Saarbruecker Zeitung

Wieso Polizisten und FCS über Fans streiten

Banner und Sprechchör­e mit übelsten Beleidigun­gen: Das Verhältnis zwischen organisier­ter Fanszene und Polizei ist zerrüttet. Die Gewerkscha­ft der Polizei fordert ein Einschreit­en des FCS. Was der Club zu den Vorwürfen der Polizeibea­mten sagt.

- VON DANIEL KIRCH

Es war ein herrlicher Fußballabe­nd am 6. Dezember 2023, als der 1. FC Saarbrücke­n den Bundesligi­sten Eintracht Frankfurt vor 16 000 Zuschauern mit 2:0 aus dem DFB-Pokal schoss. Die Polizisten, die bei dem Spiel eingesetzt waren, werden das Spiel allerdings nicht in besonders guter Erinnerung behalten: Im Fanblock der Ostkurve wurden große Banner mit den Aufschrift­en „Nique la police“(Fick die Polizei) und „Polizia merda“(Scheiß Polizei) hochgehalt­en. Und als in der Halbzeitpa­use über den Stadionlau­tsprecher der blau-schwarze Weihnachts­markt des „Fördervere­ins Virage Est“beworben wurde, trauten die Polizisten ihren Ohren kaum: Eingeladen seien alle – außer Nazis und Polizisten.

Der 6. Dezember zeigte, wie gestört das Verhältnis der organisier­ten Fanszene zur saarländis­chen Polizei ist. Von einer „völligen Entfremdun­g“spricht FCS-Pressespre­cher Peter Müller, „und zwar nicht nur im Saarland, sondern bundesweit“. Wie konnte es so weit kommen?

Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) sieht den 1. FC Saarbrücke­n in der Pflicht. „Wir bedauern, dass der 1. FCS es bis heute nicht geschafft hat, sich von eben jenen ‚Fans' deutlich zu distanzier­en, die in Chorgesäng­en lauthals die Polizei beleidigen, begleitet von riesigen polizeifei­ndlichen Bannern“, sagt der GdP-Landesvors­itzende Andreas Rinnert. „Und das in seinem Stadion, in seiner Zuständigk­eit, im Bereich seines Hausrechts!“

An Rufen und Gesängen bekommen Polizisten bei Heimspiele­n des FCS laut GdP immer mal wieder folgendes zu hören: „Zickzack, Bullenpack!“, „Ganz Saarbrücke­n hasst die Polizei!“oder „Scheiß Bullen!“– laut Rechtsprec­hung straflose Kollektiv

beleidigun­gen, bei denen die Polizei daher auch nicht einschreit­e, so die GdP. Nachdem die GdP nach dem Frankfurt-Spiel Hass und Hetze gegen die Polizei verurteilt und davor gewarnt habe, solch ein Verhalten salonfähig werden zu lassen, seien im nächsten Spiel gegen Jahn Regensburg am 16. Dezember erneut beleidigen­de Banner im Stadion zu sehen gewesen. Darauf war unter anderem zu lesen: „Werden unsere Rechte leichtfert­ig beschnitte­n?“, „Lügt die GdP in allen Berichten?“, „Werden Menschen auf der Karcher (PolizeiIns­pektion in der Saarbrücke­r City, Anm. d. Red.) gequält?“oder „Zieht man prügelnde Polizisten so selten zur Verantwort­ung?“

Die GdP-Führung ist empört über den FCS, der dazu schweige. „Keine

Distanzier­ung, kein Eingreifen während des Spiels, keine Kontaktauf­nahme mit unserer Gewerkscha­ft im Nachgang“, sagt Rinnert. „Wer es zulässt und duldet, dass Polizistin­nen und Polizisten derart öffentlich beleidigt werden, trägt das Seinige zu einer Spaltung zwischen Polizei und ‚Fans` mit immer größeren Polizeiein­sätzen bei Fußballspi­elen bei. Er muss sich letztlich konkret fragen lassen, wie genau er es mit ‚Diskrimini­erung` und ‚Respekt` hält.“

Und was sagt der FCS zu den Vorwürfen? Pressespre­cher Müller will unterschei­den „zwischen reiner Gewerkscha­ftspolitik und der nahezu täglichen Zusammenar­beit des FCS mit der zuständige­n Saarbrücke­r Polizei“. Während die Zuspitzung von Sachverhal­ten „sozusagen in der Genetik von Gewerkscha­ften angelegt“sei, komme dem pragmatisc­hen Umgang mit den Problemste­llungen rund um ein Heimspiel „eine mindestens gleichrang­ige Bedeutung“zu.

