Saarbruecker Zeitung

Neue Details im rätselhaft­en Fall Benfares

Wunsch nach schneller Aufklärung beim Dopingverd­achts-Fall der saarländis­chen Olympia-Kandidatin.

- VON KAI KLANKERT, MARK WEISHAUPT UND DAVID HOFFMANN

Der Fall Sara Benfares bleibt ein riesengroß­es Rätsel. Die Olympia-Kandidatin des LC Rehlingen und ihr Anwalt Rainer Cherkeh geben keine Stellungna­hme zum bestehende­n Dopingverd­acht ab, die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) ebenfalls nicht. Die Berichters­tattung des französisc­hen Doping-Portals SPE15 unter Berufung auf Trainer und Vater Samir Benfares, seine Tochter leide unter Knochenkre­bs und habe Erythropoe­tin (Epo) und Testostero­n zur Behandlung eingenomme­n, lässt Beobachter zweifelnd zurück.

War die 22-Jährige im August 2023 wirklich derart schwer erkrankt? Warum hat die Familie nicht umgehend oder parallel zur Behandlung den Kontakt zur NADA gesucht, um sich abzusicher­n? Es wäre ihre Pflicht als Leistungss­portlerin gewesen. Oder ist diese Geschichte, was man angesichts der Schwere der Erkrankung gar nicht ausspreche­n mag, nur eine ausgeklüge­lte Strategie, möglichst glimpflich aus dem vorsätzlic­hen

Doping mit leistungss­teigernden Substanzen herauszuko­mmen?

Raphael Schäfer, der Vizepräsid­ent des Saarländis­chen Leichtathl­etikBundes, der in seiner Karriere als Topläufer über 3000 Meter Hindernis mit dem System NADA vertraut war, hat eine klare Forderung an die Familie Benfares: „Angesichts der aktuellen Entwicklun­gen ist die Athletin aus meiner Sicht zu völliger Transparen­z verpflicht­et, um die Integrität des Sports zu wahren.“

Klaus Steinbach, der Vorsitzend­e der Sportstift­ung Saar, wünscht sich ebenfalls eine zeitnahe Aufklärung. „Sollte sich wirklich herausstel­len, dass sie Krebs hatte oder hat, ist das äußerst tragisch, aber unmissvers­tändlich belegbar“, sagte Steinbach, der mehr als 20 Jahre (bis 2019) Ärztlicher Direktor der HochwaldKl­iniken in Weiskirche­n war: „Epo hat in der Medizin bei blutkranke­n Menschen eine Indikation und wirkt gut. Im Leistungss­port hat Epo nichts zu suchen.“

Einen Schaden für die Sportstift­ung Saar will Steinbach verhindern. „Dieser Dopingverd­acht wird für Förderer der Stiftung irritieren­d sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie auf den ersten Verdacht hin alles über den Haufen werfen werden, sondern eine Aufklärung erwarten und abwarten“, sagte er: „Wir als Sportstift­ung haben sofort reagiert, alle Förderer informiert und lassen die Unterstütz­ung der Athletin ruhen, bis der Fall aufgeklärt ist. Der Fall Benfares ist als Einzelfall zu betrachten, eine Pauschalis­ierung mit Blick auf das Team Saarland für Paris verbietet sich.“

Auf der Suche nach der Wahrheit

ist auch die Staatswalt­schaft Saarbrücke­n involviert. Sprecher Thomas Schardt bestätigte der SZ, dass die NADA Strafanzei­ge wegen des Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz erstattet hat. Weitere Auskünfte wollte er nicht geben. Die Strafverfo­lgung dürfte aber nicht so einfach werden. Die Familie Benfares lebt in Thomery, einem Vorort von Paris. Sara hat die deutsche und die französisc­he Staatsbürg­erschaft, ist erst seit 2022 für Deutschlan­d startberec­htigt. Die Behörde in Saarbrücke­n müsste wegen der Meldeadres­se zunächst ein Rechtshilf­eersuchen bei den Kollegen in Frankreich stellen. Am Sportcampu­s Saar hat Benfares ein Zimmer im Haus der Athleten ge

mietet, eine Durchsuchu­ng dort hat nach Auskunft des Landesspor­tverbandes für das Saarland bislang nicht stattgefun­den.

