Die erste Faasenacht seit 64 Jahren ohne ihn
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Dieter Karthein.
NEUNKIRCHEN Zum ersten Mal seit 64 Jahren findet die saarländische Faasenacht ohne Dieter Karthein statt. Der im ganzen Saarland bekannte Karnevalist starb am
4. März 2023 im Alter von 84 Jahren. Seine Frau Ulla und Sohn Olaf erzählen uns den Lebensweg eines Mannes, der die Faasenacht im Saarland wesentlich mitgeprägt hat.
Dieter Karthein kam am
11. Mai 1938 in Neunkirchen als zweites Kind von Reinhold und Maria Karthein zur Welt. Er hatte noch zwei Brüder, Rainer (geboren 1937) und Udo (1941). Der Vater war Elektriker, die Mutter Hausfrau, sie arbeitete nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahre 1952 zur Aufbesserung der Rente bei Saar-Toto. Im ZweitenWeltkrieg war die Familie nach Eckenhaid in Franken evakuiert worden, konnte nach ihrer Rückkehr aber wieder in ihre Wohnung einziehen, die trotz Bombenabwürfen auf Neunkirchen unbeschädigt geblieben war.
Der junge Dieter besuchte zunächst die Volksschule und wechselte später aufs Neunkircher Krebsberggymnasium. Er verließ die Schule aber noch vor dem Abitur. Der Vater war bereits tot, das Einkommen spärlich und er daher gezwungen mitzuverdienen. So absolvierte Dieter eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann bei der Saar-Rhein-Versicherung in Saarbrücken und arbeitete dort 40 Jahre lang. Unter anderem war er Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied, ehe er 1998 als Handlungsbevollmächtigter in Rente ging.
Schon 1960 entdeckte Dieter Karthein seine Liebe zum Karneval. Er wurde Orga-Chef bei der „Neinkerjer Plätsch“und lernte bei einem Büttenrednertreffen die damals 16-jährige Ulla Sievers kennen und lieben. Am 13. September 1965 heirateten die beiden, vier Jahre später kam Sohn Olaf zur Welt.
Dieter Karthein war über sechs Jahrzehnte in verschiedenen
Funktionen ehrenamtlich tätig. Bei der „Neinkerjer Plätsch“von 1960 bis 1974, im Kinder-Karneval-Verein Hoppeditz ab 1974. Im Verband saarländischer Karnevalsvereine ( VSK) hat er sich ab 1961 als Regionalvertreter Neunkirchens, als Redaktionschef des VSK-Presseorgans „Narrenschau“und 1971 bis 1977 als Schatzmeister ausgezeichnet. 1978 wurde er zum VSK-Präsident gewählt. Das Amt übte er bis 1997 aus und wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt. Mit Umsicht und Weitblick hat er den VSK geführt.
Bei seiner Amtsübernahme waren 34 Vereine gelistet, zum Zeitpunkt der Amtsübergabe an seinen Nachfolger 150 Vereine.
In seine Amtszeit fallen viele Initiativen, die heute zum Markenzeichen des VSK gehören: karnevalistische Großveranstaltungen wie 1978 die Deutschen BDK-Meisterschaften für karnevalistische Tänze. Zudem war er Ideengeber und tatkräftiger Initiator bei der Gründung des Saarländischen Fastnachtmuseums in Ottweiler und der deutsch-französischen Fastnacht in Saverne.
1984 schuf er den VSK-Verdienstorden und rief 1986 das „PrinzenFrühstück“ins Leben, das sich mit der Wahl des Prinzenpaares des Jahres zum närrischen Glanzlicht entwickelte. In Zusammenarbeit mit dem SR und dem Club SR-Freunde gab er den Anstoß zu einem Liedwettbewerb zur Erhaltung und Förderung des saarländischen karnevalistischen Liedgutes. Ebenso stellte er die Jugendarbeit durch die Gründung eines eigenständigen Jugendverbandes auf eine solide Grundlage und verhandelte den Eintritt des VSK als Mitglied der „Landesakademie für musisch-kulturelle Bildung“.
Von 1974 bis 2000 engagierte sich Dieter Karthein auch im Bund Deutscher Karneval (BDK) und als Mitglied im Redaktionsausschuss des BDK-Organs „Deutsche Fastnacht“. Von 1976 bis 1997 vertrat er die Interessen der saarländischen Fastnacht als Mitglied im Beirat des BDK.
Für sein unermüdliches Engagement erhielt Dieter Karthein viele Auszeichnungen. Im karnevalistischen Bereich den BDK-Verdienstorden in Gold mit Brillanten und im April 2007 im musisch-kulturellen Bereich – als höchste Auszeichnung – das Bundesverdienstkreuz. Neben dem Karneval zählten das Fotografieren und Reisen zu seinen Hobbys. Ulla Karthein sagt: „Wir hatten beide eher Fernweh als Heimweh.“So wurde fast die ganze Welt bereist. „Wir wollten auch noch nach Australien und Japan, aber Dieter konnte diese anstrengenden Reisen wegen einer Herzmuskelentzündung nicht mehr antreten“, sagt Ulla Karthein. Die Herzkrankheit war nicht die einzige schwere Krankheit Dieter Kartheins. 1997 erlitt er einen Schlaganfall, der glücklicherweise ohne Folgeschäden blieb. 2002 erkrankte er an Blasenkrebs, der erfolgreich behandelt wurde.
Am Fastnachtssonntag 2023 wollte Dieter Karthein wegen großer Schmerzen von seinem Sohn in die Uniklinik Homburg gefahren werden, wo er behandelt wurde und sich sein Zustand besserte. „Er plante sogar schon seinen 85. Geburtstag“, erzählt Olaf Karthein. Doch unerwartet verschlechterte sich der gesundheitliche Zustand seines Vaters wieder und am 4. März starb Dieter Karthein. „Seinen Wunsch, in einem Baumgrab die letzte Ruhe zu finden, haben wir am 22. März erfüllt“, sagt seine Witwe.
Bei einer würdigen Trauerfeier in der Christuskirche in Neunkirchen am 24. März nahmen über 250Menschen Abschied von Dieter Karthein. Den Gottesdienst gestalteten Pfarrer Uwe Schmidt, Kantor Nino Deda, Opernsänger Peter Floch und Jürgen Großner, ein VSK-Weggefährte. Julius Messemer kochte für die Trauergäste Dieter Kartheins geliebte Gulaschsuppe, und Stefan Regert, der amtierende VSK-Präsident, forderte erinnernd im Kondolenzbrief: „Dieter war ein Herzblutkarnevalist bis zur letzten Stunde. Sein Andenken gilt es weiter zu wahren, um ihm ein würdiges Denkmal zu setzen.“
Die Faasenacht brachte Dieter Karthein sogar die große Liebe.
stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-zeitung.de/lebenswege