„Ein Monat allein reicht natürlich nicht“
Die Ernährungsberaterin spricht über den veganen Januar („Veganuary“), was gesundes Essen ausmacht und wieso pflanzenbasierte Nahrung das Klima schont.
SAARLOUIS/ÜBERHERRN Vegan ins neue Jahr zu starten, gehört zu den populärsten Neujahrsvorsätzen. Der Veganuary, der sich aus den englischen Worten für „vegan“und „Januar“zusammensetzt, liegt immer mehr im Trend und soll sich vor allem positiv auf Klima, Umwelt und Tierwohl auswirken. Aber auch abseits dieses Monats ernähren sich immer mehr Menschen ohne tierische Produkte. Wir haben die 28-jährige Ernährungsberaterin Jana Lützenkirchen aus Saarlouis gefragt, wie sinnvoll die Aktion ist und wie gesund eine vegane Ernährung überhaupt ist.
Frau Lützenkirchen, was bedeutet es, sich vegan zu ernähren?
LÜTZENKIRCHEN Es bedeutet, dass man keinerlei tierische Produkte verzehrt. Das heißt kein Fleisch, kein Fisch, keine Milchprodukte und keine Eier und natürlich auch keine daraus hergestellten Lebensmittel.
Gibt es auch Produkte, von denen man irrtümlicherweise denkt, dass sie vegan sind?
LÜTZENKIRCHEN Zum Teil schon, das können zum Beispiel Sekt, Wein und Gummibärchen sein, da diese manchmal mit Gelatine hergestellt werden. Aber es gibt auch eine Reihe von tierischen Zusatzstoffen, die man gar nicht als solche auf den ersten Blick erkennt. Das können Farbstoffe sein, die aus echtem Karmin hergestellt sind. Oder L-Cystein, das wird oftmals in der Herstellung von Backwaren verwendet und wird
meistens aus Haaren von Tieren gewonnen. Das Vegan-Siegel, das mittlerweile zum Glück auf vielen Lebensmitteln drauf ist, gibt aber Aufschluss.
Wie schwer ist die Umstellung auf vegane Ernährung?
LÜTZENKIRCHEN Es kommt immer darauf an, wie man sich vorher ernährt hat, und man muss natürlich öfter mal die Zutatenliste lesen. Mittlerweile gibt es viele Ersatzprodukte, die einem den Umstieg definitiv einfacher machen. Es gibt auch ganz viele verschiedene Pflanzen-Drinks und -Joghurts sowie Fleischersatzprodukte und Alternativen für Käse.
Woraus sind diese Alternativen
dann hergestellt?
LÜTZENKIRCHEN Manche FleischAlternativen sind auf der Basis von Soja, andere auf der Basis von Weizen- oder Erbsen-Eiweiß. Käse-Alternativen gibt es zum Beispiel auf Mandel- und Kokos-Basis oder es werden verschiedene Nüsse verwendet. Da gibt es mittlerweile ein relativ großes Spektrum.
Aber so ganz natürlich sind die Ersatzprodukte dann nicht, oder?
LÜTZENKIRCHEN Vegan ist nicht gleich natürlich und vegan ist nicht gleich gesund. Genauso wenig wie es eine Mischkosternährung auch nicht ist. Gewisse hoch verarbeitete Lebensmittel haben wir in beiden Formen der Ernährung, das heißt, es lohnt sich immer, die Zutatenliste zu lesen.
Worauf muss man dabei besonders achten?
LÜTZENKIRCHEN Es geht darum, solche hoch verarbeiteten Lebensmittel nicht in größeren Mengen zu essen. Wenn wir einen Käseersatz als Beispiel nehmen, sind da oftmals raffinierte Öle und Zusatzstoffe drin. Bei verschiedenen Aufstrichen wird noch Palmöl zugesetzt. Das sollte man im Blick behalten. Man muss natürlich bedenken, wenn man gewisse Lebensmittelgruppen komplett aus der Ernährung ausschließt, dass darunter auch gewisse kritische Nährstoffe sind. Das sind bei der veganen Ernährung vor allem Vitamin B 12, Eisen, Calcium, Selen, Jod, Vitamin B 2, Zink und die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA. Was mit der Ernährung nicht abgedeckt werden kann, muss eben supplementiert werden.
