Signal gegen die Gefahr von ganz rechts
Der Regionalverbandschef zur Resolution gegen Rechtsextremismus, zu historischer Verantwortung und Spaltungsversuchen.
Herr Gillo, wie zufrieden sind Sie mit dem Ausgang der Sitzung?
PETER GILLO Sehr, weil die Stoßrichtung der Resolution die Gleiche geblieben ist. Meine Befürchtung, dass sie relativiert werden könnte durch diverse Änderungsvorschläge hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Es ist nach wie vor ein sehr, sehr starkes Signal des Regionalverbandes in die Öffentlichkeit hinein gegen Rechtsextremismus. Davon geht die weitaus größte und leider auch sehr reale Gefahr für unsere Demokratie aus. Die Regionalversammlung hat sich mit der Resolution deutlich positioniert. Ich verstehe, dass es dem einen oder anderen wichtig war, noch in einem kleinen Zusatz darauf hinzuweisen, dass es auch andere Formen des Extremismus gibt, die man im Auge behalten muss. Aber ich bin froh, dass es gelungen ist, ein einstimmiges Ergebnis herbeizuführen.
Im Kreistag Saarlouis wurde vergangene Woche eine ähnliche Resolution verabschiedet. Hat Sie das inspiriert?
GILLO Ich hatte die Idee schon vorher. Ganz sicher war ich mir nach der Demo letzten Freitag, als 7000 Menschen auf dem Schlossplatz standen. Es ist der Platz, von dem aus die jüdische Bevölkerung Saarbrückens in Vernichtungslager deportiert wurde, ein Ort der Unterdrückung in der Zeit des Nationalsozialismus, Standort der Gestapo und Sicherheitspolizei, ein Platz, der viele Opfer gefordert hat. Auf diese Geschichte wurde in der Resolution Bezug genommen. Heute ist der Schlossplatz der Platz des Regionalverbandes. Deshalb bin ich froh, dass die Regionalversammlung zu so einer starken Einigung gekommen ist, die dieser Verantwortung gerecht wird. Der Saarlouiser Text hat da keine Rolle gespielt, ich kannte ihn nicht, als ich mich an den Entwurf setzte.
Er ist viel schärfer formuliert und richtet sich ganz klar gegen die AfD. War Ihnen das zu heikel?
GILLO Als Direktor des Regionalverbands habe ich eine sogenannte Organfunktion. In dieser darf ich nicht so gegen eine Partei oder Fraktion Stellung beziehen, wie ich das als Privatperson oder Politiker mache. In Saarlouis ging die Initiative von den Fraktionen des Kreistags aus, die da freier sind. Aber jeder weiß, wo ich stehe. Meine Aufgabe bestand darin, klar Stellung zu beziehen und der Text ist so formuliert, dass jedem klar ist, worum es geht.
Es gab aber Kritik, weil der Text mit heißer Nadel gestrickt war. Wieso wollten Sie nicht bis zur nächsten Sitzung in sechs Wochen warten?
GILLO Ich bin der Auffassung, dass man sich jetzt positionieren muss. Ein großer Teil der Bevölkerung verspürt das Bedürfnis, sich für unsere Demokratie zu engagieren, zu sagen „Nein, ich möchte nicht, dass Menschen mit Migrationshintergrund massenhaft gegen ihren Willen aus Deutschland vertrieben werden“. Das ist eine so klare Haltung aus der
Mitte unserer Gesellschaft heraus. Die kommunalen Gebietskörperschaften und damit auch der Regionalverband müssen zeigen, dass wir hinter ihnen stehen und sie unterstützen.
Vor der geplanten Großdemo von „Bunt statt braun“am Samstag gab es Streit: Die JU und Julis wollen nicht mit „Linksextremisten“wie der Antifa und der Kommunistischen Partei demonstrieren, die bei der vergangenen Demo zur Teilnahme aufgerufen hatten.
GILLO Niemand wird gezwungen, mit irgendjemanden zu demonstrieren. „Bunt statt braun“ist eine Initiative, die vor einigen Jahren extrem erfolgreich war und sehr viele Menschen auf die Straße gebracht hat. Es ist ein sehr breites Bündnis von Personen, Organisationen und Gewerkschaften, die es jetzt wiederbelebt haben. Sie waren offenbar der Meinung, dass man dieses Bündnis möglichst breit aufstellen sollte. Jetzt kann man sich natürlich an einzelnen Splittergruppen abarbeiten – oder es einfach lassen. Ich würde empfehlen, es zu lassen, aber die JU und Julis müssen das selbst wissen. Ich persönlich war auch nicht mit jeder Aussage einverstanden, die hier am Schlossplatz zu hören war, einige fand ich sogar fahrlässig, wenn das Ziel ist, möglichst viele Menschen und Gruppen zu vereinen. Manches war eher geeignet, zu spalten. Aber das habe ich geschluckt und hingenommen, weil ich weiß, worum es im Kern geht.
Werden Sie selbst an der Kundgebung auf dem Ludwigsplatz teilnehmen?
GILLO Ja sicher!
Und auch sprechen?
GILLO Ich habe großes Vertrauen in den Organisationskreis und bin sicher, dass ich mich in den meisten Reden wiederfinden werde. Aber ich muss nicht immer selbst am Mikro stehen. ine klare Haltung gegen Rechtsextremismus sollte für jede demokratische Partei in Deutschland eigentlich Minimalkonsens sein. Insofern ist es schön, dass die Regionalversammlung am Donnerstag einstimmig eine entsprechende Resolution verabschiedet hat. Noch bevor das Vorhaben kurzfristig auf die Tagesordnung gehoben werden konnte, drohte es aber schon zu scheitern, da der CDU der Entwurf nicht passte: Der Fraktion fehlte eine ebenso deutliche Positionierung gegen Linksextremismus und Islamismus.
Dass sie dafür von der AfD Applaus bekamen, sollte den Christdemokraten zu denken geben
– ist diese Ablenkungsstrategie in gewissen Milieus doch sehr beliebt und leider auch erfolgreich. Den „Beweis“lieferte ausgerechnet Linken-Fraktionsvorsitzender Jürgen Trenz nur wenige Minuten später: Laut einer Umfrage hätten die Bürger nicht vor Rechtsextremismus, sondern vor Islamismus am meisten Angst. Ein Blick in den Verfassungsschutzbericht des Saarlandes hätte geholfen, dieses höchst subjektive Empfinden richtig einzuschätzen: 2022 wurden dort lediglich zwei islamistische Straftaten registriert, nur eine einzige linksextremistische – dafür aber 274 mit rechtsextremistischen Hintergrund. Darunter Gewalttaten, Körperverletzungen und sogar ein versuchter Mord.
Politiker sollten diese Zahlenverhältnisse kennen und nicht mit völlig unpassenden Vergleichen zusätzlich für Verunsicherung sorgen. Ansonsten drängt sich leider der Verdacht auf, dass sie die Gefahr, die vom Rechtsextremismus ausgeht, vielleicht doch nicht so ganz ernst nehmen – und damit hunderttausende Menschen verprellen, die in den letzten Wochen gegen rechts auf die Straße gingen. Von der AfD, die sich von der Resolution persönlich angegriffen fühlte, ist ja nichts anderes zu erwarten. Von Christdemokraten und Linken dagegen schon.