„Dauerkrisen-Modus schwebt über allem“
Der Bürgermeister von Quierschied über die Energiekrise, Haushaltslage und die kommenden Wahlen.
Herr Maurer, welche Themen haben Sie und die Gemeinde Quierschied im vergangenen Jahr besonders beschäftigt?
LUTZ MAURER Über allem schwebt der anhaltende Dauer-Krisenmodus, in dem wir uns quasi seit Beginn der Corona-Pandemie befinden. Noch vor deren Ende kam es vor nun schon fast zwei Jahren zum andauernden Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise. Erneut standen wir vor der Herausforderung, genügend Wohnraum für Geflüchtete zu finden – was uns mit Unterstützung aus der Bevölkerung auch stets gelungen ist. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken. Aber vor allem die bis vor kurzem steigende Inflation und zuletzt der Kriegsausbruch im Nahen Osten sind Themen, die die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen und belasten. Die Erfahrung, dass Kriege und Krisen in anderen Teilen des Kontinents oder gar der Welt sich so konkret für jeden Einzelnen auch in der Gemeinde Quierschied auswirken, war und ist natürlich auch für mich eine, die ich nicht gebraucht hätte.
Gab es auch positive Entwicklungen?
MAURER Ich bin sehr froh und auch ein bisschen stolz darauf, dass wir trotz der genannten Herausforderungen vieles zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger bewegen konnten. Grundlage dafür ist die sich seit Jahren verbessernde Haushaltslage der Gemeinde, die mit dem positiven Haushaltsplan 2024 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Wie es aussieht, dürfen wir nach 2022 auch 2023 mit einem positiven Jahresergebnis rechnen. Die finanzielle Situation stellt nun einmal die Grundlage unserer Handlungsmöglichkeiten dar und die konnten wir deutlich ausweiten, was die gestiegenen Investitionen in Straßensanierungen, Schulen, Kitas, Spielplätze und mehr zeigen. Diese Entwicklung ist, wie ich finde, äußerst positiv zu bewerten. Das gilt auch für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in der Gemeinde, die sich am Anstieg der Gewerbesteuer-Einnahmen ablesen lässt – und zwar über den „Einmal-Effekt“durch den Betrieb des Kraftwerks Weiher hinaus. Darüber hinaus halte ich den Abschluss der Baustelle am Bahnhof Quierschied nach über einjähriger Vollsperrung der Landstraße in diesem Bereich sowie den Beginn des Glasfaser-Ausbaus in der Gemeinde für sehr erfreuliche Entwicklungen. Dazu zählt auch die Zusage, dass der Quierschieder Bahnhof, wenn auch erst später, barrierefrei ausgebaut wird – sprich: einen Aufzug erhält. Hierfür hatte ich mich persönlich eingesetzt. Ich bin gespannt, wann es soweit ist.
Welche großen Investitionen und Projekte stehen 2024 an?
MAURER Allen voran der Bau des neuen Feuerwehrgerätehauses, für das wir dieses und nächstes Jahr insgesamt sieben Millionen Euro in den Haushalt eingestellt haben. Es wird das größte Bauprojekt der jüngeren Geschichte der Gemeinde und wird im Laufe dieses Jahres an Fahrt gewinnen. Außerdem werden wir schnellstmöglich eine neue Kita einrichten, die Freiwillige Ganztagsschule in Quierschied deutlich erweitern und die begonnenen Modernisierungen in den Grundschulen weiterführen. Auch stehen der Bau eines Mehrgenerationenspielplatzes im Lasbachtal sowie die Planung einer Mountainbike-Halde auf unserer Liste für das laufende Jahr.
Wie sieht es mit Bauvorhaben aus?
MAURER Erst kürzlich kam endlich Bewegung in das Projekt des Um- und Neubaus an der Gemeinschaftsschule Quierschied – einschließlich der für viele unserer Vereine wichtige Taubenfeldhalle. Bereits begonnen haben die Arbeiten am Triebener Platz. Sie werden
die vor einigen Jahren begonnenen Verschönerungsmaßnahmen in der Quierschieder Ortsmitte abrunden und abschließen. Auch werden 2024 erste Maßnahmen im Rahmen der Neugestaltung der Ortsmitte in Fischbach-Camphausen umgesetzt. Im ersten Schritt wird der obere Bereich der Waldparkanlage zu einem Rast-, Treff-, und Veranstaltungsort umgestaltet. In Göttelborn rückt die Erschließung eines neuen Gewerbegebietes immer näher. Es wird auf einer Fläche in unmittelbarer Nähe zum alten Wasserturm entstehen und lockt aufgrund seiner hervorragenden Lage am Autobahnkreuz Saarbrücken schon jetzt zahlreiche Interessenten an.