Welche Vorteile hat die vegane Ernährung allgemein?
LÜTZENKIRCHEN Die Vorteile von der veganen Ernährung beziehen sich hauptsächlich auf Umweltund Klimaaspekte und auf tierethische Aspekte. Dabei geht es nicht nur darum, dass Tiere nicht getötet werden sollen, sondern darum, das Tierleid allgemein zu verringern. Deshalb wird nicht nur auf Fisch und Fleisch verzichtet, sondern auf alle tierischen Produkte. Aus gesundheitlicher Sicht spricht vieles dafür, tierische Produkte zu reduzieren und viele vollwertig pflanzliche Lebensmittel zu essen, aber man muss ehrlicherweise dazu sagen, dass es keinen ernährungsphysiologischen Grund gibt, tierische Produkte komplett aus der Ernährung zu streichen.
Inwiefern wirkt sich vegane Ernährung auf das Klima und die Umwelt aus?
LÜTZENKIRCHENVegane Ernährung leistet ja vor allem einen Beitrag gegen die Massentierhaltung. Und die ist einfach ein riesengroßes Problem, welches Klima und Umwelt betrifft. Sie macht einen ganz großen Anteil an den Treibhausgasen aus, weil zum Beispiel Kühe Methan ausstoßen und Tier-Transporte sowie die Haltung und Schlachtung der Tiere viel Energie benötigen. Um Futtermittel für Tiere anzubauen, sind enorm große Flächen notwendig, weshalb es immer wieder zu Rodungen von Wald kommt. Dabei handelt sich oft um Monokulturen, und Pestizide kommen zum Einsatz, was auch eine Bedrohung unserer Artenvielfalt darstellt. Ganz zu schweigen davon, wie viel Wasser notwendig ist, um Getreide anzubauen.
Gibt es Personengruppen, die sich nicht vegan ernähren sollten?
LÜTZENKIRCHEN Ja, das sind Personen mit bestimmten Vorerkrankungen, Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten. Dazu kommt, dass derzeit Schwangeren, Stillenden und Säuglingen eine vegane Ernährung nicht empfohlen wird. Grund dafür ist vor allem, dass in diesen Phasen ein erhöhter Nährstoffbedarf besteht und die Studienlage aktuell noch sehr defizitär ist. Bei älteren Personen ist auch das Problem, dass der Kalorienbedarf deutlich sinkt, der Nährstoffbedarf aber gleich bleibt und die allermeisten pflanzlichen Lebensmittel nicht so nährstoffdicht sind.
Wie sinnvoll ist es, an dem veganen Januar teilzunehmen?
LÜTZENKIRCHEN Es kann ein guter Einstieg in die pflanzenbetonte Ernährung sein. Man kann auch einfach mal verschiedene Rezepte und Lebensmittel testen und vielleicht nimmt man das eine oder andere auch über den Januar hinaus mit. Ein Monat alleine reicht natürlich nicht aus, um im Hinblick auf die eigene Gesundheit oder auf die Umwelt enorm viel zu bewirken.
Welche Ernährung ist die gesündeste?
LÜTZENKIRCHEN Eine gesunde Ernährung ist eine Ernährung, die den Nährstoffbedarf deckt, die eine bedarfsgerechte Kalorienzufuhr hat und die auch vom Körper vertragen wird. Die Stoffe, die für die Gesundheit in größeren Mengen nicht so gut sind, sollten auch nur in Maßen verzehrt werden. Wie die Ernährung dann aussieht, ist individuell.