Baerbock, die Diplomatie und der Strafraum
Außenministerin Annalena Baerbock hat jetzt die Botschafterinnen und Botschafter für die Fußball-Europameisterschaft im Sommer im eigenen Land ernannt.
Die Pumps bleiben tatsächlich an. „Meine Sportschuhe“, sagt Annalena Baerbock selbstironisch. Und dann drauf aufs Tor.
Die deutsche Außenministerin hat in dieser Nachmittagsstunde gewissermaßen den Strafraum betreten – im eigenen Ministerium. Gefährliches Terrain, wenn man in der Defensive ist. Ein Raum für Chancen in der Offensive. Vor ihr eine Torwand im Foyer des Auswärtigen Amtes. Gleich startet sie eine Auftaktveranstaltung zur Fußball-Europameisterschaft in diesem Sommer in Deutschland, neudeutsch: Kick-Off.
Fußball und Diplomatie können sehr nah zusammenhängen, gerade in Zeiten zweier großer Kriege in der Ukraine und in Nahost. Baerbock wird in den nächsten gut 60
Minuten die Botschafterinnen und Botschafter dieser Europameisterschaft offiziell ernennen und raus ins Land schicken: Steffi Jones, Gerald Asamoah, Arne Friedrich, Thomas Hitzlsperger und Jimmy Hartwig. Daraus soll etwas Großes werden: Hoffnung, Frieden, vielleicht sogar ein Titel.
Wer weiß, vielleicht schafft es die deutsche Mannschaft ins Finale. Hitzlsperger spricht aus, was ein optimistischer Fußball-Botschafter sagen sollte: „Wir wollen das Turnier gewinnen.“
Die Grünen-Politikerin dürfte wenig dagegen haben. Denn ein Titel für das eigene Team im Volkssport Fußball könnte auch die Stimmung im von Corona, Krieg und Krisen geplagten Volk heben. Geht es dem Volk besser, fühlt es im EM-Rausch weniger Krise, lassen die vom ewigen Ampel-Zoff genervten Bürgerinnen und Bürger womöglich auf die Rote Karte für die Regierung stecken.
Gelb-Rot haben die Menschen, gemessen an den Umfragewerten für SPD, Grüne und FDP, aktuell gezogen. Was da hilft? Gute Stimmung, ein Titel. Hitzlsperger: „Wenn wir die Besten wollen, sollte niemand ausgegrenzt werden.“Dieses Mal will Baerbock, ehemalige Leistungssportlerin im Trampolin und Fußballerin als Mädchen, nicht mehr erleben, dass Deutschland bereits in der Vorrunde ausscheidet – so wie bei der FrauenFußball-WM im vergangenen Jahr in Australien und Neuseeland.
Das soll bei der Männer-EM im eigenen Land tunlichst besser werden. Vielleicht erwächst sogar ein kleines Sommermärchen daraus. Turnierdirektor Philipp Lahm hätte nichts dagegen, ebenso wenig DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Vizepräsidentin Célia Sasic, die mit Baerbock an diesem Nachmittag im Auswärtigen Amt diesen ersten Ball in Richtung Fußball-EM spielen.
Baerbock stoppt beim Einlaufen mit Lahm, Hitzlsperger, Neuendorf und Jones im Foyer gleich bei Schülerinnen und Schülern der Sportschule Olympiapark. „Schön, das ihr da seid.“Die Ministerin weiß von der eigenen Tochter, dass doch gerade Winterferien sind, aber für die Fußball-EM sind die Nachwuchsspieler gerne ins Auswärtige Amt gekommen. Noch 134 Tage bis zum Anpfiff.
Baerbock ist dann gleich bei einem zentralen Konflikt dieser Zeit: Nahost, Glaubenskrieg, Hamas-Terror, Israels Gegenwehr. Wie sollen Menschen in solchen Zeiten Fußball feiern?
Die Ministerin fasst es so zusammen: „Weil Fußball zusammenbringt, egal, woran wir glauben oder nicht glauben.“Eine saubere Ecke zähle da eben mehr als etwa das Portemonnaie.
Turnierdirektor Lahm sagt: „Wir wollen unsere europäische Werte feiern. Solidarität und auch wieder mehr Optimismus, damit nicht jeder nur negativ denkt. Unsere Werte, die wir haben, müssen wir immer wieder neu verteidigen.“
Die Fußball-Europameisterschaft versteht Baerbock auch als Statement für das geeinte Europa. Die EM sei ein „gemeinsames Friedensprojekt, gerade jetzt, da Europa „nicht nur von außen, sondern auch von innen angegriffen wird“. Baerbock: „Wir feiern hier EuroFußball, aber wir feiern hier auch unser Europa.“Botschafterin Jones sagt: „Der Fußball integriert eben Menschen. Werte sind mein Kompass.“Ex-Profi Hartwig beteuert: „Ich bin jetzt so lange im Fußballgeschäft, danke, dass ich Botschafter für diese EM sein darf.“
Fußball-Botschafter Hartwig wendet sich dann noch an die diplomatischen Botschafter der EMTeilnehmerstaaten im Publikum: „Vielleicht können Sie nachher sagen, boah, Deutschland ist ein geiles Land.“Die Fußball-Botschafterinnen und Botschafter jedenfalls hoffen wie die deutsche Chefdiplomatin auf ein neues Sommermärchen. Dem Land würde es gut tun.