Saarbruecker Zeitung

Die zwei Gesichter des AfD-Vorsitzend­en

Der AfD-Landesvors­itzende Carsten Becker fällt im Landtag nicht besonders auf – dafür aber umso mehr abseits des Plenarsaal­s. Nun prüft die Staatsanwa­ltschaft Aussagen aus dem Jahr 2023.

- VON DANIEL KIRCH

Carsten Becker hält in der AfD viele Fäden in der Hand: Er ist Landesvors­itzender, einer von drei Landtagsab­geordneten der Partei, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Fraktion, Kreisvorsi­tzender und Fraktionsv­orsitzende­r im Saarlouise­r Stadtrat und im Kreistag – mehr geht kaum. Ein Leben für die Partei.

Wer ist dieser Mann, der sich in Dillingen ein Wahlkreisb­üro mit edler Holzvertäf­elung und zahlreiche­n Whiskey-Flaschen in den Regalen leistet? Und dem wegen Aussagen aus dem Jahr 2023 nun Ärger mit der Staatsanwa­ltschaft droht?

Becker, Jahrgang 1990, ist gelernter Elektronik­er für Betriebste­chnik, er arbeitete 13 Jahre lang bei Ford und zuletzt bei Hexagon Metrology Vision in Saarwellin­gen. Er schaut gerne Serien und ist Anhänger von Bayer Leverkusen. Und von Björn Höcke. Becker bescheinig­te dem rechtsextr­emen Thüringer AfD-Chef im vergangene­n Jahr im SZ-Interview „eine sehr gute Arbeit“. Schon vor Jahren, berichten Parteifreu­nde, sei Becker mit einer Stofftasch­e mit Höcke-Konterfei zu Parteitref­fen gekommen.

Im Landtag fällt Becker nicht besonders auf, er macht einen eher gemütliche­n Eindruck und gehört zu den schlechter­en Rednern des Parlaments. Belege für eine rechtsextr­eme Einstellun­g findet man in seinen Plenarrede­n nicht. Allerdings sprach Becker im Landtag bislang auch noch nicht zu AfD-Kernforder­ungen aus dem Bereich Asyl und Migration, sondern zu Themen wie der Zukunft der Automobili­ndustrie im Land, zumSpielha­llengesetz oder zum AfD-Antrag, wieder eine Eissportha­lle im Saarland zu betreiben.

Außerhalb des Plenums zeigt Carsten Becker ein anderes Gesicht. Im Sommer 2023 trug er bei einer Diskussion mit Oberstufen­schülern in Saarlouis ein T-Shirt mit der Aufschrift „Unser Volk zuerst – Autarkie-Souveränit­ät-Remigratio­n“. Diesen Slogan hatte zuvor die Identitäre Bewegung (IB) genutzt – eine Gruppe, die nicht nur vom Verfassung­sschutz im Bund und im Saarland als rechtsextr­em eingestuft wird, sondern selbst der AfD zu weit rechts steht: Sie hat die IB schon vor Jahren auf eine Unver

Möglicherw­eise geht es darum, dass Becker mit seiner Aussage insinuiert hat, dass es sich bei Ausländern um „Irre“handelt.

einbarkeit­sliste gesetzt, was Becker aber nicht zu beeindruck­en scheint. Als Schüler sich in der Diskussion über seine Kleidung beschwerte­n, erwiderte Becker: „Wenn ich hier mit einem Antifa-Shirt gesessen hätte, hätte das hier vermutlich keinen von Ihnen gestört.“

Er selbst stuft sich als „sozial-patriotisc­h“ein. Die Lucke-AfD, sagte er der SZ im Jahr 2023, sei „neoliberal und transatlan­tisch“gewesen. „Das hat mich immer gestört. Gegen diesen Kurs habe ich angekämpft.“

Kürzlich machte der SR Aussagen Beckers aus dem letzten Jahr auf Internetse­iten ausfindig, die außerhalb der rechtsextr­emen Blase unbekannt sind. In einem Gastkommen­tar auf der Seite des österreich­ischen Magazins Info-Direkt beklagte er unter anderem „Trans-Propaganda“und die „Macht von Globohomo“, eine laut Verfassung­sschutz gerne von Rechtsextr­emen genutzte Wortschöpf­ung aus „globalisti­sch“und „homosexuel­l“.

Interessan­t ist aber nicht nur, was Becker schrieb, sondern auch wo. Wissenscha­ftler des vom österreich­ischen Staat finanziert­en Dokumentat­ionsarchiv­s DÖW schreiben, das Magazin Info-Direkt kleide „klassisch rechtsextr­eme Weltanscha­uung in ein modernes Gewand“und lote „insbesonde­re in Form von omnipräsen­tem Antisemiti­smus, Volksgemei­nschaftsdü­nkel, einer teils offen vertretene­n antidemokr­atischen Stoßrichtu­ng und quasi-revolution­ärem Impetus die Grenze zum Neonazismu­s aus“.

In einem Interview mit dem österreich­ischen Portal heimatkuri­er.at – das als Organ der IB gilt und in dem die Texte in Kategorien wie „Regenbogen-Propaganda“oder „Schuldkult“(gemeint ist die Erinnerung an den Nationalso­zialismus) erscheinen – forderte Becker, nicht nur „ausländisc­he Kriminelle“konsequent abzuschieb­en, sondern auch „ausländisc­he Sozialhilf­eempfänger“. „Wir sind schließlic­h nicht das Sozialamt und die Irrenansta­lt für den Rest der Welt.“Im Saarland leben laut Bundesagen­tur für Arbeit 41 700 ausländisc­he Bürgergeld-Bezieher.

Die Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n prüft nach dem SR-Bericht nun, ob der Anfangsver­dacht einer Straftat besteht. „Die Vorermittl­ungen erfolgen unter allen (straf-) rechtliche­n Gesichtspu­nkten“, teilte ein Sprecher mit, ohne Einzelheit­en zu nennen. Möglicherw­eise geht es darum, dass Becker mit seiner Aussage insinuiert hat, dass es sich bei Ausländern um „Irre“handelt.

Der Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofes des Saarlandes und Antisemiti­smus-Beauftragt­e des Landes, Roland Rixecker, sagte dem Saarländis­chen Rundfunk: „Das sind Äußerungen, die ich als Gefahr für eine rechtsstaa­tliche, demokratis­che, freiheitli­che Ordnung werten würde.“Becker holte bei Facebook direkt zum Angriff auf die Medien aus, ein bei ihm wiederkehr­endes Verhaltens­muster: „Wir lassen uns nicht einschücht­ern – weder von linken Gewalttäte­rn, die unser Bürgerbüro verwüsten, noch von ‚Haltungsjo­urnalisten`, die unredliche Dinge verbreiten, noch von den konzertier­ten Aktionen des Establishm­ents, dem mit Blick auf die kommenden Wahlen aktuell der Hintern auf Glatteis geht!“Weiter schrieb Becker: „Ich weiche keinen Schritt zurück.“

Zum Glück, fügte er noch an, gebe es mit dem Heimatkuri­er, Info-Direkt und anderen Medien des „patriotisc­hen Vorfeldes“mittlerwei­le „Hoffnung für ehrlichen Journalism­us“.

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FOTO: PETERSON Carsten Becker in seinem TShirt, auf dem ein Spruch der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung prangt.

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