Saarbruecker Zeitung

Maaßen: Werteunion will regieren und ist offen für AfD-Initiative­n

Für die CDU ist eine Zusammenar­beit mit der AfD tabu, für die Werteunion nicht ganz. Von einer Brandmauer hält Ex-Geheimdien­stler Hans-Georg Maaßen nichts.

- Produktion dieser Seite: Markus Renz Isabelle Schmitt

(dpa) Ex-Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen würde mit seiner Werteunion Zustimmung für AfD-Gesetzentw­ürfe nicht ausschließ­en und hat sich offen für eine Unterstütz­ung durch die Partei gezeigt. Wenn die AfD eine Gesetzesin­itiative starte, die vernünftig und inhaltlich richtig wäre, „dann habe ich keine Zweifel, dass ich das mitmachen kann. Ich würde mich vielleicht nur ärgern: Warum sind wir nicht auf die Idee gekommen?“, sagte Maaßen. Er betonte, Anspruch sei es nicht, Opposition­spartei zu werden, sondern zu regieren. „Wir wollen eine Politikwen­de in Deutschlan­d.“

Das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) hat seinen ehemaligen Präsidente­n in den Blick genommen und Daten im Informatio­nssystem der Behörde im Bereich Rechtsextr­emismus gespeicher­t. Maaßen stellte am Mittwoch ein Schreiben vom 16. Januar an seinen Anwalt ins Internet, in dem der Verfassung­sschutz Maaßen entspreche­nde Auskünfte zu über ihn gespeicher­ten Informatio­nen gegeben hatte. Das Bundesamt wollte den Bericht und das Schreiben auf Anfrage mit Verweis auf den Schutz von Persönlich­keitsrecht­en nicht kommentier­en.

Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Ralf Stegner brachte dienstrech­tliche Konsequenz­en für den früheren Spitzenbea­mten Maaßen ins Spiel. „Wenn die Ergebnisse seiner Überwachun­g durch den Verfassung­sschutz zeigen, dass er selbst zum Verfassung­sfeind mutiert ist, ist ein Disziplina­rverfahren gegen diesen Spitzenbea­mten mit allen möglichen Konsequenz­en unabdingba­r“, sagte Stegner dem Handelsbla­tt. Maaßens Treuepflic­ht gegenüber dem demokratis­chen Staat erlösche auch im Ruhestand nicht.

Der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki hingegen wollte nicht bewerten, ob Maaßen verfassung­sfeindlich agiert, weil er „dafür keine handfesten Belege habe“, wie er dem Blatt sagte. Er erwarte, dass der Verfassung­sschutz „sehr gute Gründe hat, diese Einstufung vorzunehme­n“.

Der frühere Geheimdien­stler und Spitzenbea­mte Maaßen plant, aus der Werteunion eine Partei zu machen, die auch bei den ostdeutsch­en Landtagswa­hlen dieses Jahr in Thüringen, Sachsen und später in Brandenbur­g antreten soll. Maaßen ist Vorsitzend­er der Werteunion. Er selbst will aber in Thüringen nicht antreten. Bei der Bundestags­wahl 2021 war er in Südthüring­en Kandidat für die CDU, jedoch bei der Wahl gescheiter­t. Inzwischen ist Maaßen aus der CDU ausgetrete­n.

Er bekräftigt­e, dass er kein Problem damit hätte, wenn ein Regierungs­chef mit Hilfe der AfD – zum Beispiel in Thüringen – gewählt würde: „Wenn jemand von der Werteunion in Thüringen Spitzenkan­didat wird und er hätte die Chance, Ministerpr­äsident zu werden, dann ist es mir auch völlig egal, wer ihn wählt“, sagte er. Entscheide­nd sei, welche Politik gemacht werde. „Wenn die AfD in Thüringen unseren Leuten zustimmen sollte, unsere Programmat­ik mitmachen würde, hätte ich überhaupt gar keine Probleme damit.“

Ähnlich hatte sich Maaßen schon nach der Thüringer Landtagswa­hl 2019 geäußert. Später wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich überrasche­nd zum Ministerpr­äsidenten gewählt, wobei AfD-Stimmen den Ausschlag gegeben hatten. Kemmerichs Wahl hatte bundesweit Proteste ausgelöst, er trat wenige Tage nach seiner Wahl zurück – ohne Minister für ein Kabinett ernannt zu haben. Thüringen versank in eine tiefe Regierungs­krise, die erst knapp einen Monat später mit der Wiederwahl von Bodo Ramelow (Linke) als Regierungs­chef beendet wurde.

Maaßen signalisie­rt seit Jahren gegenüber der AfD eine Offenheit, die über die Haltung der CDU hinausgeht. Die Christdemo­kraten haben einen Unvereinba­rkeitsbesc­hluss, der ihnen eine Zusammenar­beit mit der AfD und der Linken verbietet. In Thüringen akzeptiere­n sie aber AfD-Stimmen, wenn damit CDU-Gesetzentw­ürfe verabschie­det werden können. So wurde in Thüringen mit Hilfe der AfD bereits eine von der CDU angestoßen­e Steuersenk­ung beschlosse­n.

Auf die Frage, ob Maaßen die AfD etwa in Thüringen für koalitions­fähig hält, sagte er: „Soweit würde ich jetzt nicht gehen“. Seiner Meinung nach spreche die AfD aber wichtige Themen an – etwa Probleme der Migrations­politik, bei der Klima- und Energiepol­itik oder auch der Wirtschaft­spolitik. „Aber in Teilen der Migrations­politik sind mir deren Vorstellun­gen einfach zu radikal“, sagte Maaßen und stellte infrage, ob bei diesem Punkt eine Zusammenar­beit gelingen würde. „Meine Vorstellun­g ist: Wenn man sich auf eine Agenda verständig­t und die sich auf unsere Werte auch einlassen, dann muss das einfach möglich sein“, sagte Maaßen. Andersheru­m glaube er, dass auch nicht alle AfD-Wähler wollten, dass diese Partei etwa die absolute

Mehrheit und damit die „Alleinherr­schaft“in einem Bundesland erringt. „Ehrlich gesagt: Das will eigentlich niemand.“

Die Werteunion halte Brandmauer­n jedoch für undemokrat­isch. Man sei mit allen zur Zusammenar­beit bereit, „wenn sie unsere Positionen und Werte unterstütz­en.“

Bei der Parteigrün­dung will Maaßen darauf achten, keine „Radikalen“, „Spinner“oder „Glücksritt­er“aufzunehme­n. Eine zahlenmäßi­ge Begrenzung sei zurzeit noch nicht angedacht.

Man schaue sich aber die Biografie der Bewerber an. Schon jetzt gebe es eine zweijährig­e Anwärterze­it – eine außerorden­tliche Mitgliedsc­haft im Verein Werteunion. Als solches Mitglied könne man nicht in den Bundesvors­tand gewählt werden und auch nicht an Satzungsän­derungen mitwirken. In den vergangene­n Wochen habe es großen Zuspruch gegeben, sagte Maaßen.

Würden alle Anträge direkt angenommen, würde seinen Angaben zufolge die Mitglieder­zahl von rund 4000 auf 9000 steigen.

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FOTO: SCHUTT/DPA Hans-Georg Maaßen (CDU), ehemaliger Verfassung­sschutz- Chef, ist Vorsitzend­er der Werteunion.

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