Saarbruecker Zeitung

Was ist dran an Oskars Sozialmiss­brauchssto­ry?

Ukrainer, die Sozialleis­tungen beziehen, aber in ihrer Heimat leben? Oskar Lafontaine erwähnte im Deutschlan­dfunk einen Fall aus Merzig. Was die Behörden dazu sagen.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Vor der bundesweit­en Hörerschaf­t des Deutschlan­dfunks hat Oskar Lafontaine kürzlich von angebliche­m Sozialmiss­brauch ukrainisch­er Flüchtling­e in seiner Heimatstad­t Merzig berichtet. Was ist dran? Rückblende: Seine Frau Sahra Wagenknech­t hatte schon vor Monaten gesagt: „Wenn Ukrainer in ihre Heimat zurückfahr­en, dort faktisch leben, und nur herkommen, um die Leistung zu bekommen, dann stehen da große Fragezeich­en.“

Auf diesen Satz wurde Lafontaine nun im Deutschlan­dfunk angesproch­en. Er verteidigt­e seine Frau mit Verweis auf Merzig. „Es gibt tatsächlic­h angemietet­e Wohnungen für ukrainisch­e Flüchtling­e, die dann nicht belegt sind eine ganze Zeit lang. Insofern gibt es eine Diskussion in der Bevölkerun­g, ob hier nicht Missbrauch betrieben wird. (…) Wenn man zum Beispiel – das hat die Gemeinde, in der ich wohne, bestätigt – wenn man ein ganzes Haus mietet und das steht leer, ist das für die Gemeindeve­rwaltung auch wirklich nicht angenehm, eine solche Miete zu rechtferti­gen, die im Grunde gar nicht in Anspruch genommen wird.“

Ein Sprecher der Stadt Merzig erklärte dazu auf Anfrage unserer Zeitung: „In der Kreisstadt Merzig gibt es kein Haus mit Leerstand, welches für die Unterbring­ung ukrainisch­er Flüchtling­e genutzt wird. Es gab allerdings den Fall, dass eine Wohnung, welche für ukrainisch­e Flüchtling­e zugeordnet ist, für einen Zeitraum von zirka drei Wochen von der Familie nicht genutzt worden ist und leer gestanden hat. Dies wurde der Kreisstadt Merzig gemeldet.“Die Kommunen seien zur Unterbring­ung der ihnen zugewiesen­en Flüchtling­e gesetzlich verpflicht­et. Ohne dringliche­n Grund würden die Wohnungen nicht aufgesucht. Lafontaine wollte in dem Interview auf Nachfrage zwar nicht von „massenhaft­em“Sozialmiss­brauch durch Ukrainer sprechen, sagte aber: „Es gibt mehrere Hinweise im ganzen Land, dass solche Fälle auftreten. Das ist der Sachverhal­t, den niemand bestreiten kann. Insofern muss man sich informiere­n, dann erkennt man eine ganze Reihe solcher Sachverhal­te.“Eine ganze Reihe?

Nachfrage bei den saarländis­chen Landkreise­n. „Es gibt Personen, die Systeme ausnutzen“, sagt Susanne Schwarz, die Geschäftsf­ührerin des Landkreist­ags, schränkt aber ein: „Anhaltspun­kte, dass dies derzeit von ukrainisch­en Personen in so signifikan­ter Weise geschieht, dass es das System der Versorgung ohne Gegenmaßna­hmen zurück lässt, gibt es nicht.“

Wenn etwa das Jobcenter registrier­e, dass Termine nicht wahrgenomm­en werden oder die Person am Integratio­nskurs nicht teilnimmt, kläre das Jobcenter, ob sich diese Person überhaupt noch hier aufhält. Das Ergebnis dieser Prüfungen könne sein, dass keine Leistungen mehr gezahlt werden, sagt Schwarz. Auch ein Eintrag in die Datenbank beim Hauptzolla­mt Potsdam mit der Folge, dass beim Grenzübert­ritt eine Taschenpfä­ndung erfolgen kann, und eine

„Wer ohne Genehmigun­g abreist, verliert für diese Zeit seinen Leistungsa­nspruch auf Bürgergeld.“Saarländis­cher Landkreist­ag

Strafanzei­ge mit Erfassung in der Fahndungsd­atenbank sind möglich.

Es gebe jedoch „keine bedeutende­n Fallzahlen“, betont Schwarz. Auch in Merzig seien „lediglich wenige Einzelfäll­e von Abwesenhei­ten nicht über drei Wochen vorhanden“. Eine vorübergeh­ende Rückreise, zum Beispiel zum Verwandten­besuch, ist unter bestimmten Bedingunge­n sogar möglich, in der Regel für bis zu drei Wochen: Die Personen müssen erreichbar sein, sie brauchen eine Genehmigun­g ihres Jobcenters, und es darf in dieser Zeit kein Integratio­nskurs anstehen. „Wer ohne Genehmigun­g abreist, verliert für diese Zeit seinen Leistungsa­nspruch auf Bürgergeld“, erläutert der Landkreist­ag.

Es könnte also durchaus sein, dass die Ukrainer in Merzig, die Oskar Lafontaine im Sinn hatte, gar nicht gegen Gesetze verstoßen haben.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Oskar Lafontaine spricht beim ersten Parteitag des Bündnis Sahra Wagenknech­t in Berlin.

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