Habeck wirbt für ein milliardenschweres Sondervermögen
Die Fronten im Bundestag sind verhärtet. Das zeigt sich einmal mehr bei der Debatte über den Etat des Wirtschaftsministers für 2024.
Donnerstag der laufenden Haushaltswoche, es ist Mitbring-Tag im Bundestag. Laternen, Rotstifte, milliardenteure Vorschläge – jeder bringt mit, womit er meint, die eigene Politik untermauern zu können. Das schwerste Gerät schleppt an diesem Vormittag der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt ins große Halbrund des Plenarsaals: eine Zugschlusslaterne.
Mattfeldt hält dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck die mächtige Leuchte vors Gesicht. Es ist eine Anspielung auf den früheren CSU-Politiker Ernst Hinsken, der vor 22 Jahren mit einer eben solchen Laterne symbolisieren wollte, dass Deutschland das wirtschaftliche Schlusslicht in Europa sei. Nach Mattfeldts Ansicht ist das heute wieder so. „Ich befürchte, dass der deutsche Wirtschaftswaggon bereits auf dem Abstellgleis steht, weil er durch Ihre Politik durch und durch sanierungsbedürftig geworden ist“, ätzt der CDU-Politiker in Habecks Richtung. Damit ist zum Auftakt der
Debatte über den 2024er Etat des Wirtschaftsministeriums der Ton gesetzt. Freundlicher wird es nicht mehr zwischen Ampel-Fraktionen und Opposition.
Für Habeck ist es eine Steilvorlage.
Der Wirtschaftsminister interpretiert die mit Petroleum betriebene Zugschlussleuchte als Symbol für die „wirtschaftliche Kompetenz der Union: Wirtschaftspolitik mit Petroleum“. Überhaupt sei ein Großteil der Probleme des Landes in den letzten Jahren entstanden: „Kein Ausbau der Infrastruktur, keine Investitionen in die Bahn, keine Digitalisierung, kein Smartmetering, kein Fachkräftezuwanderungsgesetz“, so der Grünen-Politiker. Wenn man versuchen wolle, die Probleme zu lösen, „dann rate ich zur Selbstkritik“, sagt Habeck in Richtung Union. Es ist wohl der Versuch, an die gemeinsame Verantwortung aller demokratischen Parteien zu appellieren. Ein Aufruf an die Union zur Zusammenarbeit, die Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) tags zuvor im Bundestag aufgekündigt hatte. Ob Habecks Gegenattacke aber seinen eigenen Zielen dient, ist fraglich. Denn der Minister hat im Bundestag ein Mitbringsel dabei, für dessen Umsetzung er die Union bräuchte.
Der Vizekanzler schlägt ein milliardenschweres Sondervermögen vor, „um die strukturellen Probleme zu lösen“. Habeck nennt etwa Steuervergünstigungen für Unternehmen und Abschreibungsmöglichkeiten, die aus dem neuen Sondervermögen finanziert werden sollten. Er spricht von einem „Wirtschaftschancengesetz mal 10, vielleicht mal 50, um dieses Land nach vorne zu bringen“. Gemeint ist damit vermutlich das Wachstumschancengesetz der Ampel, das steuerliche Entlastungen für
Unternehmen bis 2028 vorsieht. Konkreter wird Habeck allerdings nicht, was den Umfang dieses Sondertopfes angeht.
Die Idee ist nicht neu, sie schwebt Habeck schon länger vor. Es wäre nach der Vorstellung des Ministers trotz Schuldenbremse ein Weg, zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und wirtschaftliche Transformation zu ermöglichen. Das Sondervermögen müsste aber, vergleichbar mit dem 100-Milliarden-Topf für die Bundeswehr, im Grundgesetz verankert werden. Dafür bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag – ohne Union ist es also nicht zu machen.
Doch auch innerhalb der AmpelKoalition wird Habecks Vorstoß unmittelbar abgelehnt. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler nennt zwar den Vorschlag, Steuerbelastungen für Unternehmen zu reduzieren, „genau den richtigen Ansatz“. Der FDP-Politiker macht aber auch deutlich, dass der Ansatz neuer Schulden „genau der falsche Weg“sei. Unionsfraktionsvize Jens Spahn sieht sich durch diese Uneinigkeit in Sachen Sondervermögen in seiner Kritik am Wirtschaftsminister nur bestärkt. „Bevor Sie uns Zusammenarbeit anbieten, sorgen Sie erstmal für Zusammenhalt in der Koalition“, ruft Spahn in Richtung Habeck.
Am Donnerstag wird dann auch bekannt, dass sich der Bundesrat am Freitag nicht mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz befassen wird, wohl auf Druck der unionsgeführten Länder hin. Das Gesetz enthält entscheidende Änderungen am Haushalt 2024, darunter die geplante Streichung von Diesel-Steuervergünstigungen für Landwirte. Zwar ist das Gesetz im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, doch die Länderkammer kann seine Verabschiedung verzögern. Dazu soll es nun kommen. Die nächste reguläre Sitzung des Bundesrats ist für den 22. März geplant.
Einig sind sich Habeck, die AmpelFraktionen und die Union nur in der Ablehnung der AfD. Von dort sind am Donnerstag besonders scharfe Töne zu hören. „Die sogenannte Energiewende ist unbezahlbar“, so der AfD-Abgeordnete Wolfgang Wiehle, sie müsse „gestoppt werden“. Er spricht von grüner Ideologie. „Sie hätten bei Ihrer Ideologie den Rotstift ansetzen müssen“, so Wiehle. Den Rotstift, den er Habeck übergeben will, nimmt der Minister natürlich nicht entgegen. Und auch die Laterne bleibt bei der Union.