Was ist dran an Oskars Sozialmissbrauchsstory?
Ukrainer, die Sozialleistungen beziehen, aber in ihrer Heimat leben? Oskar Lafontaine erwähnte im Deutschlandfunk einen Fall aus Merzig. Was die Behörden dazu sagen.
SAARBRÜCKEN Vor der bundesweiten Hörerschaft des Deutschlandfunks hat Oskar Lafontaine kürzlich von angeblichem Sozialmissbrauch ukrainischer Flüchtlinge in seiner Heimatstadt Merzig berichtet. Was ist dran? Rückblende: Seine Frau Sahra Wagenknecht hatte schon vor Monaten gesagt: „Wenn Ukrainer in ihre Heimat zurückfahren, dort faktisch leben, und nur herkommen, um die Leistung zu bekommen, dann stehen da große Fragezeichen.“
Auf diesen Satz wurde Lafontaine nun im Deutschlandfunk angesprochen. Er verteidigte seine Frau mit Verweis auf Merzig. „Es gibt tatsächlich angemietete Wohnungen für ukrainische Flüchtlinge, die dann nicht belegt sind eine ganze Zeit lang. Insofern gibt es eine Diskussion in der Bevölkerung, ob hier nicht Missbrauch betrieben wird. (…) Wenn man zum Beispiel – das hat die Gemeinde, in der ich wohne, bestätigt – wenn man ein ganzes Haus mietet und das steht leer, ist das für die Gemeindeverwaltung auch wirklich nicht angenehm, eine solche Miete zu rechtfertigen, die im Grunde gar nicht in Anspruch genommen wird.“
Ein Sprecher der Stadt Merzig erklärte dazu auf Anfrage unserer Zeitung: „In der Kreisstadt Merzig gibt es kein Haus mit Leerstand, welches für die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge genutzt wird. Es gab allerdings den Fall, dass eine Wohnung, welche für ukrainische Flüchtlinge zugeordnet ist, für einen Zeitraum von zirka drei Wochen von der Familie nicht genutzt worden ist und leer gestanden hat. Dies wurde der Kreisstadt Merzig gemeldet.“Die Kommunen seien zur Unterbringung der ihnen zugewiesenen Flüchtlinge gesetzlich verpflichtet. Ohne dringlichen Grund würden die Wohnungen nicht aufgesucht. Lafontaine wollte in dem Interview auf Nachfrage zwar nicht von „massenhaftem“Sozialmissbrauch durch Ukrainer sprechen, sagte aber: „Es gibt mehrere Hinweise im ganzen Land, dass solche Fälle auftreten. Das ist der Sachverhalt, den niemand bestreiten kann. Insofern muss man sich informieren, dann erkennt man eine ganze Reihe solcher Sachverhalte.“Eine ganze Reihe?
Nachfrage bei den saarländischen Landkreisen. „Es gibt Personen, die Systeme ausnutzen“, sagt Susanne Schwarz, die Geschäftsführerin des Landkreistags, schränkt aber ein: „Anhaltspunkte, dass dies derzeit von ukrainischen Personen in so signifikanter Weise geschieht, dass es das System der Versorgung ohne Gegenmaßnahmen zurück lässt, gibt es nicht.“
Wenn etwa das Jobcenter registriere, dass Termine nicht wahrgenommen werden oder die Person am Integrationskurs nicht teilnimmt, kläre das Jobcenter, ob sich diese Person überhaupt noch hier aufhält. Das Ergebnis dieser Prüfungen könne sein, dass keine Leistungen mehr gezahlt werden, sagt Schwarz. Auch ein Eintrag in die Datenbank beim Hauptzollamt Potsdam mit der Folge, dass beim Grenzübertritt eine Taschenpfändung erfolgen kann, und eine
„Wer ohne Genehmigung abreist, verliert für diese Zeit seinen Leistungsanspruch auf Bürgergeld.“Saarländischer Landkreistag
Strafanzeige mit Erfassung in der Fahndungsdatenbank sind möglich.
Es gebe jedoch „keine bedeutenden Fallzahlen“, betont Schwarz. Auch in Merzig seien „lediglich wenige Einzelfälle von Abwesenheiten nicht über drei Wochen vorhanden“. Eine vorübergehende Rückreise, zum Beispiel zum Verwandtenbesuch, ist unter bestimmten Bedingungen sogar möglich, in der Regel für bis zu drei Wochen: Die Personen müssen erreichbar sein, sie brauchen eine Genehmigung ihres Jobcenters, und es darf in dieser Zeit kein Integrationskurs anstehen. „Wer ohne Genehmigung abreist, verliert für diese Zeit seinen Leistungsanspruch auf Bürgergeld“, erläutert der Landkreistag.
Es könnte also durchaus sein, dass die Ukrainer in Merzig, die Oskar Lafontaine im Sinn hatte, gar nicht gegen Gesetze verstoßen haben.