Saarbruecker Zeitung

„Dauerkrise­n-Modus schwebt über allem“

Der Bürgermeis­ter von Quierschie­d über die Energiekri­se, Haushaltsl­age und die kommenden Wahlen.

- DIE FRAGEN STELLTE ALINE PABST Produktion dieser Seite: Frank Kohler Lukas Ciya Taskiran

Herr Maurer, welche Themen haben Sie und die Gemeinde Quierschie­d im vergangene­n Jahr besonders beschäftig­t?

LUTZ MAURER Über allem schwebt der anhaltende Dauer-Krisenmodu­s, in dem wir uns quasi seit Beginn der Corona-Pandemie befinden. Noch vor deren Ende kam es vor nun schon fast zwei Jahren zum andauernde­n Angriffskr­ieg Russlands in der Ukraine und der damit verbundene­n Energiekri­se. Erneut standen wir vor der Herausford­erung, genügend Wohnraum für Geflüchtet­e zu finden – was uns mit Unterstütz­ung aus der Bevölkerun­g auch stets gelungen ist. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken. Aber vor allem die bis vor kurzem steigende Inflation und zuletzt der Kriegsausb­ruch im Nahen Osten sind Themen, die die Bürgerinne­n und Bürger beschäftig­en und belasten. Die Erfahrung, dass Kriege und Krisen in anderen Teilen des Kontinents oder gar der Welt sich so konkret für jeden Einzelnen auch in der Gemeinde Quierschie­d auswirken, war und ist natürlich auch für mich eine, die ich nicht gebraucht hätte.

Gab es auch positive Entwicklun­gen?

MAURER Ich bin sehr froh und auch ein bisschen stolz darauf, dass wir trotz der genannten Herausford­erungen vieles zu Gunsten der Bürgerinne­n und Bürger bewegen konnten. Grundlage dafür ist die sich seit Jahren verbessern­de Haushaltsl­age der Gemeinde, die mit dem positiven Haushaltsp­lan 2024 ihren vorläufige­n Höhepunkt erreicht hat. Wie es aussieht, dürfen wir nach 2022 auch 2023 mit einem positiven Jahreserge­bnis rechnen. Die finanziell­e Situation stellt nun einmal die Grundlage unserer Handlungsm­öglichkeit­en dar und die konnten wir deutlich ausweiten, was die gestiegene­n Investitio­nen in Straßensan­ierungen, Schulen, Kitas, Spielplätz­e und mehr zeigen. Diese Entwicklun­g ist, wie ich finde, äußerst positiv zu bewerten. Das gilt auch für die allgemeine wirtschaft­liche Entwicklun­g in der Gemeinde, die sich am Anstieg der Gewerbeste­uer-Einnahmen ablesen lässt – und zwar über den „Einmal-Effekt“durch den Betrieb des Kraftwerks Weiher hinaus. Darüber hinaus halte ich den Abschluss der Baustelle am Bahnhof Quierschie­d nach über einjährige­r Vollsperru­ng der Landstraße in diesem Bereich sowie den Beginn des Glasfaser-Ausbaus in der Gemeinde für sehr erfreulich­e Entwicklun­gen. Dazu zählt auch die Zusage, dass der Quierschie­der Bahnhof, wenn auch erst später, barrierefr­ei ausgebaut wird – sprich: einen Aufzug erhält. Hierfür hatte ich mich persönlich eingesetzt. Ich bin gespannt, wann es soweit ist.

Welche großen Investitio­nen und Projekte stehen 2024 an?

MAURER Allen voran der Bau des neuen Feuerwehrg­erätehause­s, für das wir dieses und nächstes Jahr insgesamt sieben Millionen Euro in den Haushalt eingestell­t haben. Es wird das größte Bauprojekt der jüngeren Geschichte der Gemeinde und wird im Laufe dieses Jahres an Fahrt gewinnen. Außerdem werden wir schnellstm­öglich eine neue Kita einrichten, die Freiwillig­e Ganztagssc­hule in Quierschie­d deutlich erweitern und die begonnenen Modernisie­rungen in den Grundschul­en weiterführ­en. Auch stehen der Bau eines Mehrgenera­tionenspie­lplatzes im Lasbachtal sowie die Planung einer Mountainbi­ke-Halde auf unserer Liste für das laufende Jahr.

Wie sieht es mit Bauvorhabe­n aus?

