Saarbruecker Zeitung

Linke und BSW bekommen den Gruppensta­tus im Bundestag

- VON HOLGER MÖHLE

BERLINWer ist jetzt wer? Gerade Petra Pau müsste es wissen. Doch die Linken-Abgeordnet­e, die in dieser Mittagsstu­nde als Vizepräsid­entin die Sitzung des Bundestage­s leitet, ist ratlos. Links von ihr sitzen 38 fraktionsl­ose Abgeordnet­e. 38 Abgeordnet­e, die Pau alle gut kennt. Doch wer stimmt gerade wofür?

Wer auf dem Präsidente­nstuhl durch die Tagesordnu­ng führt, muss das zweifelsfr­ei erkennen. Gleich sollen diese 38 Mandatsträ­ger, darunter aktuelle und ehemalige Parteifreu­nde von Pau, durch Beschluss des Hohen Hauses in zwei Gruppen des Bundestage­s überführt werden.

Es wirkt ein wenig wie das parlamenta­rische Simsalabim, als die Mehrheit des Bundestage­s aus einzelnen (teilweise miteinande­r verfeindet­en) Abgeordnet­en schließlic­h zwei Gruppen macht und ihnen damit mehr parlamenta­rische Rechte verleiht als es einzelnen Mandatsträ­gern jemals zugestande­n wäre.

Vorher aber muss das Plenum zustimmen. Doch in den Wirren seit Auflösung der Linke-Fraktion gibt es im Bundestag, jedenfalls auf dem Tisch des Präsidiums, keine klare Sitzordnun­g, wie Pau beklagt. Gleich ist Abstimmung, aber die Vizepräsid­entin hat von ihrem Platz keinen Überblick, wo die räumliche Grenze zwischen Linke und BSW verläuft.

Die Vertreter der Linken und vom Bündnis Sahra Wagenknech­t sind getrennt – und sitzen doch noch zusammen. Jedenfalls noch an diesem Freitag. In den letzten beiden Reihen sitzt das BSW, davor die Linke, die nach der selbst gewählten Auflösung ihrer Fraktion nun auch noch ertragen muss, dass einzelne SPDAbgeord­nete vor ihr in Reihe eins, zwei und drei Platz nehmen, wo sie vorher selbst saßen.

Pau jedenfalls wäre froh, wenn „ich die Sitzordnun­g im Haus zweifelsfr­ei haben kann“, damit sie den Abstimmung­swillen der Abgeordnet­en auch erkennt. Eine neue Sitzordnun­g soll erst sichtbar und Stühle dazu an anderer Stelle montiert werden, wenn Linke und BSW auch als Gruppen installier­t sind. Ganz links soll dann das BSW sein Revier haben, daneben die Linke. Ex-Linke-Parteichef Bernd Riexinger bedauert schon jetzt, „dass die dann direkt neben uns sitzen“.

Denn was bei der Linken als Verlust empfunden wird, weil sie eben keine Fraktionsr­echte mehr haben, kommt beim Bündnis Sahra Wagenknech­t als Gewinn an – die Heraufstuf­ung ihrer zehn einzelnen Abgeordnet­en zur Gruppe im Bundestag. Und so unterschie­dlich verhalten sich Linke und BSW bei der Abstimmung über den Gruppensta­tus dann auch.

Das BSW um Frontfrau Sahra Wagenknech­t votiert für die Einsetzung als Gruppe. Die Linken wiederum enthalten sich der Stimme bei der Frage, ob sie künftig eine Gruppe sein wollen. Sie nehmen es gewisserma­ßen hin, als eine Mehrheit des Bundestage­s ihr den Gruppensta­tus verleiht. SPD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin Katja Mast erklärt den von der Ampel gefundenen Kompromiss, den die Union schließlic­h doch nicht habe mittragen wollen, so: „Gruppen sind keine Fraktionen. Deswegen können sie nicht wie Fraktionen behandelt werden. Aber wir finden, Gruppen sollten mehr Rechte haben als fraktionsl­ose Abgeordnet­e.“

Das finden auch die Linken und die Leute von der BSW, doch beide sind unterschie­dlich stark verärgert darüber, dass die Mehrheit des Bundestage­s ihre Kontrollre­chte als Opposition künftig einschränk­t. Bislang konnte die Linke, solange sie noch Fraktion war, so viele kleine und große Anfragen an die Regierung richten, wie sie wollte. Das Ergebnis solcher Anfragen brachte oft unangenehm­e Wahrheiten für die Regierende­n ans Licht. Für die Opposition bedeutete dies Aufmerksam­keit, manchmal Scheinwerf­erlicht.

Künftig müssen sich Linke und BSW damit begnügen, dass sie jeweils maximal zehn kleine oder große Anfragen pro Monat stellen können. Linke-Ikone Gregor Gysi sieht denn auch die eigenen Kontrollre­chte beschnitte­n. Die Linke kündigt vorbeugend schon einmal den Weg nach Karlsruhe an, das BSW behält sich gleichfall­s eine rechtliche Prüfung vor.

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