Ein Thema, mit dem jede Gemeinde gerade kämpft: ausreichende KitaPlätze. Wie will Quierschied das Problem 2024 angehen?
MAURER Mit der Eröffnung der Krümelkiste ist uns im vergangenen Jahr ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gelungen. Mit der Errichtung einer neuen Kita am Standort des Medicus Gesundheitszentrum („Alte Klinik“) für insgesamt sieben Gruppen wird zeitnah ein großer Schritt folgen.
Wie hat sich die Energiekrise für Quierschied entwickelt?
MAURER Zunächst einmal war der Beginn der Krise auch bei uns mit Einsparungen beim Verbrauch in verschiedenen Bereichen verbunden, um den teilweise exorbitanten Anstieg der Preise entgegenzuwirken. Dies ist uns auch durchaus gelungen. Inzwischen hat sich die Lage am Energiemarkt deutlich entspannt und die erst jüngst beschlossenen neuen Verträge mit den Versorgern konnten zu deutlich günstigeren Konditionen abgeschlossen werden. Zentraler Bestandteil dieser Thematik ist für viele Quierschieder Bürgerinnen und Bürger die Fernwärme. Über 2500 Haushalte sind bereits an das Fernwärme-Netz angeschlossen
und die Nachfrage ist in der jüngeren Vergangenheit deutlich gestiegen. Hier konnten wir uns aktiv einbringen und unter anderem durch öffentliche Informationsveranstaltungen einen weiteren Ausbau durch den Betreiber anregen. Inzwischen hat auch schon die Abfrage möglicher Interessenten begonnen.
Welche Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen hat Quierschied 2023 ergriffen und was ist darüber hinaus geplant?
MAURER Um dieses mit jedem Tag wichtiger werdende Thema angemessen zu begleiten, haben wir zum Jahresbeginn 2023 einen neuen Bauamts-Mitarbeiter eingestellt, der sich in Vollzeit vornehmlich um den Bereich Klima- und Umweltschutz und beispielsweise auch die Wärmeplanung der Gemeinde kümmert. Bereits im Jahr 2014 hatte die Gemeinde Quierschied ein Klimaschutzteilkonzept erstellen lassen, welches nun mit Augenmerk auf aktuelle Herausforderungen und Bestimmungen fortentwickelt wird. Außerdem werden hier seither die Saarland-Picobello-Aktionen in der Gemeinde und der World-CleanupDay koordiniert, was im vergangenen Jahr zu einer Rekordteilnahme geführt hat. Darüber hinaus wurden einige Investitionen und Maßnahmen getätigt, die Anreize zu einer klimafreundlicheren Mobilität setzen sollen wie beispielsweise der Ausbau barrierefreier Bushaltestellen oder die Errichtung von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. Für die Realisierung von Projekten dieser Art sind die Förderprojekte ganz wichtig.
Auf welche Veranstaltungen können sich die Quierschieder in diesem Jahr freuen?
MAURER Nachdem wir mit dem alljährlichen Knutfest und den ersten Kappensitzungen des Jahres gestartet sind, stehen als Nächstes am 9. Februar der Rathaussturm und am 11. Februar der Karnevalsumzug in unserer Gemeinde an. Dann werden auch 2024 wieder zahlreiche Veranstaltungen im Rahmen unseres ganzjährigen Kulturprogramms in der Q.lisse, aber auch jene unserer vielen und sehr regen Vereine stattfinden. Natürlich das Wambefeschd in Quierschied, das Fischbacher Dorffest, Stadtradeln, das Sommer-Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche, die Tagesfahrten,
Infoveranstaltungen und Aktionen des Seniorenbeirates, die Sportlerehrung, der Hammeltanz, die Verleihung des Ehrenamtspreises, die „Q.Awards“und später dann die beliebten Weihnachts- und Adventsmärkte in allen Gemeindebezirken.
