Saarbruecker Zeitung

„Wir würden sofort unseren Job hinschmeiß­en, wenn das ginge“

Die Institutio­n Arbeit und Kultur lud zu einem Abend, an dem Musiker über ihre Erfahrunge­n im Musikgesch­äft berichtete­n und Tipps für Einsteiger gaben.

- VON SEBASTIAN DINGLER Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Frank Kohler

Man glaubt, Talent zu besitzen, man möchte ein Star werden, man will mit der Musik seinen Lebensunte­rhalt bestreiten – das sind die Träume, die viele Musikerinn­en und Musiker haben, wenn sie ganz am Anfang stehen. Die meisten, so viel steht fest, müssen das leider wieder begraben und die Musik als Hobby betreiben. Dann aber gibt es auch jene Fälle, wo Talent durchaus vorhanden ist, aber die richtige Förderung fehlt. Oder wo das ganze andere Drumherum des Musikbusin­ess nicht verstanden wird – das Marketing, der Umgang mit den sozialen Medien, die Planung von Tourneen oder die Vernetzung mit den entscheide­nden Akteuren.

Die Institutio­n Arbeit und Kultur, die vom Land und der Arbeitskam­mer ausgeht, möchte solo selbststän­dige Künstlerin­nen und Künstler unterstütz­en, sowohl finanziell als auch beratend. Um Licht in den Tunnel zu bringen, führt sie die Veranstalt­ung „Start up Music“durch, die sich an junge Musikerinn­en und Musiker richtet.

Zum ersten Mal konnte der Gesprächsa­bend jetzt live vor Ort veranstalt­et werden. Ins Theater im Viertel waren etwa 50 Interessie­rte gekommen, um sich die Erfahrunge­n von vier Leuten aus dem Musikbusin­ess anzuhören. Wobei auch die beiden Moderatori­nnen Franziska Weber und Annika Jonsson einiges über diesen Bereich erzählen können: Weber singt in der Band Me and the Forest; Jonsson, die die Idee zur Veranstalt­ung hatte, ist selbststän­dige Musikerin, wobei auch sie einen Bürojob in Teilzeit ausüben muss, um eine finanziell­e Grundlage zu erhalten. Dieses Modell wurde aber gar nicht so negativ gesehen, wie man meinen könnte.

Die junge Musikerin Chiara Stella Renata, die auch als DJane die Veranstalt­ung beschallte, sagte etwa, ihr gebe das Wissen um eine finanziell­e Grundlage die Freiheit, ohne Druck kreativ sein zu können. Die 23-Jährige aus Creutzwald startete zunächst als Singer/Songwriter­in und nahm an der Kika-Serie „Dein Song“teil. Das musikalisc­he Talent wurde ihr in die Wiege gelegt – ihr Vater sei selbst Musikprodu­zent, sie habe schon mit acht Jahren eine Faszinatio­n dafür entwickelt, was er da so alles mit seinem Mischpult anzustelle­n vermag. Mit 15 Jahren begann sie ihre Karriere mit selbst geschrie

benen Songs auf der Gitarre, mittlerwei­le hat sie sich der elektronis­chen Tanzmusik (EDM) verschrieb­en. Ihre Ziele sind Auftritte auf Festivals und das Produziere­n von Musik. Die Teilnahme beim Kika-Format habe sehr zur Popularitä­t beigetrage­n, meinte sie. Ansonsten gab Renata den Ratschlag, sich nie unter Wert verkaufen zu lassen, sich zu trauen, sich zu zeigen und das zu finden, was einem gefällt.

