Arbeiten lohnt sich – mit höherem Mindestlohn noch mehr
Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes beklagt die aus seiner Sicht oft unsachliche Debatte beim Thema Bürgergeld und benennt den Niedriglohnsektor als eigentliches Kernproblem.
Populistische Debatten schaden der Demokratie massiv. Das sieht man bei der aktuellen Diskussion um das Bürgergeld. Hier wird oft verkürzt und mit überzogenen Zahlen eine Neiddebatte entfacht, die vom Kernproblem – dem großen Niedriglohnsektor – ablenkt. Nicht falsch verstehen: Man darf Bürgergeld kritisch diskutieren. Aber dann bitte basierend auf richtigen Fakten.
So ist oft von bis zur 3700 Euro für Bürgergeldempfänger die Rede. Wir haben nachgerechnet. Ein Single erhält im Saarland 979 Euro Bürgergeld, Alleinerziehende mit Kind (14 Jahre) 1700 Euro, ein Ehepaar mit zwei Kindern (acht und zwölf Jahre) 2610 Euro. Dabei geht es um das verfassungsrechtlich geforderte Existenzminimum. Die Untergrenze ist also nicht verhandelbar.
Die Rechnung der 3700 Euro bezieht sich auf eine besondere Situation: Wer – etwa aus gesundheitlichen Gründen – ins Bürgergeld rutscht (das kann jeden treffen), hat ein Jahr Zeit, sich auf die Arbeitssuche zu konzentrieren. Die Wohnkosten werden in voller Höhe übernommen. Hier werden die Kosten am Beispiel München aufgeführt, ein fürs Saarland wenig tauglicher Vergleich.
Ist man nach einem Jahr weiter im Bürgergeldbezug, werden die Wohnkosten überprüft. Es werden dann nur die angemessenen Kosten erstattet. Das heißt: Bürgergeld lässt erst mal die Chance, von allein wieder auf die Beine zu kommen, ohne große Eingriffe in die privaten Lebensumstände. Von Menschen, die nicht arbeiten wollen, kann da keine Rede sein.
Viele Bürgergeldempfänger pflegen Angehörige, besuchen Sprachkurse, holen eine Ausbildung nach, sind alleinerziehend, chronisch krank oder arbeiten und müssen bis auf Bürgergeld-Niveau aufstocken, weil der Lohn nicht zum Leben reicht. Keinesfalls sind sie pauschal faul. Von den 81 000 Bürgergeldberechtigten im Saarland gelten nur 25 600 als arbeitslos. 22 800 sind nichterwerbsfähig – und das sind in der Regel Kinder! Für schwarze Schafe gibt es weiterhin Sanktionsmöglichkeiten.
Ein weiteres beliebtes Argument: Arbeiten lohne sich nicht mehr. Hier die Gegenrechnung: Ein
Single erhält im Saarland 979 Euro Bürgergeld – bei einer Vollzeitstelle mit dem aktuellen Mindestlohn von 12,41 Euro sind es 1515 Euro (netto). Das Ehepaar mit zwei Kindern (2610 Euro Bürgergeld) hat 3326 Euro (Alleinverdiener/ Vollzeit/netto) und die Alleinerziehenden mit einem Kind (1700 Euro Bürgergeld) in Teilzeit (28 Stunden) hat 2272 Euro verfügbares Einkommen. Alles inklusive Kindergeld, Kindergeldzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss.
Wäre der Mindestlohn gleichzeitig mit dem Bürgergeld auf 14 Euro erhöht worden, wie von Gewerkschaften und Arbeitskammer gefordert, würde der Abstand noch höher ausfallen. Für unseren Single wären es dann 1656 Euro – also
677 Euro mehr als mit Bürgergeld.
Das Ehepaar mit zwei Kindern hätte 3490 Euro - 880 Euro mehr. Und die Alleinerziehende in Teilzeit käme auf 2356 Euro – 656 Euro mehr.
Die Beispiele zeigen: Arbeiten lohnt sich immer und noch mehr mit höherem Mindestlohn. Und sie machen deutlich, worüber die Debatte – wenn es tatsächlich um Gerechtigkeit geht – eher geführt werden sollte. Nämlich: Wie schaffen wir es, dass die Menschen mit ihrer Arbeit mehr verdienen. Im Saarland wird in mehr als jedem zehnten Beschäftigungsverhältnis nicht mehr als 13 Euro bezahlt. Das ist der eigentliche Skandal.