Die Rufe nach einer Reform der Schuldenbremse werden immer lauter. Wie wirkt sich der Sparzwang auf Ihre Arbeit vor Ort aus?
MAURER Für mich gelten zwei Prinzipien: Zum einen möchte ich Einschnitte im Bereich des Bürgerservice unbedingt vermeiden. Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, die Gemeindeverwaltung sollte heutzutage ein moderner Dienstleister sein – und an diesem Ziel arbeiten wir. Zum anderen achte ich persönlich sehr darauf, dass wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglich ausschöpfen – vor allem die durchaus vorhandenen Förderprogramme von Land, Bund und EU. Auch hierfür haben wir intern eine Umstrukturierung vorgenommen, was uns schon so manche Investition ermöglicht hat.
Wie könnte die finanzielle Situation der Kommunen verbessert werden?
MAURER Es wird ja viel über eine Art Bund-Kommunen-Pakt gesprochen – ähnlich dem Saarlandpakt der Landesregierung, womit die Altlasten der Kommunen abgebaut werden sollen. Meiner Meinung nach würde auch eine komplette Entschuldung der Kommunen die finanzielle Situation nicht nachhaltig verbessern. Das strukturelle Defizit, das allein durch die Erfüllung der Pflichtaufgaben wie der Schaffung von Kitaplätzen und Ganztagesplätzen im Grundschulbereich, die Unterbringung von Flüchtlingen, die Finanzierung und den Erhalt des ÖPNV oder die Regionalverbandsumlage entsteht, können wir ohne externe Hilfe nicht einfach ausgleichen. Man müsste die finanzielle Ausstattung der Kommu
nen von Grund auf neu denken, um eine nachhaltige Lösung zu finden, die Handlungsspielräume schafft. Hierbei spielt natürlich auch die Neuausrichtung des kommunalen Finanzausgleichs eine wichtige Rolle.
Im Gemeinderat ging es 2023 des Öfteren hoch her und dann stehen in wenigen Monaten auch noch Kommunalwahlen an. Erwarten Sie einen schmutzigen Wahlkampf?
MAURER Grundsätzlich bin ich ein Freund von Diskussionen – solange sie sachorientiert, respektvoll und zielorientiert sind. Die allermeisten Gemeinderatsmitglieder gehen so vor, suchen im konstruktiven Austausch mit der Gemeinde nach Lösungen, auch über Parteigrenzen hinweg. Das seit einiger Zeit vereinzelte Stimmen lauter werden und sich mit Populismus, wiederkehrenden Falschaussagen, permanenten, teils persönlichen Anschuldigungen erfolgreich Gehör verschaffen, ist neu und anstrengend, aber das müssen wir in einer Demokratie aushalten. Ich bin von Natur aus ein lösungsorientierter Mensch und werde versuchen, die Wählerinnen und Wähler mit guten Argumenten zu überzeugen. Davon, wie es mögliche weitere Kandidatinnen und Kandidaten für die unterschiedlichen Ämter angehen werden, muss ich mich aber überraschen lassen.
„Ich bin sehr froh und auch ein bisschen stolz darauf, dass wir trotz der genannten Herausforderungen vieles zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger bewegen konnten.“
„Man müsste die finanzielle Ausstattung der Kommunen von Grund auf neu denken, um eine nachhaltige Lösung zu finden, die Handlungsspielräume schafft.“
Was wünschen Sie sich ganz persönlich für 2024?
MAURER In erster Linie natürlich Gesundheit und Frieden. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass in unserer Gesellschaft wieder etwas mehr Gelassenheit einkehrt. Die – wie ja eingangs beschrieben – durchaus begründete Schwermütigkeit könnte vielleicht durch etwas mehr Zuversicht überwunden werden. Auch die seit einiger Zeit nahezu alle politischen und gesellschaftlichen Debatten bestimmende Polarisierung könnte einer Rückkehr zu mehr Miteinander weichen. Gemeinsam zu agieren, auch wenn man nicht in allen Punkten einer Meinung ist, würde uns vieles leichter machen, statt sich an den Unterschieden abzuarbeiten.