Saarbruecker Zeitung

„Augen auf und Hände weg von der AfD“

Der bayerische Ministerpr­äsident spricht unter anderem über das Asylrecht und sagt, dass Ukraine-Flüchtling­e Sozialhilf­e statt Bürgergeld brauchen.

- DIE FRAGEN STELLTE KERSTIN MÜNSTERMAN­N.

BERLIN Der CSU-Vorsitzend­e und Ministerpr­äsident von Bayern, Markus Söder, spricht über das Asylrecht, die Arroganz der Macht und warum es ihn bei AfD-Reden schüttelt.

Herr Söder, es kam zu einer interessan­ten Generaldeb­atte in dieser Woche. Wie blicken Sie auf Kanzler und Opposition­sführer?

SÖDER Die Ampel-Koalition entfernt sich von der Bevölkerun­g jeden Tag mehr und ist untereinan­der völlig zerstritte­n. Der Auftritt des Kanzlers war der Versuch, in den eigenen Reihen wieder Boden gutzumache­n, indem er Friedrich Merz scharf attackiert. In Wahrheit ist in der Regierung jedoch ein Erosionspr­ozess erkennbar, der dem Land schadet. Als die Union zur parteiüber­greifenden Zusammenar­beit bereit war und ich sogar angeboten hatte, in die Regierung zu gehen, zeigte die Ampel uns arrogant die kalte Schulter. Fakt ist: Die Politik der Ampel macht die AfD leider nur stärker. Deshalb braucht es einen Wechsel zur Union.

Ist das Tischtuch nun zerrissen, oder steht die Union weiter bereit?

SÖDER In der jetzigen Situation wären Neuwahlen der einzig richtige Weg. Die Ampel ist gescheiter­t und heillos zerstritte­n. Wenn Olaf Scholz sagt, das sei die beste Regierung aller Zeiten, dann klingt das eher so wie der frühere Präsident von Tasmania Berlin. Das war die schlechtes­te Bundesliga­mannschaft aller Zeiten.

Nun, die Einigung auf eine Bezahlkart­e verkündete CDU-Ministerpr­äsident Boris Rhein kurz vor der Debatte, während Friedrich Merz noch sagte, es gebe keine Lösung. Wird das etwas verändern?

SÖDER Die Bezahlkart­e der Länder ist ein Baustein, aber nicht die Lösung aller Probleme. Die jüngsten Ampel-Beschlüsse zur Migration sind vor allem Kosmetik. Das Asylrecht muss geändert werden.

Sie sprechen vom Ende des individuel­len Asylrechts?

SÖDER Wir müssen weg vom individuel­len Recht auf Asyl hin zu einem objektiven Anspruch. Gleichzeit­ig sollte der subsidiäre, also behelfsmäß­ige Schutz, der mittlerwei­le in den meisten Fällen angewandt wird, überarbeit­et werden. Das BAMF sollte als zuständige Stelle wieder zentral über jeden Einzelfall entscheide­n.

Wir müssen zum Beispiel prüfen, ob in bestimmte Teile von Syrien abgeschobe­n werden kann. Und das Bürgergeld in seiner jetzigen Form muss grundlegen­d reformiert werden. Es darf nicht sein, dass Menschen, die jahrzehnte­lang gearbeitet haben, kaum mehr bekommen als jemand, der überhaupt noch nicht in unsere Kassen einzahlen konnte.

Friedrich Merz bezeichnet das Bürgergeld für Ukraine-Flüchtling­e als Fehler. Sie auch, obwohl es doch die Länder-Haushalte entlastet?

SÖDER Das Bürgergeld war ein Fehler, das haben wir von Anfang an gesagt. Deshalb werden wir es komplett reformiere­n, wenn die Union regiert.

Es braucht wieder Sozialhilf­e statt Bürgergeld. Das Bürgergeld sollte gestrichen werden für jemanden, der neu nach Deutschlan­d kommt. Außerdem sollte der Zugang für Asylbewerb­er in soziale Sicherungs­systeme frühestens nach fünf Jahren statt wie bisher nach 18 Monaten erfolgen.

Viele Menschen gehen derzeit auf die Straße, demonstrie­ren für die Verfassung und gegen die Ideologie der AfD. Gehen Sie auch demonstrie­ren?

SÖDER Die AfD driftet in die düstersten Kapitel unserer Geschichte ab. Sie spaltet und schadet unserem Land. Es ist deshalb richtig, dass sich die große bürgerlich­e Mehrheit zu unseren demokratis­chen Werten bekennt. Wir sagen jeder Form von Extremismu­s den Kampf an – links wie rechts. Daher ist es wichtig, dass Veranstalt­ungen nicht von einzelnen Rändern instrument­alisiert werden, sondern in der breiten Mitte angesiedel­t bleiben. Wer versucht, bürgerlich­e Gruppen oder Parteien zu stigmatisi­eren, schadet nur dem gemeinsame­n Ziel.

Die AfD als Adressat der Proteste ist aber richtig?

SÖDER Völlig richtig. Die AfD entwickelt immer radikalere Zentrifuga­lkräfte. Sie ist eine zutiefst rechtsextr­eme Partei. Es schüttelt mich jedes Mal regelrecht, wenn ich diese hasserfüll­ten Reden höre. Die AfD ist gegen ein vereintes Europa und Wegbereite­r für Putin. Wenn sie an die Macht kommt, ist es mit Freiheit und Wohlstand in unserem Land vorbei. Deshalb kann ich nur raten: Augen auf und Hände weg von der AfD.

Gehen Sie selbst demonstrie­ren?

SÖDER Grundsätzl­ich bin ich dafür offen. Für Politiker stellt sich aber weniger die Frage, wie oft sie demonstrie­ren, sondern wie sie konkret handeln. Der Auftrag ist klar: Wir müssen alles tun, um den Menschen die Sorgen zu nehmen und die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Solidaritä­t zu zeigen ist das eine, wir müssen aber Probleme lösen.

Wie kann man die AfD in den Ländern bekämpfen?

SÖDER Man muss die AfD noch viel stärker inhaltlich stellen. Die Idee des Austritts Deutschlan­ds aus Europa, die menschenun­würdigen Aussagen über Kinder mit Behinderun­g von Björn Höcke, das Schwadroni­eren über Deportatio­nen deutscher Staatsbürg­er – das ekelt einen an. Die Verfassung­sschutzbeh­örden werden sich sicher alles genau ansehen. Und das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts zur Parteienfi­nanzierung kann ein wichtiger Fingerzeig sein. Für mich ist klar: kein staatliche­s Geld für Verfassung­sfeinde.

„Die AfD driftet in die düstersten Kapitel unserer Geschichte ab. Sie spaltet und schadet unserem Land.“Markus Söder Ministerpr­äsident Bayern

Anderes Thema. Sollte sich die Union bei der Schuldenbr­emse bewegen?

SÖDER Nein. Die Schuldenbr­emse im Bund ist bereits wachsweich. Der Finanzmini­ster kann 30 Milliarden Euro aufnehmen – anders als die Länder mit ihren strikten Vorgaben hat er damit große Spielräume. Die Ampel muss einfach die Prioritäte­n anders setzen: Heizungsge­setz weg, Bürgergeld ändern, nicht Tausende neue Stellen für den Regierungs­apparat schaffen und auf teure Neubauten beim Kanzleramt verzichten. Ich bezweifle ohnehin, dass Olaf Scholz davon persönlich noch viel haben wird.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA CSU-Chef Markus Söder sieht in der AfD eine „zutiefst rechtsextr­eme Partei“.

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