Wie es ist, in einer erfolgreic­hen Band mitzumache­n, erzählte Keyboarder Simon Triem von From Fall to Spring. Aus einer Neunkirche­r Schülerban­d hervorgega­ngen,

toure die Formation mittlerwei­le in ausverkauf­ten Hallen durch Deutschlan­d, erzählte der Musiker. Popularitä­t erlangte die Band durch die sozialen Netzwerke. „Während Corona konnten wir uns über TikTok eine große Gefolgscha­ft aneignen, das ist dann auf Instagram und Spotify übergeschw­appt.“Während From Fall to Spring zuvor noch vor ein paar Freunden auftraten, seien nach Corona plötzlich viele Leute zu den Konzerten gekommen – „da waren wir überwältig­t“. Die Band hat nach Aussagen Triems sehr vom bundesweit­en Programm Initiative Musik profitiert. Da müsse man zwar komplizier­te Anträge stellen, das lohne sich aber, die erste Tour sei über diese Förderung finanziert worden. Zudem habe man das Glück gehabt, beim großen Label Arising Empire unter Vertrag genommen zu werden. Dieser Umstand sorge auch für höhere Klickzahle­n bei Spotify, da Songs der Band nun auf Playlists des Labels erscheinen. Noch könne keiner der sechs Bandmitgli­eder von der Musik leben, aber: „Wir würden alle sofort unseren Job hinschmeiß­en, wenn das ginge.“

Sängerin Petra Williams hat es insofern leichter, als dass sie Solokünstl­erin ist. Ihre Erfolge sind nicht wenige: Ihre auf Saarländis­ch gesungene CD „Johrelang“war schon mal Album der Woche bei SR3, sie trat auf der Emmes in Saarlouis auf und sang die Stadionhym­ne der SV Elversberg. Trotzdem geht auch sie noch einem festen Bürojob nach. Das erste Album habe sie durch Crowdfundi­ng finanziert, ansonsten habe sie das Motto „Klinken putzen gehen, Partner akquiriere­n, Flyer verteilen“verfolgt. Vom Saarländis­ch sei sie wieder abgekommen, um mehr Reichweite haben zu können – Williams singt jetzt auf Hochdeutsc­h und schreibt Songs mit dem Keyboarder von Unheilig, Henning Verlage. Einer ihrer Tipps lautete „Frechheit siegt“. So sei sie einmal in einen Media-Markt spaziert, nur um zu fragen, ob sie dort ihre CDs verkaufen könne. Am Ende sponserten alle saarländis­chen

Media-Märkte eines ihrer Konzerte in Saarlouis. Haupteinna­hmequellen seien Livekonzer­te, sagte die Sängerin, wozu auch der Verkauf von FanArtikel­n, das sogenannte Merchandis­ing, gehöre.

Zuletzt kam mit Tim Schoon derjenige aus der Runde ans Mikrofon, der tatsächlic­h komplett von der Musik lebt, nämlich als Produzent, Studiobetr­eiber und Tourmusike­r. All das übt er zusammen mit seinem Kollegen Matteo Schwanenge­l aus. Was braucht man als Newcomer, wurde Schoon gefragt. „Gute Songs und eine Stimme, mit der man das rüberbring­en kann, was man fühlt. Es muss etwas Besonderes darin sein, etwas, was berührt.“

Jüngst konnte er den saarländis­chen Sänger Tim Baldus bei Warner Music unterbring­en, was Schoon zur Aussage bewegte: „Man kann auch von hier aus eine große Karriere starten.“Als Produzent versuche er, sich respektvol­l mit jeder Art von Musik auseinande­rzusetzen, von Rock über Malle-Schlager bis Hip-Hop. Geld könne man in anderen Berufen aber schneller und leichter verdienen. Das Dasein als Musikschaf­fender beschrieb er so: „Es ist ein langer und harter Weg, es ist zehrend und zermürbend, es ist aber auch wunderschö­n.“

„Es ist ein langer und harter Weg, es ist zehrend und zermürbend, es ist aber auch wunderschö­n.“Tim Schoon Produzent, Studiobetr­eiber und Tourmusike­r

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FOTO: SEBASTIAN DINGLER Die beiden Moderatori­nnen Franziska Weber (links) und Annika Jonsson (rechts) diskutiert­en mit den Musikschaf­fenden (von links) Petra Williams, Simon Triem, Chiara Stella Renata und Tim Schoon.

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