Wieso Polizisten und FCS über Fans streiten
Banner und Sprechchöre mit übelsten Beleidigungen: Das Verhältnis zwischen organisierter Fanszene und Polizei ist zerrüttet. Die Gewerkschaft der Polizei fordert ein Einschreiten des FCS. Was der Club zu den Vorwürfen der Polizeibeamten sagt.
Es war ein herrlicher Fußballabend am 6. Dezember 2023, als der 1. FC Saarbrücken den Bundesligisten Eintracht Frankfurt vor 16 000 Zuschauern mit 2:0 aus dem DFB-Pokal schoss. Die Polizisten, die bei dem Spiel eingesetzt waren, werden das Spiel allerdings nicht in besonders guter Erinnerung behalten: Im Fanblock der Ostkurve wurden große Banner mit den Aufschriften „Nique la police“(Fick die Polizei) und „Polizia merda“(Scheiß Polizei) hochgehalten. Und als in der Halbzeitpause über den Stadionlautsprecher der blau-schwarze Weihnachtsmarkt des „Fördervereins Virage Est“beworben wurde, trauten die Polizisten ihren Ohren kaum: Eingeladen seien alle – außer Nazis und Polizisten.
Der 6. Dezember zeigte, wie gestört das Verhältnis der organisierten Fanszene zur saarländischen Polizei ist. Von einer „völligen Entfremdung“spricht FCS-Pressesprecher Peter Müller, „und zwar nicht nur im Saarland, sondern bundesweit“. Wie konnte es so weit kommen?
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht den 1. FC Saarbrücken in der Pflicht. „Wir bedauern, dass der 1. FCS es bis heute nicht geschafft hat, sich von eben jenen ‚Fans' deutlich zu distanzieren, die in Chorgesängen lauthals die Polizei beleidigen, begleitet von riesigen polizeifeindlichen Bannern“, sagt der GdP-Landesvorsitzende Andreas Rinnert. „Und das in seinem Stadion, in seiner Zuständigkeit, im Bereich seines Hausrechts!“
An Rufen und Gesängen bekommen Polizisten bei Heimspielen des FCS laut GdP immer mal wieder folgendes zu hören: „Zickzack, Bullenpack!“, „Ganz Saarbrücken hasst die Polizei!“oder „Scheiß Bullen!“– laut Rechtsprechung straflose Kollektiv
beleidigungen, bei denen die Polizei daher auch nicht einschreite, so die GdP. Nachdem die GdP nach dem Frankfurt-Spiel Hass und Hetze gegen die Polizei verurteilt und davor gewarnt habe, solch ein Verhalten salonfähig werden zu lassen, seien im nächsten Spiel gegen Jahn Regensburg am 16. Dezember erneut beleidigende Banner im Stadion zu sehen gewesen. Darauf war unter anderem zu lesen: „Werden unsere Rechte leichtfertig beschnitten?“, „Lügt die GdP in allen Berichten?“, „Werden Menschen auf der Karcher (PolizeiInspektion in der Saarbrücker City, Anm. d. Red.) gequält?“oder „Zieht man prügelnde Polizisten so selten zur Verantwortung?“
Die GdP-Führung ist empört über den FCS, der dazu schweige. „Keine
Distanzierung, kein Eingreifen während des Spiels, keine Kontaktaufnahme mit unserer Gewerkschaft im Nachgang“, sagt Rinnert. „Wer es zulässt und duldet, dass Polizistinnen und Polizisten derart öffentlich beleidigt werden, trägt das Seinige zu einer Spaltung zwischen Polizei und ‚Fans` mit immer größeren Polizeieinsätzen bei Fußballspielen bei. Er muss sich letztlich konkret fragen lassen, wie genau er es mit ‚Diskriminierung` und ‚Respekt` hält.“
Und was sagt der FCS zu den Vorwürfen? Pressesprecher Müller will unterscheiden „zwischen reiner Gewerkschaftspolitik und der nahezu täglichen Zusammenarbeit des FCS mit der zuständigen Saarbrücker Polizei“. Während die Zuspitzung von Sachverhalten „sozusagen in der Genetik von Gewerkschaften angelegt“sei, komme dem pragmatischen Umgang mit den Problemstellungen rund um ein Heimspiel „eine mindestens gleichrangige Bedeutung“zu.
„Wir als FCS respektieren und schätzen die Arbeit unserer Polizei, sie ist für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und die Einhaltung
unserer Gesetze unverzichtbar“, sagte Müller. „Das kommunizieren und leben wir in all unseren Gesprächen und Arbeitssitzungen mit den zuständigen Polizeigremien, die regelmäßig nahezu im Wochenrhythmus stattfinden.“Andererseits gebe es „bedauernswerterweise eine völlige Entfremdung zwischen der organisierten Fanszene und der Polizei“.
Immerhin fand nach Angaben des Vereins Anfang der Woche ein erstes, moderiertes Zusammentreffen zwischen Vertretern der FCS-Fanszene und der Polizei in Räumen des Ludwigsparkstadions statt, wo sich auch der neue Leiter der Polizeiinspektion Saarbrücken, Thomas Dräger-Pitz, vorgestellt habe. Es sei „kontrovers, aber dennoch sachlich und respektvoll“verlaufen. Von der Polizei sei eingeräumt worden, dass bei den Einsätzen „nicht alles rund gelaufen sei“. Man werde das Format fortsetzen, so der FCS.
Die von der Gewerkschaft angeprangerten Sprechchöre seien „erkennbar rückläufig“, die plakatierten Meinungsäußerungen im Block würden in den Fanprojekten und
mit der organisierten Fanszene reflektiert, sagte Müller der SZ. „Nicht alles, was an Botschaften in der Fankurve verlautbart wird, findet unsere Zustimmung, doch wir tolerieren in unserer demokratischen und auf Vielfalt basierenden Grundhaltung andersdenkende Meinungen, sofern sie nicht rassistisch konnotiert und ehrabschneidend sind oder zur Gewalt aufrufen.“Müller abschließend: „Wir sind der Auffassung, dass Polemik und das ständige gegenseitige Anprangern die Probleme nicht lösen werden, sondern die Lage eher verschärfen. Konstruktive Vorschläge zur Deeskalation wären aus unserer Sicht zielführender.“
Die GdP macht indes folgende Rechnung auf: „Wenn die Vereine die Kosten für die Polizeieinsätze mittragen müssten, hätten sie ein wesentlich größeres Interesse an friedlichen ‚Fans`, einem störungsfreien Spielverlauf und einem normalen Verhältnis zwischen ‚Fans` und Polizei“, sagt Rinnert. Fans hätten das gleiche Interesse, weil der Verein die dadurch auferlegten Kosten weitergeben müsste: durch teurere Ticketpreise.
„Eine völlige Entfremdung zwischen der organisierten Fanszene und der Polizei.“Peter Müller Pressesprecher des 1. FC Saarbrückens