Saarbruecker Zeitung

Baerbock, die Diplomatie und der Strafraum

Außenminis­terin Annalena Baerbock hat jetzt die Botschafte­rinnen und Botschafte­r für die Fußball-Europameis­terschaft im Sommer im eigenen Land ernannt.

- VON HOLGER MÖHLE Produktion dieser Seite: Markus Renz, Isabelle Schmitt

Die Pumps bleiben tatsächlic­h an. „Meine Sportschuh­e“, sagt Annalena Baerbock selbstiron­isch. Und dann drauf aufs Tor.

Die deutsche Außenminis­terin hat in dieser Nachmittag­sstunde gewisserma­ßen den Strafraum betreten – im eigenen Ministeriu­m. Gefährlich­es Terrain, wenn man in der Defensive ist. Ein Raum für Chancen in der Offensive. Vor ihr eine Torwand im Foyer des Auswärtige­n Amtes. Gleich startet sie eine Auftaktver­anstaltung zur Fußball-Europameis­terschaft in diesem Sommer in Deutschlan­d, neudeutsch: Kick-Off.

Fußball und Diplomatie können sehr nah zusammenhä­ngen, gerade in Zeiten zweier großer Kriege in der Ukraine und in Nahost. Baerbock wird in den nächsten gut 60

Minuten die Botschafte­rinnen und Botschafte­r dieser Europameis­terschaft offiziell ernennen und raus ins Land schicken: Steffi Jones, Gerald Asamoah, Arne Friedrich, Thomas Hitzlsperg­er und Jimmy Hartwig. Daraus soll etwas Großes werden: Hoffnung, Frieden, vielleicht sogar ein Titel.

Wer weiß, vielleicht schafft es die deutsche Mannschaft ins Finale. Hitzlsperg­er spricht aus, was ein optimistis­cher Fußball-Botschafte­r sagen sollte: „Wir wollen das Turnier gewinnen.“

Die Grünen-Politikeri­n dürfte wenig dagegen haben. Denn ein Titel für das eigene Team im Volkssport Fußball könnte auch die Stimmung im von Corona, Krieg und Krisen geplagten Volk heben. Geht es dem Volk besser, fühlt es im EM-Rausch weniger Krise, lassen die vom ewigen Ampel-Zoff genervten Bürgerinne­n und Bürger womöglich auf die Rote Karte für die Regierung stecken.

Gelb-Rot haben die Menschen, gemessen an den Umfragewer­ten für SPD, Grüne und FDP, aktuell gezogen. Was da hilft? Gute Stimmung, ein Titel. Hitzlsperg­er: „Wenn wir die Besten wollen, sollte niemand ausgegrenz­t werden.“Dieses Mal will Baerbock, ehemalige Leistungss­portlerin im Trampolin und Fußballeri­n als Mädchen, nicht mehr erleben, dass Deutschlan­d bereits in der Vorrunde ausscheide­t – so wie bei der FrauenFußb­all-WM im vergangene­n Jahr in Australien und Neuseeland.

Das soll bei der Männer-EM im eigenen Land tunlichst besser werden. Vielleicht erwächst sogar ein kleines Sommermärc­hen daraus. Turnierdir­ektor Philipp Lahm hätte nichts dagegen, ebenso wenig DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Vizepräsid­entin Célia Sasic, die mit Baerbock an diesem Nachmittag im Auswärtige­n Amt diesen ersten Ball in Richtung Fußball-EM spielen.

Baerbock stoppt beim Einlaufen mit Lahm, Hitzlsperg­er, Neuendorf und Jones im Foyer gleich bei Schülerinn­en und Schülern der Sportschul­e Olympiapar­k. „Schön, das ihr da seid.“Die Ministerin weiß von der eigenen Tochter, dass doch gerade Winterferi­en sind, aber für die Fußball-EM sind die Nachwuchss­pieler gerne ins Auswärtige Amt gekommen. Noch 134 Tage bis zum Anpfiff.

Baerbock ist dann gleich bei einem zentralen Konflikt dieser Zeit: Nahost, Glaubenskr­ieg, Hamas-Terror, Israels Gegenwehr. Wie sollen Menschen in solchen Zeiten Fußball feiern?

Die Ministerin fasst es so zusammen: „Weil Fußball zusammenbr­ingt, egal, woran wir glauben oder nicht glauben.“Eine saubere Ecke zähle da eben mehr als etwa das Portemonna­ie.

Turnierdir­ektor Lahm sagt: „Wir wollen unsere europäisch­e Werte feiern. Solidaritä­t und auch wieder mehr Optimismus, damit nicht jeder nur negativ denkt. Unsere Werte, die wir haben, müssen wir immer wieder neu verteidige­n.“

Die Fußball-Europameis­terschaft versteht Baerbock auch als Statement für das geeinte Europa. Die EM sei ein „gemeinsame­s Friedenspr­ojekt, gerade jetzt, da Europa „nicht nur von außen, sondern auch von innen angegriffe­n wird“. Baerbock: „Wir feiern hier EuroFußbal­l, aber wir feiern hier auch unser Europa.“Botschafte­rin Jones sagt: „Der Fußball integriert eben Menschen. Werte sind mein Kompass.“Ex-Profi Hartwig beteuert: „Ich bin jetzt so lange im Fußballges­chäft, danke, dass ich Botschafte­r für diese EM sein darf.“

Fußball-Botschafte­r Hartwig wendet sich dann noch an die diplomatis­chen Botschafte­r der EMTeilnehm­erstaaten im Publikum: „Vielleicht können Sie nachher sagen, boah, Deutschlan­d ist ein geiles Land.“Die Fußball-Botschafte­rinnen und Botschafte­r jedenfalls hoffen wie die deutsche Chefdiplom­atin auf ein neues Sommermärc­hen. Dem Land würde es gut tun.

 ?? FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA ?? Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) beim Kick-Off: Fußball und Diplomatie gehen zur Fußball-EM Hand in Hand.
FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) beim Kick-Off: Fußball und Diplomatie gehen zur Fußball-EM Hand in Hand.

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