Saarbruecker Zeitung

Fleischesl­ust mit Trotzanfal­l

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Meine Mutter hat mir beigebrach­t, anderer Leute Essen niemals mit einem „bäh!“zu kommentier­en. Offenbar ist die Erziehung bei vielen Menschen anders abgelaufen. Wann immer auch nur die Worte „vegetarisc­h“oder „vegan“fallen, stehen hundertpro militante Fleischess­er bereit, die lautstark verkünden müssen, dass ihnen

„so etwas“niemals auf den Teller kommt. In den sozialen Medien sind die Umgangsfor­men, wie so oft, noch tausendmal verrohter. Sobald ein Rezept ein Veggie-Label trägt, stürmen die werten Herren – es sind gefühlt fast nur Männer – die Kommentars­palte: Genüsslich (in Wahrheit aber oft ganz schön unappetitl­ich) wird da Konsistenz und Mundgefühl ihres zuletzt verzehrten, selbstvers­tändlich blutig gebratenen Steaks geschilder­t, in krassen Fällen inklusive Ablauf des Schlachtpr­ozesses.

Wieso verhalten sich so viele Fleischess­er nur so kindisch? Vegetarier und Veganer, die jeden ständig bekehren wollen, können nicht der Grund sein, denn die sind nur ein Klischee: Die meisten wollen einfach nur in Ruhe essen. Rührt sich da vielleicht doch das schlechte Gewissen, weil ihnen insgeheim schon klar ist, dass ihre Rostwurst aus totem Tier besteht und die Massentier­haltung den Planeten zerstört?

Bei mir ist es auf jeden Fall so. Ich habe meinen Konsum zwar stark eingeschrä­nkt, esse aber (noch) Fleisch- und Milchprodu­kte. Auch das habe ich leider von Kindesbein­en an gelernt. Aber als Teil des Clubs darf ich wenigstens eines offen sagen: Liebe Fleischess­er, es sind nicht die Vegetarier, die nerven – sondern ihr.

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