MAURER Erst kürzlich kam endlich Bewegung in das Projekt des Um- und Neubaus an der Gemeinscha­ftsschule Quierschie­d – einschließ­lich der für viele unserer Vereine wichtige Taubenfeld­halle. Bereits begonnen haben die Arbeiten am Triebener Platz. Sie werden

die vor einigen Jahren begonnenen Verschöner­ungsmaßnah­men in der Quierschie­der Ortsmitte abrunden und abschließe­n. Auch werden 2024 erste Maßnahmen im Rahmen der Neugestalt­ung der Ortsmitte in Fischbach-Camphausen umgesetzt. Im ersten Schritt wird der obere Bereich der Waldparkan­lage zu einem Rast-, Treff-, und Veranstalt­ungsort umgestalte­t. In Göttelborn rückt die Erschließu­ng eines neuen Gewerbegeb­ietes immer näher. Es wird auf einer Fläche in unmittelba­rer Nähe zum alten Wasserturm entstehen und lockt aufgrund seiner hervorrage­nden Lage am Autobahnkr­euz Saarbrücke­n schon jetzt zahlreiche Interessen­ten an.

Ein Thema, mit dem jede Gemeinde gerade kämpft: ausreichen­de KitaPlätze. Wie will Quierschie­d das Problem 2024 angehen?

MAURER Mit der Eröffnung der Krümelkist­e ist uns im vergangene­n Jahr ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gelungen. Mit der Errichtung einer neuen Kita am Standort des Medicus Gesundheit­szentrum („Alte Klinik“) für insgesamt sieben Gruppen wird zeitnah ein großer Schritt folgen.

Wie hat sich die Energiekri­se für Quierschie­d entwickelt?

MAURER Zunächst einmal war der Beginn der Krise auch bei uns mit Einsparung­en beim Verbrauch in verschiede­nen Bereichen verbunden, um den teilweise exorbitant­en Anstieg der Preise entgegenzu­wirken. Dies ist uns auch durchaus gelungen. Inzwischen hat sich die Lage am Energiemar­kt deutlich entspannt und die erst jüngst beschlosse­nen neuen Verträge mit den Versorgern konnten zu deutlich günstigere­n Konditione­n abgeschlos­sen werden. Zentraler Bestandtei­l dieser Thematik ist für viele Quierschie­der Bürgerinne­n und Bürger die Fernwärme. Über 2500 Haushalte sind bereits an das Fernwärme-Netz angeschlos­sen

und die Nachfrage ist in der jüngeren Vergangenh­eit deutlich gestiegen. Hier konnten wir uns aktiv einbringen und unter anderem durch öffentlich­e Informatio­nsveransta­ltungen einen weiteren Ausbau durch den Betreiber anregen. Inzwischen hat auch schon die Abfrage möglicher Interessen­ten begonnen.

Welche Klimaschut­z- und Anpassungs­maßnahmen hat Quierschie­d 2023 ergriffen und was ist darüber hinaus geplant?

MAURER Um dieses mit jedem Tag wichtiger werdende Thema angemessen zu begleiten, haben wir zum Jahresbegi­nn 2023 einen neuen Bauamts-Mitarbeite­r eingestell­t, der sich in Vollzeit vornehmlic­h um den Bereich Klima- und Umweltschu­tz und beispielsw­eise auch die Wärmeplanu­ng der Gemeinde kümmert. Bereits im Jahr 2014 hatte die Gemeinde Quierschie­d ein Klimaschut­zteilkonze­pt erstellen lassen, welches nun mit Augenmerk auf aktuelle Herausford­erungen und Bestimmung­en fortentwic­kelt wird. Außerdem werden hier seither die Saarland-Picobello-Aktionen in der Gemeinde und der World-CleanupDay koordinier­t, was im vergangene­n Jahr zu einer Rekordteil­nahme geführt hat. Darüber hinaus wurden einige Investitio­nen und Maßnahmen getätigt, die Anreize zu einer klimafreun­dlicheren Mobilität setzen sollen wie beispielsw­eise der Ausbau barrierefr­eier Bushaltest­ellen oder die Errichtung von Ladesäulen für Elektrofah­rzeuge. Für die Realisieru­ng von Projekten dieser Art sind die Förderproj­ekte ganz wichtig.

Auf welche Veranstalt­ungen können sich die Quierschie­der in diesem Jahr freuen?

MAURER Nachdem wir mit dem alljährlic­hen Knutfest und den ersten Kappensitz­ungen des Jahres gestartet sind, stehen als Nächstes am 9. Februar der Rathausstu­rm und am 11. Februar der Karnevalsu­mzug in unserer Gemeinde an. Dann werden auch 2024 wieder zahlreiche Veranstalt­ungen im Rahmen unseres ganzjährig­en Kulturprog­ramms in der Q.lisse, aber auch jene unserer vielen und sehr regen Vereine stattfinde­n. Natürlich das Wambefesch­d in Quierschie­d, das Fischbache­r Dorffest, Stadtradel­n, das Sommer-Ferienprog­ramm für Kinder und Jugendlich­e, die Tagesfahrt­en,

Infoverans­taltungen und Aktionen des Seniorenbe­irates, die Sportlereh­rung, der Hammeltanz, die Verleihung des Ehrenamtsp­reises, die „Q.Awards“und später dann die beliebten Weihnachts- und Adventsmär­kte in allen Gemeindebe­zirken.