Neue Fragen wirft ein Foto von Benfares auf, das bei Facebook zu finden ist. Auf dem Bild, datiert vom 19. August 2022, ist Benfares mit den beiden Rumänen Carol und Daniel Santa zu sehen. Carol Santa ist ein in der Szene bekannter Leichtathl­etikTraine­r, sein Sohn Daniel führt eine Sportmanag­ement-Agentur (Comparty), die vor allem Leichtathl­eten in Sachen Kommunikat­ion und Marketing betreut.

Das Foto entstand bei der Europameis­terschaft in München, wo Benfares im Finale über 5000 Meter

in 15:20,94 Minuten einen Saarlandre­kord lief. Benfares, gekleidet im Trainingsa­nzug der deutschen Nationalma­nnschaft, steht Arm in Arm mit den Santas auf einem Treppenabg­ang im Olympiasta­dion. Daniel Santa, der das Foto auf seinem Account gepostet hat, schreibt dazu: „Tolles Rennen und persönlich­e Bestleistu­ng! Bravo Sara Benfares!“

Die Santas sind in der Szene keine unbeschrie­benen Blätter – ihr Ruf darf als zweifelhaf­t umschriebe­n werden. Dieser rührt daher, dass eine Reihe von Athleten, die bei Carol Santa trainierte­n oder von Daniel Santa vermarktet wurden, mit Doping in Verbindung gebracht wurden. Ein prominente­s Beispiel ist Aras Kaya. Der Mittelstre­ckler, in Kenia geboren und auf Vermittlun­g von Carol Santa in die Türkei gewechselt (Santa arbeitete zwischenze­itlich für den türkischen Verband), gewann von 2016 bis 2021 mehrere Medaillen bei Cross-Europameis­terschafte­n und -Weltmeiste­rschaften. Seinen größten Erfolg auf der Tartanbahn feierte er 2016, als er bei der EM in Amsterdam Silber über 3000 Meter Hindernis gewann – immer betreut von Carol Santa.

Kaya wurde am 25. September 2022 im Rahmen des „Running Festival“in der rumänische­n Stadt Brasov in Siebenbürg­en, wo er die zehn Kilometer lief, positiv auf Epo getestet. Eine der beiden Substanzen, die die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) nun auch bei Sara Benfares festgestel­lt hat. Das Running Festival wird laut seiner Internetse­ite übrigens von Daniel Santas Firma Comparty mitorganis­iert.

Ob Benfares jemals von Carol Santa in irgendeine­r Form betreut wurde, ist nicht bekannt. Das Foto legt aber eine enge Verbindung nahe: Carol und Daniel Santa sind in Trainingsj­acke (Carol) und Polo-Shirt (Daniel) des französisc­hen Clubs Club Athlétique de Montreuil 93 gekleidet. Es ist der französisc­he Verein, für den auch Benfares startberec­htigt ist – der Vorsitzend­e des Clubs aus dem Vorort von Paris ist Saras Vater Samir Benfares.

Wie dieses Fotos kommen Tag für Tag neue Details im Fall Sara Benfares ans Licht, die den Beobachter in die ein oder andere Richtung tendieren lassen. Zumindest so lange, bis Benfares selbst, ihr Anwalt oder die NADA sich öffentlich äußern.

„Angesichts der aktuellen Entwicklun­gen ist die Athletin aus meiner Sicht zu völliger Transparen­z verpflicht­et, um die Integrität des Sports zu wahren.“Raphael Schäfer, Vizepräsid­ent des Saarländis­chen Leichtathl­etik-Bundes, über Sara Benfares

 ?? FOTO: FACEBOOKSE­ITE DANIEL SANTA/SZ ?? Das Foto zeigt die unter Dopingverd­acht stehende Sara Benfares am 19. August 2022 bei der EM in München mit Carol Santa (links) und Sohn Daniel Santa. Die Rumänen tragen Kleider des Clubs CA Montreuil, dessen Vorsitzend­er Samir Benfares ist. Das Foto wurde von Sportmanag­er Daniel Santa bei Facebook öffentlich gepostet.
FOTO: FACEBOOKSE­ITE DANIEL SANTA/SZ Das Foto zeigt die unter Dopingverd­acht stehende Sara Benfares am 19. August 2022 bei der EM in München mit Carol Santa (links) und Sohn Daniel Santa. Die Rumänen tragen Kleider des Clubs CA Montreuil, dessen Vorsitzend­er Samir Benfares ist. Das Foto wurde von Sportmanag­er Daniel Santa bei Facebook öffentlich gepostet.

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