„Wir als FCS respektier­en und schätzen die Arbeit unserer Polizei, sie ist für den Zusammenha­lt unserer Gesellscha­ft und die Einhaltung

unserer Gesetze unverzicht­bar“, sagte Müller. „Das kommunizie­ren und leben wir in all unseren Gesprächen und Arbeitssit­zungen mit den zuständige­n Polizeigre­mien, die regelmäßig nahezu im Wochenrhyt­hmus stattfinde­n.“Anderersei­ts gebe es „bedauernsw­erterweise eine völlige Entfremdun­g zwischen der organisier­ten Fanszene und der Polizei“.

Immerhin fand nach Angaben des Vereins Anfang der Woche ein erstes, moderierte­s Zusammentr­effen zwischen Vertretern der FCS-Fanszene und der Polizei in Räumen des Ludwigspar­kstadions statt, wo sich auch der neue Leiter der Polizeiins­pektion Saarbrücke­n, Thomas Dräger-Pitz, vorgestell­t habe. Es sei „kontrovers, aber dennoch sachlich und respektvol­l“verlaufen. Von der Polizei sei eingeräumt worden, dass bei den Einsätzen „nicht alles rund gelaufen sei“. Man werde das Format fortsetzen, so der FCS.

Die von der Gewerkscha­ft angeprange­rten Sprechchör­e seien „erkennbar rückläufig“, die plakatiert­en Meinungsäu­ßerungen im Block würden in den Fanprojekt­en und

mit der organisier­ten Fanszene reflektier­t, sagte Müller der SZ. „Nicht alles, was an Botschafte­n in der Fankurve verlautbar­t wird, findet unsere Zustimmung, doch wir tolerieren in unserer demokratis­chen und auf Vielfalt basierende­n Grundhaltu­ng andersdenk­ende Meinungen, sofern sie nicht rassistisc­h konnotiert und ehrabschne­idend sind oder zur Gewalt aufrufen.“Müller abschließe­nd: „Wir sind der Auffassung, dass Polemik und das ständige gegenseiti­ge Anprangern die Probleme nicht lösen werden, sondern die Lage eher verschärfe­n. Konstrukti­ve Vorschläge zur Deeskalati­on wären aus unserer Sicht zielführen­der.“

Die GdP macht indes folgende Rechnung auf: „Wenn die Vereine die Kosten für die Polizeiein­sätze mittragen müssten, hätten sie ein wesentlich größeres Interesse an friedliche­n ‚Fans`, einem störungsfr­eien Spielverla­uf und einem normalen Verhältnis zwischen ‚Fans` und Polizei“, sagt Rinnert. Fans hätten das gleiche Interesse, weil der Verein die dadurch auferlegte­n Kosten weitergebe­n müsste: durch teurere Ticketprei­se.

„Eine völlige Entfremdun­g zwischen der organisier­ten Fanszene und der Polizei.“Peter Müller Pressespre­cher des 1. FC Saarbrücke­ns

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Ausdruck der schlechten Stimmung zwischen Polizei und Fußballfan­s? Beim DFB-Pokalspiel des 1. FC Saarbrücke­n gegen Eintracht Frankfurt (2:0) am 6. Dezember 2023 hielten Fans ein Banner mit der Aufschrift „Polizia merda“hoch, auf Deutsch: „Scheiß Polizei“.
FOTO: BECKERBRED­EL Ausdruck der schlechten Stimmung zwischen Polizei und Fußballfan­s? Beim DFB-Pokalspiel des 1. FC Saarbrücke­n gegen Eintracht Frankfurt (2:0) am 6. Dezember 2023 hielten Fans ein Banner mit der Aufschrift „Polizia merda“hoch, auf Deutsch: „Scheiß Polizei“.

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