Die Rufe nach einer Reform der Schuldenbr­emse werden immer lauter. Wie wirkt sich der Sparzwang auf Ihre Arbeit vor Ort aus?

MAURER Für mich gelten zwei Prinzipien: Zum einen möchte ich Einschnitt­e im Bereich des Bürgerserv­ice unbedingt vermeiden. Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, die Gemeindeve­rwaltung sollte heutzutage ein moderner Dienstleis­ter sein – und an diesem Ziel arbeiten wir. Zum anderen achte ich persönlich sehr darauf, dass wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglic­h ausschöpfe­n – vor allem die durchaus vorhandene­n Förderprog­ramme von Land, Bund und EU. Auch hierfür haben wir intern eine Umstruktur­ierung vorgenomme­n, was uns schon so manche Investitio­n ermöglicht hat.

Wie könnte die finanziell­e Situation der Kommunen verbessert werden?

MAURER Es wird ja viel über eine Art Bund-Kommunen-Pakt gesprochen – ähnlich dem Saarlandpa­kt der Landesregi­erung, womit die Altlasten der Kommunen abgebaut werden sollen. Meiner Meinung nach würde auch eine komplette Entschuldu­ng der Kommunen die finanziell­e Situation nicht nachhaltig verbessern. Das strukturel­le Defizit, das allein durch die Erfüllung der Pflichtauf­gaben wie der Schaffung von Kitaplätze­n und Ganztagesp­lätzen im Grundschul­bereich, die Unterbring­ung von Flüchtling­en, die Finanzieru­ng und den Erhalt des ÖPNV oder die Regionalve­rbandsumla­ge entsteht, können wir ohne externe Hilfe nicht einfach ausgleiche­n. Man müsste die finanziell­e Ausstattun­g der Kommu

nen von Grund auf neu denken, um eine nachhaltig­e Lösung zu finden, die Handlungss­pielräume schafft. Hierbei spielt natürlich auch die Neuausrich­tung des kommunalen Finanzausg­leichs eine wichtige Rolle.

Im Gemeindera­t ging es 2023 des Öfteren hoch her und dann stehen in wenigen Monaten auch noch Kommunalwa­hlen an. Erwarten Sie einen schmutzige­n Wahlkampf?

MAURER Grundsätzl­ich bin ich ein Freund von Diskussion­en – solange sie sachorient­iert, respektvol­l und zielorient­iert sind. Die allermeist­en Gemeindera­tsmitglied­er gehen so vor, suchen im konstrukti­ven Austausch mit der Gemeinde nach Lösungen, auch über Parteigren­zen hinweg. Das seit einiger Zeit vereinzelt­e Stimmen lauter werden und sich mit Populismus, wiederkehr­enden Falschauss­agen, permanente­n, teils persönlich­en Anschuldig­ungen erfolgreic­h Gehör verschaffe­n, ist neu und anstrengen­d, aber das müssen wir in einer Demokratie aushalten. Ich bin von Natur aus ein lösungsori­entierter Mensch und werde versuchen, die Wählerinne­n und Wähler mit guten Argumenten zu überzeugen. Davon, wie es mögliche weitere Kandidatin­nen und Kandidaten für die unterschie­dlichen Ämter angehen werden, muss ich mich aber überrasche­n lassen.

„Ich bin sehr froh und auch ein bisschen stolz darauf, dass wir trotz der genannten Herausford­erungen vieles zu Gunsten der Bürgerinne­n und Bürger bewegen konnten.“

„Man müsste die finanziell­e Ausstattun­g der Kommunen von Grund auf neu denken, um eine nachhaltig­e Lösung zu finden, die Handlungss­pielräume schafft.“

Was wünschen Sie sich ganz persönlich für 2024?

MAURER In erster Linie natürlich Gesundheit und Frieden. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass in unserer Gesellscha­ft wieder etwas mehr Gelassenhe­it einkehrt. Die – wie ja eingangs beschriebe­n – durchaus begründete Schwermüti­gkeit könnte vielleicht durch etwas mehr Zuversicht überwunden werden. Auch die seit einiger Zeit nahezu alle politische­n und gesellscha­ftlichen Debatten bestimmend­e Polarisier­ung könnte einer Rückkehr zu mehr Miteinande­r weichen. Gemeinsam zu agieren, auch wenn man nicht in allen Punkten einer Meinung ist, würde uns vieles leichter machen, statt sich an den Unterschie­den abzuarbeit­en.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Lutz Maurer (parteilos) setzt auf eine moderne Verwaltung – auch wenn das bei der allgemeine­n Finanzsitu­ation der Kommunen nicht einfach ist.
FOTO: IRIS MAURER Lutz Maurer (parteilos) setzt auf eine moderne Verwaltung – auch wenn das bei der allgemeine­n Finanzsitu­ation der Kommunen nicht einfach ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany