„Augen auf und Hände weg von der AfD“
Der bayerische Ministerpräsident spricht unter anderem über das Asylrecht und sagt, dass Ukraine-Flüchtlinge Sozialhilfe statt Bürgergeld brauchen.
BERLIN Der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident von Bayern, Markus Söder, spricht über das Asylrecht, die Arroganz der Macht und warum es ihn bei AfD-Reden schüttelt.
Herr Söder, es kam zu einer interessanten Generaldebatte in dieser Woche. Wie blicken Sie auf Kanzler und Oppositionsführer?
SÖDER Die Ampel-Koalition entfernt sich von der Bevölkerung jeden Tag mehr und ist untereinander völlig zerstritten. Der Auftritt des Kanzlers war der Versuch, in den eigenen Reihen wieder Boden gutzumachen, indem er Friedrich Merz scharf attackiert. In Wahrheit ist in der Regierung jedoch ein Erosionsprozess erkennbar, der dem Land schadet. Als die Union zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit bereit war und ich sogar angeboten hatte, in die Regierung zu gehen, zeigte die Ampel uns arrogant die kalte Schulter. Fakt ist: Die Politik der Ampel macht die AfD leider nur stärker. Deshalb braucht es einen Wechsel zur Union.
Ist das Tischtuch nun zerrissen, oder steht die Union weiter bereit?
SÖDER In der jetzigen Situation wären Neuwahlen der einzig richtige Weg. Die Ampel ist gescheitert und heillos zerstritten. Wenn Olaf Scholz sagt, das sei die beste Regierung aller Zeiten, dann klingt das eher so wie der frühere Präsident von Tasmania Berlin. Das war die schlechteste Bundesligamannschaft aller Zeiten.
Nun, die Einigung auf eine Bezahlkarte verkündete CDU-Ministerpräsident Boris Rhein kurz vor der Debatte, während Friedrich Merz noch sagte, es gebe keine Lösung. Wird das etwas verändern?
SÖDER Die Bezahlkarte der Länder ist ein Baustein, aber nicht die Lösung aller Probleme. Die jüngsten Ampel-Beschlüsse zur Migration sind vor allem Kosmetik. Das Asylrecht muss geändert werden.
Sie sprechen vom Ende des individuellen Asylrechts?
SÖDER Wir müssen weg vom individuellen Recht auf Asyl hin zu einem objektiven Anspruch. Gleichzeitig sollte der subsidiäre, also behelfsmäßige Schutz, der mittlerweile in den meisten Fällen angewandt wird, überarbeitet werden. Das BAMF sollte als zuständige Stelle wieder zentral über jeden Einzelfall entscheiden.
Wir müssen zum Beispiel prüfen, ob in bestimmte Teile von Syrien abgeschoben werden kann. Und das Bürgergeld in seiner jetzigen Form muss grundlegend reformiert werden. Es darf nicht sein, dass Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, kaum mehr bekommen als jemand, der überhaupt noch nicht in unsere Kassen einzahlen konnte.
Friedrich Merz bezeichnet das Bürgergeld für Ukraine-Flüchtlinge als Fehler. Sie auch, obwohl es doch die Länder-Haushalte entlastet?
SÖDER Das Bürgergeld war ein Fehler, das haben wir von Anfang an gesagt. Deshalb werden wir es komplett reformieren, wenn die Union regiert.
Es braucht wieder Sozialhilfe statt Bürgergeld. Das Bürgergeld sollte gestrichen werden für jemanden, der neu nach Deutschland kommt. Außerdem sollte der Zugang für Asylbewerber in soziale Sicherungssysteme frühestens nach fünf Jahren statt wie bisher nach 18 Monaten erfolgen.
Viele Menschen gehen derzeit auf die Straße, demonstrieren für die Verfassung und gegen die Ideologie der AfD. Gehen Sie auch demonstrieren?
SÖDER Die AfD driftet in die düstersten Kapitel unserer Geschichte ab. Sie spaltet und schadet unserem Land. Es ist deshalb richtig, dass sich die große bürgerliche Mehrheit zu unseren demokratischen Werten bekennt. Wir sagen jeder Form von Extremismus den Kampf an – links wie rechts. Daher ist es wichtig, dass Veranstaltungen nicht von einzelnen Rändern instrumentalisiert werden, sondern in der breiten Mitte angesiedelt bleiben. Wer versucht, bürgerliche Gruppen oder Parteien zu stigmatisieren, schadet nur dem gemeinsamen Ziel.
Die AfD als Adressat der Proteste ist aber richtig?
SÖDER Völlig richtig. Die AfD entwickelt immer radikalere Zentrifugalkräfte. Sie ist eine zutiefst rechtsextreme Partei. Es schüttelt mich jedes Mal regelrecht, wenn ich diese hasserfüllten Reden höre. Die AfD ist gegen ein vereintes Europa und Wegbereiter für Putin. Wenn sie an die Macht kommt, ist es mit Freiheit und Wohlstand in unserem Land vorbei. Deshalb kann ich nur raten: Augen auf und Hände weg von der AfD.
Gehen Sie selbst demonstrieren?
SÖDER Grundsätzlich bin ich dafür offen. Für Politiker stellt sich aber weniger die Frage, wie oft sie demonstrieren, sondern wie sie konkret handeln. Der Auftrag ist klar: Wir müssen alles tun, um den Menschen die Sorgen zu nehmen und die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Solidarität zu zeigen ist das eine, wir müssen aber Probleme lösen.
Wie kann man die AfD in den Ländern bekämpfen?
SÖDER Man muss die AfD noch viel stärker inhaltlich stellen. Die Idee des Austritts Deutschlands aus Europa, die menschenunwürdigen Aussagen über Kinder mit Behinderung von Björn Höcke, das Schwadronieren über Deportationen deutscher Staatsbürger – das ekelt einen an. Die Verfassungsschutzbehörden werden sich sicher alles genau ansehen. Und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung kann ein wichtiger Fingerzeig sein. Für mich ist klar: kein staatliches Geld für Verfassungsfeinde.
„Die AfD driftet in die düstersten Kapitel unserer Geschichte ab. Sie spaltet und schadet unserem Land.“Markus Söder Ministerpräsident Bayern
Anderes Thema. Sollte sich die Union bei der Schuldenbremse bewegen?
SÖDER Nein. Die Schuldenbremse im Bund ist bereits wachsweich. Der Finanzminister kann 30 Milliarden Euro aufnehmen – anders als die Länder mit ihren strikten Vorgaben hat er damit große Spielräume. Die Ampel muss einfach die Prioritäten anders setzen: Heizungsgesetz weg, Bürgergeld ändern, nicht Tausende neue Stellen für den Regierungsapparat schaffen und auf teure Neubauten beim Kanzleramt verzichten. Ich bezweifle ohnehin, dass Olaf Scholz davon persönlich noch viel haben wird.