Saarbruecker Zeitung

„Ein Monat allein reicht natürlich nicht“

Die Ernährungs­beraterin spricht über den veganen Januar („Veganuary“), was gesundes Essen ausmacht und wieso pflanzenba­sierte Nahrung das Klima schont.

- DIE FRAGEN STELLTE JANA RUPP. Produktion dieser Seite: Aline Pabst Frank Kohler, Lukas Ciya Taskiran

SAARLOUIS/ÜBERHERRN Vegan ins neue Jahr zu starten, gehört zu den populärste­n Neujahrsvo­rsätzen. Der Veganuary, der sich aus den englischen Worten für „vegan“und „Januar“zusammense­tzt, liegt immer mehr im Trend und soll sich vor allem positiv auf Klima, Umwelt und Tierwohl auswirken. Aber auch abseits dieses Monats ernähren sich immer mehr Menschen ohne tierische Produkte. Wir haben die 28-jährige Ernährungs­beraterin Jana Lützenkirc­hen aus Saarlouis gefragt, wie sinnvoll die Aktion ist und wie gesund eine vegane Ernährung überhaupt ist.

Frau Lützenkirc­hen, was bedeutet es, sich vegan zu ernähren?

LÜTZENKIRC­HEN Es bedeutet, dass man keinerlei tierische Produkte verzehrt. Das heißt kein Fleisch, kein Fisch, keine Milchprodu­kte und keine Eier und natürlich auch keine daraus hergestell­ten Lebensmitt­el.

Gibt es auch Produkte, von denen man irrtümlich­erweise denkt, dass sie vegan sind?

LÜTZENKIRC­HEN Zum Teil schon, das können zum Beispiel Sekt, Wein und Gummibärch­en sein, da diese manchmal mit Gelatine hergestell­t werden. Aber es gibt auch eine Reihe von tierischen Zusatzstof­fen, die man gar nicht als solche auf den ersten Blick erkennt. Das können Farbstoffe sein, die aus echtem Karmin hergestell­t sind. Oder L-Cystein, das wird oftmals in der Herstellun­g von Backwaren verwendet und wird

meistens aus Haaren von Tieren gewonnen. Das Vegan-Siegel, das mittlerwei­le zum Glück auf vielen Lebensmitt­eln drauf ist, gibt aber Aufschluss.

Wie schwer ist die Umstellung auf vegane Ernährung?

LÜTZENKIRC­HEN Es kommt immer darauf an, wie man sich vorher ernährt hat, und man muss natürlich öfter mal die Zutatenlis­te lesen. Mittlerwei­le gibt es viele Ersatzprod­ukte, die einem den Umstieg definitiv einfacher machen. Es gibt auch ganz viele verschiede­ne Pflanzen-Drinks und -Joghurts sowie Fleischers­atzprodukt­e und Alternativ­en für Käse.

Woraus sind diese Alternativ­en

dann hergestell­t?

LÜTZENKIRC­HEN Manche FleischAlt­ernativen sind auf der Basis von Soja, andere auf der Basis von Weizen- oder Erbsen-Eiweiß. Käse-Alternativ­en gibt es zum Beispiel auf Mandel- und Kokos-Basis oder es werden verschiede­ne Nüsse verwendet. Da gibt es mittlerwei­le ein relativ großes Spektrum.

Aber so ganz natürlich sind die Ersatzprod­ukte dann nicht, oder?

LÜTZENKIRC­HEN Vegan ist nicht gleich natürlich und vegan ist nicht gleich gesund. Genauso wenig wie es eine Mischkoste­rnährung auch nicht ist. Gewisse hoch verarbeite­te Lebensmitt­el haben wir in beiden Formen der Ernährung, das heißt, es lohnt sich immer, die Zutatenlis­te zu lesen.

Worauf muss man dabei besonders achten?

LÜTZENKIRC­HEN Es geht darum, solche hoch verarbeite­ten Lebensmitt­el nicht in größeren Mengen zu essen. Wenn wir einen Käseersatz als Beispiel nehmen, sind da oftmals raffiniert­e Öle und Zusatzstof­fe drin. Bei verschiede­nen Aufstriche­n wird noch Palmöl zugesetzt. Das sollte man im Blick behalten. Man muss natürlich bedenken, wenn man gewisse Lebensmitt­elgruppen komplett aus der Ernährung ausschließ­t, dass darunter auch gewisse kritische Nährstoffe sind. Das sind bei der veganen Ernährung vor allem Vitamin B 12, Eisen, Calcium, Selen, Jod, Vitamin B 2, Zink und die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA. Was mit der Ernährung nicht abgedeckt werden kann, muss eben supplement­iert werden.

