„Wir würden sofort unseren Job hinschmeißen, wenn das ginge“
Die Institution Arbeit und Kultur lud zu einem Abend, an dem Musiker über ihre Erfahrungen im Musikgeschäft berichteten und Tipps für Einsteiger gaben.
Man glaubt, Talent zu besitzen, man möchte ein Star werden, man will mit der Musik seinen Lebensunterhalt bestreiten – das sind die Träume, die viele Musikerinnen und Musiker haben, wenn sie ganz am Anfang stehen. Die meisten, so viel steht fest, müssen das leider wieder begraben und die Musik als Hobby betreiben. Dann aber gibt es auch jene Fälle, wo Talent durchaus vorhanden ist, aber die richtige Förderung fehlt. Oder wo das ganze andere Drumherum des Musikbusiness nicht verstanden wird – das Marketing, der Umgang mit den sozialen Medien, die Planung von Tourneen oder die Vernetzung mit den entscheidenden Akteuren.
Die Institution Arbeit und Kultur, die vom Land und der Arbeitskammer ausgeht, möchte solo selbstständige Künstlerinnen und Künstler unterstützen, sowohl finanziell als auch beratend. Um Licht in den Tunnel zu bringen, führt sie die Veranstaltung „Start up Music“durch, die sich an junge Musikerinnen und Musiker richtet.
Zum ersten Mal konnte der Gesprächsabend jetzt live vor Ort veranstaltet werden. Ins Theater im Viertel waren etwa 50 Interessierte gekommen, um sich die Erfahrungen von vier Leuten aus dem Musikbusiness anzuhören. Wobei auch die beiden Moderatorinnen Franziska Weber und Annika Jonsson einiges über diesen Bereich erzählen können: Weber singt in der Band Me and the Forest; Jonsson, die die Idee zur Veranstaltung hatte, ist selbstständige Musikerin, wobei auch sie einen Bürojob in Teilzeit ausüben muss, um eine finanzielle Grundlage zu erhalten. Dieses Modell wurde aber gar nicht so negativ gesehen, wie man meinen könnte.
Die junge Musikerin Chiara Stella Renata, die auch als DJane die Veranstaltung beschallte, sagte etwa, ihr gebe das Wissen um eine finanzielle Grundlage die Freiheit, ohne Druck kreativ sein zu können. Die 23-Jährige aus Creutzwald startete zunächst als Singer/Songwriterin und nahm an der Kika-Serie „Dein Song“teil. Das musikalische Talent wurde ihr in die Wiege gelegt – ihr Vater sei selbst Musikproduzent, sie habe schon mit acht Jahren eine Faszination dafür entwickelt, was er da so alles mit seinem Mischpult anzustellen vermag. Mit 15 Jahren begann sie ihre Karriere mit selbst geschrie
benen Songs auf der Gitarre, mittlerweile hat sie sich der elektronischen Tanzmusik (EDM) verschrieben. Ihre Ziele sind Auftritte auf Festivals und das Produzieren von Musik. Die Teilnahme beim Kika-Format habe sehr zur Popularität beigetragen, meinte sie. Ansonsten gab Renata den Ratschlag, sich nie unter Wert verkaufen zu lassen, sich zu trauen, sich zu zeigen und das zu finden, was einem gefällt.
Wie es ist, in einer erfolgreichen Band mitzumachen, erzählte Keyboarder Simon Triem von From Fall to Spring. Aus einer Neunkircher Schülerband hervorgegangen,
toure die Formation mittlerweile in ausverkauften Hallen durch Deutschland, erzählte der Musiker. Popularität erlangte die Band durch die sozialen Netzwerke. „Während Corona konnten wir uns über TikTok eine große Gefolgschaft aneignen, das ist dann auf Instagram und Spotify übergeschwappt.“Während From Fall to Spring zuvor noch vor ein paar Freunden auftraten, seien nach Corona plötzlich viele Leute zu den Konzerten gekommen – „da waren wir überwältigt“. Die Band hat nach Aussagen Triems sehr vom bundesweiten Programm Initiative Musik profitiert. Da müsse man zwar komplizierte Anträge stellen, das lohne sich aber, die erste Tour sei über diese Förderung finanziert worden. Zudem habe man das Glück gehabt, beim großen Label Arising Empire unter Vertrag genommen zu werden. Dieser Umstand sorge auch für höhere Klickzahlen bei Spotify, da Songs der Band nun auf Playlists des Labels erscheinen. Noch könne keiner der sechs Bandmitglieder von der Musik leben, aber: „Wir würden alle sofort unseren Job hinschmeißen, wenn das ginge.“
Sängerin Petra Williams hat es insofern leichter, als dass sie Solokünstlerin ist. Ihre Erfolge sind nicht wenige: Ihre auf Saarländisch gesungene CD „Johrelang“war schon mal Album der Woche bei SR3, sie trat auf der Emmes in Saarlouis auf und sang die Stadionhymne der SV Elversberg. Trotzdem geht auch sie noch einem festen Bürojob nach. Das erste Album habe sie durch Crowdfunding finanziert, ansonsten habe sie das Motto „Klinken putzen gehen, Partner akquirieren, Flyer verteilen“verfolgt. Vom Saarländisch sei sie wieder abgekommen, um mehr Reichweite haben zu können – Williams singt jetzt auf Hochdeutsch und schreibt Songs mit dem Keyboarder von Unheilig, Henning Verlage. Einer ihrer Tipps lautete „Frechheit siegt“. So sei sie einmal in einen Media-Markt spaziert, nur um zu fragen, ob sie dort ihre CDs verkaufen könne. Am Ende sponserten alle saarländischen
Media-Märkte eines ihrer Konzerte in Saarlouis. Haupteinnahmequellen seien Livekonzerte, sagte die Sängerin, wozu auch der Verkauf von FanArtikeln, das sogenannte Merchandising, gehöre.
Zuletzt kam mit Tim Schoon derjenige aus der Runde ans Mikrofon, der tatsächlich komplett von der Musik lebt, nämlich als Produzent, Studiobetreiber und Tourmusiker. All das übt er zusammen mit seinem Kollegen Matteo Schwanengel aus. Was braucht man als Newcomer, wurde Schoon gefragt. „Gute Songs und eine Stimme, mit der man das rüberbringen kann, was man fühlt. Es muss etwas Besonderes darin sein, etwas, was berührt.“
Jüngst konnte er den saarländischen Sänger Tim Baldus bei Warner Music unterbringen, was Schoon zur Aussage bewegte: „Man kann auch von hier aus eine große Karriere starten.“Als Produzent versuche er, sich respektvoll mit jeder Art von Musik auseinanderzusetzen, von Rock über Malle-Schlager bis Hip-Hop. Geld könne man in anderen Berufen aber schneller und leichter verdienen. Das Dasein als Musikschaffender beschrieb er so: „Es ist ein langer und harter Weg, es ist zehrend und zermürbend, es ist aber auch wunderschön.“
„Es ist ein langer und harter Weg, es ist zehrend und zermürbend, es ist aber auch wunderschön.“Tim Schoon Produzent, Studiobetreiber und Tourmusiker