AfD gerät durch das Potsdamer Geheimtref­fen weiter unter Druck: Laut Recherchen von WDR, NDR und Süddeutsch­e Zeitung war unter den Teilnehmer­n eine weitere Person aus dem Umfeld von Parteichef­in Alice Weidel: Arne Friedrich Mörig.

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