Neue Details im rätselhaften Fall Benfares
Wunsch nach schneller Aufklärung beim Dopingverdachts-Fall der saarländischen Olympia-Kandidatin.
Der Fall Sara Benfares bleibt ein riesengroßes Rätsel. Die Olympia-Kandidatin des LC Rehlingen und ihr Anwalt Rainer Cherkeh geben keine Stellungnahme zum bestehenden Dopingverdacht ab, die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) ebenfalls nicht. Die Berichterstattung des französischen Doping-Portals SPE15 unter Berufung auf Trainer und Vater Samir Benfares, seine Tochter leide unter Knochenkrebs und habe Erythropoetin (Epo) und Testosteron zur Behandlung eingenommen, lässt Beobachter zweifelnd zurück.
War die 22-Jährige im August 2023 wirklich derart schwer erkrankt? Warum hat die Familie nicht umgehend oder parallel zur Behandlung den Kontakt zur NADA gesucht, um sich abzusichern? Es wäre ihre Pflicht als Leistungssportlerin gewesen. Oder ist diese Geschichte, was man angesichts der Schwere der Erkrankung gar nicht aussprechen mag, nur eine ausgeklügelte Strategie, möglichst glimpflich aus dem vorsätzlichen
Doping mit leistungssteigernden Substanzen herauszukommen?
Raphael Schäfer, der Vizepräsident des Saarländischen LeichtathletikBundes, der in seiner Karriere als Topläufer über 3000 Meter Hindernis mit dem System NADA vertraut war, hat eine klare Forderung an die Familie Benfares: „Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist die Athletin aus meiner Sicht zu völliger Transparenz verpflichtet, um die Integrität des Sports zu wahren.“
Klaus Steinbach, der Vorsitzende der Sportstiftung Saar, wünscht sich ebenfalls eine zeitnahe Aufklärung. „Sollte sich wirklich herausstellen, dass sie Krebs hatte oder hat, ist das äußerst tragisch, aber unmissverständlich belegbar“, sagte Steinbach, der mehr als 20 Jahre (bis 2019) Ärztlicher Direktor der HochwaldKliniken in Weiskirchen war: „Epo hat in der Medizin bei blutkranken Menschen eine Indikation und wirkt gut. Im Leistungssport hat Epo nichts zu suchen.“
Einen Schaden für die Sportstiftung Saar will Steinbach verhindern. „Dieser Dopingverdacht wird für Förderer der Stiftung irritierend sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie auf den ersten Verdacht hin alles über den Haufen werfen werden, sondern eine Aufklärung erwarten und abwarten“, sagte er: „Wir als Sportstiftung haben sofort reagiert, alle Förderer informiert und lassen die Unterstützung der Athletin ruhen, bis der Fall aufgeklärt ist. Der Fall Benfares ist als Einzelfall zu betrachten, eine Pauschalisierung mit Blick auf das Team Saarland für Paris verbietet sich.“
Auf der Suche nach der Wahrheit
ist auch die Staatswaltschaft Saarbrücken involviert. Sprecher Thomas Schardt bestätigte der SZ, dass die NADA Strafanzeige wegen des Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz erstattet hat. Weitere Auskünfte wollte er nicht geben. Die Strafverfolgung dürfte aber nicht so einfach werden. Die Familie Benfares lebt in Thomery, einem Vorort von Paris. Sara hat die deutsche und die französische Staatsbürgerschaft, ist erst seit 2022 für Deutschland startberechtigt. Die Behörde in Saarbrücken müsste wegen der Meldeadresse zunächst ein Rechtshilfeersuchen bei den Kollegen in Frankreich stellen. Am Sportcampus Saar hat Benfares ein Zimmer im Haus der Athleten ge
mietet, eine Durchsuchung dort hat nach Auskunft des Landessportverbandes für das Saarland bislang nicht stattgefunden.
Neue Fragen wirft ein Foto von Benfares auf, das bei Facebook zu finden ist. Auf dem Bild, datiert vom 19. August 2022, ist Benfares mit den beiden Rumänen Carol und Daniel Santa zu sehen. Carol Santa ist ein in der Szene bekannter LeichtathletikTrainer, sein Sohn Daniel führt eine Sportmanagement-Agentur (Comparty), die vor allem Leichtathleten in Sachen Kommunikation und Marketing betreut.
Das Foto entstand bei der Europameisterschaft in München, wo Benfares im Finale über 5000 Meter
in 15:20,94 Minuten einen Saarlandrekord lief. Benfares, gekleidet im Trainingsanzug der deutschen Nationalmannschaft, steht Arm in Arm mit den Santas auf einem Treppenabgang im Olympiastadion. Daniel Santa, der das Foto auf seinem Account gepostet hat, schreibt dazu: „Tolles Rennen und persönliche Bestleistung! Bravo Sara Benfares!“
Die Santas sind in der Szene keine unbeschriebenen Blätter – ihr Ruf darf als zweifelhaft umschrieben werden. Dieser rührt daher, dass eine Reihe von Athleten, die bei Carol Santa trainierten oder von Daniel Santa vermarktet wurden, mit Doping in Verbindung gebracht wurden. Ein prominentes Beispiel ist Aras Kaya. Der Mittelstreckler, in Kenia geboren und auf Vermittlung von Carol Santa in die Türkei gewechselt (Santa arbeitete zwischenzeitlich für den türkischen Verband), gewann von 2016 bis 2021 mehrere Medaillen bei Cross-Europameisterschaften und -Weltmeisterschaften. Seinen größten Erfolg auf der Tartanbahn feierte er 2016, als er bei der EM in Amsterdam Silber über 3000 Meter Hindernis gewann – immer betreut von Carol Santa.
Kaya wurde am 25. September 2022 im Rahmen des „Running Festival“in der rumänischen Stadt Brasov in Siebenbürgen, wo er die zehn Kilometer lief, positiv auf Epo getestet. Eine der beiden Substanzen, die die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) nun auch bei Sara Benfares festgestellt hat. Das Running Festival wird laut seiner Internetseite übrigens von Daniel Santas Firma Comparty mitorganisiert.
Ob Benfares jemals von Carol Santa in irgendeiner Form betreut wurde, ist nicht bekannt. Das Foto legt aber eine enge Verbindung nahe: Carol und Daniel Santa sind in Trainingsjacke (Carol) und Polo-Shirt (Daniel) des französischen Clubs Club Athlétique de Montreuil 93 gekleidet. Es ist der französische Verein, für den auch Benfares startberechtigt ist – der Vorsitzende des Clubs aus dem Vorort von Paris ist Saras Vater Samir Benfares.
Wie dieses Fotos kommen Tag für Tag neue Details im Fall Sara Benfares ans Licht, die den Beobachter in die ein oder andere Richtung tendieren lassen. Zumindest so lange, bis Benfares selbst, ihr Anwalt oder die NADA sich öffentlich äußern.
„Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist die Athletin aus meiner Sicht zu völliger Transparenz verpflichtet, um die Integrität des Sports zu wahren.“Raphael Schäfer, Vizepräsident des Saarländischen Leichtathletik-Bundes, über Sara Benfares