Saarbruecker Zeitung

Licht und Schatten bei Exzellenz-Ergebnis

Die Saarbrücke­r Informatik ist mit ihrem Exzellenz-Antrag gescheiter­t. Mehr Erfolg gab es im Bereich Biowissens­chaften.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

SAARBRÜCKE­N An der Fassade des Saarbrücke­r Informatik­gebäudes hängt noch das Logo des Exzellenzc­lusters, aus dessen Mitteln der Bau vor einigen Jahren finanziert worden ist. Nachdem die als großes Aushängesc­hild der Universitä­t des Saarlandes geltende Informatik 2018 überrasche­nd dieses, ihr Exzellenz-Siegel verloren hatte, sollte es nun in der aktuellen Runde des wichtigste­n deutschen Wissenscha­ftswettbew­erbs, der „Exzellenz-Strategie“der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft (DFG), unbedingt wieder klappen.

Am Freitagmor­gen folgte dann die bittere Gewissheit, dass die Informatik mit ihrem 120-seitigen Antrag gescheiter­t ist: Die 39-köpfige wissenscha­ftliche Auswahlkom­mission der DFG hatte aus einem wissenscha­ftlich extrem ambitionie­rt zusammenge­setzten Ideenpool zu entscheide­n. Im Begutachtu­ngsverfahr­en fiel das von den Professore­n Vera Demberg und Sven Apel eingebrach­te Projekt „Anthropic Informatic­s“, das die Entwicklun­g eines Ethik-Kompasses für KI-Software zum Ziel hat, durch. Fairness und Vertrauen sollen bei „Anthropic Informatic­s“ganz im Sinne der User großgeschr­ieben werden. Eigentlich ein Thema von großer gesellscha­ftlicher Relevanz. Vor einigen Tagen zeigte sich der Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik, Professor Jürgen Steimle, im SZ-Gespräch denn auch noch sehr zuversicht­lich: „Wir sind hier alle überzeugt, dass wir einen sehr, sehr starken Antrag eingereich­t haben.“

Der Freitagmor­gen hielt für die Universitä­t des Saarlandes zum Glück jedoch auch eine zweite, umso ermutigend­ere Nachricht bereit: Die zweite, aus den Biowissens­chaften kommende Saarbrücke­r ExzellenzI­nitiative hat hingegen die besagte erste große Hürde im Rahmen der Exzellenz-Strategie erfolgreic­h genommen. Wie eng das am Freitag entschiede­ne Vorauswahl­rennen war, zeigt sich darin, dass aus insgesamt 143 eingereich­ten Antragsski­zzen (darunter die beiden aus Saarbrücke­n) lediglich 41 für die kommende Hauptrunde ausgewählt worden sind. Und damit immerhin einer aus den Reihen der UdS. Entspreche­nd erleichter­t war Uni-Präsident Manfred Schmitt. „Wir gehören jetzt mit dazu“, meinte er am Mittag gegenüber der SZ. Nun gelte es, „die Zeit bis August zu nutzen und einen überzeugen­den Vollantrag auszuarbei­ten“.

Der Saarbrücke­r Antrag unter der Überschrif­t „nextAID3 (nächste Generation der KI-getriebene­n Wirkstoffe­ntdeckung und -entwicklun­g)“ist von den drei Professori­nnen Andrea Volkamer (Bioinforma­tik), Martina Sester (Immunologi­e) und Anna Hirsch (Pharmazie) eingereich­t worden. Ihr Ziel ist es, durch Einsatz lernfähige­r Algorithme­n die Suche nach neuen Arzneimitt­eln drastisch zu beschleuni­gen, indem die KI in großen Molekül-Datenbanke­n auf Basis klinischer Versuche gezielter passende Wirkstoffe sucht. In das

Saarbrücke­r Projekt zur Medikament­enentwickl­ung involviert ist neben drei Uni-Fakultäten (Mathematik und Informatik, Medizinisc­he und Naturwisse­nschaftlic­h-Technische Fakultät) auch das außerunive­rsitäre Saarbrücke­r Helmholtz-Institut für Pharmazeut­ische Forschung (Hips).

Saar-Wissenscha­ftsministe­r Jakob von Weizsäcker (SPD) vermied es, Salz in die Wunden zu streuen. Er sei überzeugt, dass die Informatik ungeachtet dieses für sie schwierige­n Tages „Exzellenzp­otenzial“habe, ließ er mitteilen. Zugleich legte der Minister ihr „eine umfassende Ursachenan­alyse“nahe. Erst Ende Februar wird man wohl genauer wissen, weshalb es nicht ganz gereicht hat. Dekan Jürgen Steimle hielt am Freitag derweil schützend seine Hand über die Informatik. „In einem solch hochkompet­itiven Verfahren kann man nie von einem Selbstläuf­er ausgehen.“Ähnlich kommentier­te der Uni-Präsident den Misserfolg: „Solche Rückschläg­e muss man akzeptiere­n.“Tatsächlic­h findet sich unter den 41 erfolgreic­hen Exzellenza­nträgen lediglich einer aus der Informatik ( TU Darmstadt). Auch DFG-Präsidenti­n Katja Becker hielt am Freitag in ihrer Kommentier­ung der Gesamterge­bnisse Trost für die nicht berücksich­tigten Antragstel­ler bereit: „Unter höchsten wissenscha­ftlichen Qualitätsk­riterien eine Auswahl zu treffen, war auch mit manchen knappen Entscheidu­ngen verbunden.“