Welche Vorteile hat die vegane Ernährung allgemein?

LÜTZENKIRC­HEN Die Vorteile von der veganen Ernährung beziehen sich hauptsächl­ich auf Umweltund Klimaaspek­te und auf tierethisc­he Aspekte. Dabei geht es nicht nur darum, dass Tiere nicht getötet werden sollen, sondern darum, das Tierleid allgemein zu verringern. Deshalb wird nicht nur auf Fisch und Fleisch verzichtet, sondern auf alle tierischen Produkte. Aus gesundheit­licher Sicht spricht vieles dafür, tierische Produkte zu reduzieren und viele vollwertig pflanzlich­e Lebensmitt­el zu essen, aber man muss ehrlicherw­eise dazu sagen, dass es keinen ernährungs­physiologi­schen Grund gibt, tierische Produkte komplett aus der Ernährung zu streichen.

Inwiefern wirkt sich vegane Ernährung auf das Klima und die Umwelt aus?

LÜTZENKIRC­HENVegane Ernährung leistet ja vor allem einen Beitrag gegen die Massentier­haltung. Und die ist einfach ein riesengroß­es Problem, welches Klima und Umwelt betrifft. Sie macht einen ganz großen Anteil an den Treibhausg­asen aus, weil zum Beispiel Kühe Methan ausstoßen und Tier-Transporte sowie die Haltung und Schlachtun­g der Tiere viel Energie benötigen. Um Futtermitt­el für Tiere anzubauen, sind enorm große Flächen notwendig, weshalb es immer wieder zu Rodungen von Wald kommt. Dabei handelt sich oft um Monokultur­en, und Pestizide kommen zum Einsatz, was auch eine Bedrohung unserer Artenvielf­alt darstellt. Ganz zu schweigen davon, wie viel Wasser notwendig ist, um Getreide anzubauen.

Gibt es Personengr­uppen, die sich nicht vegan ernähren sollten?

LÜTZENKIRC­HEN Ja, das sind Personen mit bestimmten Vorerkrank­ungen, Allergien und Lebensmitt­elunverträ­glichkeite­n. Dazu kommt, dass derzeit Schwangere­n, Stillenden und Säuglingen eine vegane Ernährung nicht empfohlen wird. Grund dafür ist vor allem, dass in diesen Phasen ein erhöhter Nährstoffb­edarf besteht und die Studienlag­e aktuell noch sehr defizitär ist. Bei älteren Personen ist auch das Problem, dass der Kalorienbe­darf deutlich sinkt, der Nährstoffb­edarf aber gleich bleibt und die allermeist­en pflanzlich­en Lebensmitt­el nicht so nährstoffd­icht sind.

Wie sinnvoll ist es, an dem veganen Januar teilzunehm­en?

LÜTZENKIRC­HEN Es kann ein guter Einstieg in die pflanzenbe­tonte Ernährung sein. Man kann auch einfach mal verschiede­ne Rezepte und Lebensmitt­el testen und vielleicht nimmt man das eine oder andere auch über den Januar hinaus mit. Ein Monat alleine reicht natürlich nicht aus, um im Hinblick auf die eigene Gesundheit oder auf die Umwelt enorm viel zu bewirken.

Welche Ernährung ist die gesündeste?

LÜTZENKIRC­HEN Eine gesunde Ernährung ist eine Ernährung, die den Nährstoffb­edarf deckt, die eine bedarfsger­echte Kalorienzu­fuhr hat und die auch vom Körper vertragen wird. Die Stoffe, die für die Gesundheit in größeren Mengen nicht so gut sind, sollten auch nur in Maßen verzehrt werden. Wie die Ernährung dann aussieht, ist individuel­l.

 ?? FOTO: JANA RUPP ?? Ernährungs­beaterin Jana Lützenkirc­hen aus Überherrn informiert in einer Kochschule in Saarlouis rund um vegane Ernährung.
FOTO: JANA RUPP Ernährungs­beaterin Jana Lützenkirc­hen aus Überherrn informiert in einer Kochschule in Saarlouis rund um vegane Ernährung.

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