Die zwei Gesichter des AfD-Vorsitzenden
Der AfD-Landesvorsitzende Carsten Becker fällt im Landtag nicht besonders auf – dafür aber umso mehr abseits des Plenarsaals. Nun prüft die Staatsanwaltschaft Aussagen aus dem Jahr 2023.
Carsten Becker hält in der AfD viele Fäden in der Hand: Er ist Landesvorsitzender, einer von drei Landtagsabgeordneten der Partei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, Kreisvorsitzender und Fraktionsvorsitzender im Saarlouiser Stadtrat und im Kreistag – mehr geht kaum. Ein Leben für die Partei.
Wer ist dieser Mann, der sich in Dillingen ein Wahlkreisbüro mit edler Holzvertäfelung und zahlreichen Whiskey-Flaschen in den Regalen leistet? Und dem wegen Aussagen aus dem Jahr 2023 nun Ärger mit der Staatsanwaltschaft droht?
Becker, Jahrgang 1990, ist gelernter Elektroniker für Betriebstechnik, er arbeitete 13 Jahre lang bei Ford und zuletzt bei Hexagon Metrology Vision in Saarwellingen. Er schaut gerne Serien und ist Anhänger von Bayer Leverkusen. Und von Björn Höcke. Becker bescheinigte dem rechtsextremen Thüringer AfD-Chef im vergangenen Jahr im SZ-Interview „eine sehr gute Arbeit“. Schon vor Jahren, berichten Parteifreunde, sei Becker mit einer Stofftasche mit Höcke-Konterfei zu Parteitreffen gekommen.
Im Landtag fällt Becker nicht besonders auf, er macht einen eher gemütlichen Eindruck und gehört zu den schlechteren Rednern des Parlaments. Belege für eine rechtsextreme Einstellung findet man in seinen Plenarreden nicht. Allerdings sprach Becker im Landtag bislang auch noch nicht zu AfD-Kernforderungen aus dem Bereich Asyl und Migration, sondern zu Themen wie der Zukunft der Automobilindustrie im Land, zumSpielhallengesetz oder zum AfD-Antrag, wieder eine Eissporthalle im Saarland zu betreiben.
Außerhalb des Plenums zeigt Carsten Becker ein anderes Gesicht. Im Sommer 2023 trug er bei einer Diskussion mit Oberstufenschülern in Saarlouis ein T-Shirt mit der Aufschrift „Unser Volk zuerst – Autarkie-Souveränität-Remigration“. Diesen Slogan hatte zuvor die Identitäre Bewegung (IB) genutzt – eine Gruppe, die nicht nur vom Verfassungsschutz im Bund und im Saarland als rechtsextrem eingestuft wird, sondern selbst der AfD zu weit rechts steht: Sie hat die IB schon vor Jahren auf eine Unver
Möglicherweise geht es darum, dass Becker mit seiner Aussage insinuiert hat, dass es sich bei Ausländern um „Irre“handelt.
einbarkeitsliste gesetzt, was Becker aber nicht zu beeindrucken scheint. Als Schüler sich in der Diskussion über seine Kleidung beschwerten, erwiderte Becker: „Wenn ich hier mit einem Antifa-Shirt gesessen hätte, hätte das hier vermutlich keinen von Ihnen gestört.“
Er selbst stuft sich als „sozial-patriotisch“ein. Die Lucke-AfD, sagte er der SZ im Jahr 2023, sei „neoliberal und transatlantisch“gewesen. „Das hat mich immer gestört. Gegen diesen Kurs habe ich angekämpft.“
Kürzlich machte der SR Aussagen Beckers aus dem letzten Jahr auf Internetseiten ausfindig, die außerhalb der rechtsextremen Blase unbekannt sind. In einem Gastkommentar auf der Seite des österreichischen Magazins Info-Direkt beklagte er unter anderem „Trans-Propaganda“und die „Macht von Globohomo“, eine laut Verfassungsschutz gerne von Rechtsextremen genutzte Wortschöpfung aus „globalistisch“und „homosexuell“.
Interessant ist aber nicht nur, was Becker schrieb, sondern auch wo. Wissenschaftler des vom österreichischen Staat finanzierten Dokumentationsarchivs DÖW schreiben, das Magazin Info-Direkt kleide „klassisch rechtsextreme Weltanschauung in ein modernes Gewand“und lote „insbesondere in Form von omnipräsentem Antisemitismus, Volksgemeinschaftsdünkel, einer teils offen vertretenen antidemokratischen Stoßrichtung und quasi-revolutionärem Impetus die Grenze zum Neonazismus aus“.
In einem Interview mit dem österreichischen Portal heimatkurier.at – das als Organ der IB gilt und in dem die Texte in Kategorien wie „Regenbogen-Propaganda“oder „Schuldkult“(gemeint ist die Erinnerung an den Nationalsozialismus) erscheinen – forderte Becker, nicht nur „ausländische Kriminelle“konsequent abzuschieben, sondern auch „ausländische Sozialhilfeempfänger“. „Wir sind schließlich nicht das Sozialamt und die Irrenanstalt für den Rest der Welt.“Im Saarland leben laut Bundesagentur für Arbeit 41 700 ausländische Bürgergeld-Bezieher.
Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken prüft nach dem SR-Bericht nun, ob der Anfangsverdacht einer Straftat besteht. „Die Vorermittlungen erfolgen unter allen (straf-) rechtlichen Gesichtspunkten“, teilte ein Sprecher mit, ohne Einzelheiten zu nennen. Möglicherweise geht es darum, dass Becker mit seiner Aussage insinuiert hat, dass es sich bei Ausländern um „Irre“handelt.
Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes und Antisemitismus-Beauftragte des Landes, Roland Rixecker, sagte dem Saarländischen Rundfunk: „Das sind Äußerungen, die ich als Gefahr für eine rechtsstaatliche, demokratische, freiheitliche Ordnung werten würde.“Becker holte bei Facebook direkt zum Angriff auf die Medien aus, ein bei ihm wiederkehrendes Verhaltensmuster: „Wir lassen uns nicht einschüchtern – weder von linken Gewalttätern, die unser Bürgerbüro verwüsten, noch von ‚Haltungsjournalisten`, die unredliche Dinge verbreiten, noch von den konzertierten Aktionen des Establishments, dem mit Blick auf die kommenden Wahlen aktuell der Hintern auf Glatteis geht!“Weiter schrieb Becker: „Ich weiche keinen Schritt zurück.“
Zum Glück, fügte er noch an, gebe es mit dem Heimatkurier, Info-Direkt und anderen Medien des „patriotischen Vorfeldes“mittlerweile „Hoffnung für ehrlichen Journalismus“.