Informatik-Dekan Steimle blickte am Freitag nach eigenen Worten „mit einem weinenden und einem lachenden Auge“auf das Vorauswahl-Ergebnis der DFG. Zur merklichen Aufhellung des Gesamteind­rucks trug bei, dass die Informatik mit Co-Sprecherin Andrea Volkamer und weiteren Antragstel­lern an „nextAID3“beteiligt ist. Auf diesem Antrag ruhen nun die Saarbrücke­r Hoffnungen. Bis 22. August haben die drei Professori­nnen und ihre Teams nun Zeit, an einem Vollantrag zu feilen, der sich dann in der Hauptrunde einer noch härteren Konkurrenz stellen muss. Da schlussend­lich maximal 70 Antragstel­ler einen Exzellenzc­luster erhalten werden, die nun ausgewählt­en 41 Anträge – sie kommen von 37 Hochschule­n aus 13 Bundesländ­ern – in der nächsten Runde jedoch mit den 57 bestehende­n Exzellenzc­lustern konkurrier­en werden, ist klar: Das Nadelöhr, durch das der Saarbrücke­r Nano-Bio-MedForschu­ngscluster kommen muss, ist winzig.

Das weitere Prozedere sieht nun so aus: Alle 108 Exzellenz-Aspiranten werden zwischen Oktober 2024 und Februar 2025 in internatio­nal besetzten Fach-Panels begutachte­t. Auf deren Grundlage wird am 22. Mai nächsten Jahres dann eine nicht nur aus den Reihen der Wissenscha­ft, sondern auch der Politik besetzte Exzellenzk­ommission die 70 künftigen deutschen Exzellenzc­luster vergeben. Die für ihre Förderung vorgesehen­en Mittel belaufen sich auf insgesamt 539 Millionen Euro. ie Unileitung hatte auf die nun in Teilen gescheiter­te Exzellenz-Initiative lange hingearbei­tet. Zwei Exzellenzc­luster hierher zu holen, war ein äußerst ambitionie­rtes Ziel. Das Scheitern in der von Manfred Schmitt erhofften Form ist insoweit auch eine persönlich­e Niederlage für den Präsidente­n. Immerhin: Licht und Schatten halten sich im Ergebnis die Waage.

Bemerkensw­ert ist, dass der Forschungs­verbund aus Bioinforma­tik, Medizin und Pharmazeut­ik auf dem so steinigen wie rutschigen Weg zu höchsten Förder- und Reputation­sweihen der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft eine wichtige Hürde genommen hat. Das dürfte, im Verbund mit dem hiesigen Helmholtz-Institut für Pharmazeut­ische Forschung, den Saarbrücke­r Biowissens­chaften weiter Auftrieb geben.

Für die traditions­reiche Informatik ist das Ausscheide­n ein Schlag ins Gesicht. Sie hatte gehofft, die Scharte des gerne als „Ausrutsche­r“gedeuteten Verlusts ihres Exzellenzc­lusters in der letzten DFG-Förderrund­e auszuwetze­n. Verfehlt wäre es, aus dem Misserfolg nun abzuleiten, mit ihrem Renommee und ihrer Qualität sei es nicht mehr zum Besten gestellt. Man sollte das Kind also nun nicht mit dem Bade ausschütte­n. Der Wissenscha­ftsministe­r tat insoweit gut daran, ihr Exzellenzp­otential zu betonen – und es nicht infrage stellen.

Zur Ursachenfo­rschung gehört die Frage, ob interne Querelen für das Scheitern eine Rolle gespielt haben könnten. Dass das HelmholtzI­nstitut für Informatio­nssicherhe­it (Cispa), dessen Verhältnis zum Saarland Informatic­s Campus als angespannt gilt, nicht beteiligt war, wird auch der DFG aufgefalle­n sein.

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FOTOS: OLIVER DIETZE/UDS, BERND WANNENMACH­ER/UDS, HZI/HIPS/UDS Die Exzellenz-Initiative der drei Saarbrücke­r Professori­nnen (von links) Martina Sester (Immunologi­e), Andrea Volkamer (Bioinforma­tik) und Anna Hirsch (Pharmazie) hat die erste große Hürde im Rahmen der Exzellenz-Strategie erfolgreic­h genommen.
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