US-Militärschläge gegen Milizen im Nahen Osten
Seit dem Beginn des Gazakriegs artet die Lage im Nahen Osten zunehmend aus. Nun schlagen die USA in hoher Taktung mehrfach gegen proiranische Milizen zu.
WASHINGTON (dpa) In der Nacht zum Samstag schlagen die Amerikaner erst im Irak und in Syrien zu. Das US-Militär feuert auf Stellungen proiranischer Milizen in beiden Ländern. Es ist die Vergeltung für eine tödliche Attacke auf US-Soldaten. Etwa 24 Stunden später folgt eine weitere Aktion: In der Nacht zum Sonntag fliegen Streitkräfte der USA und Großbritanniens Luftschläge gegen Ziele der Huthi-Miliz im Jemen, die ebenfalls von Teheran unterstützt wird. Die Serie an Militärschlägen ist eine Machtdemonstration der USA und ihrer Partner – und der Versuch, dem zunehmenden Kontrollverlust im Nahen Osten etwas entgegenzusetzen. Ob das Erfolg hat, ist offen. Klar ist nur, dass weitere US-Militärschläge folgen werden. Wie groß ist die Gefahr eines neuen
Krieges mit dem Iran?
Am vergangenen Sonntag waren bei einem Drohnenangriff proiranischer Milizen in Jordanien, nahe der syrischen Grenze, drei amerikanische Soldaten getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. US-Präsident Joe Biden kündigte danach sofort Vergeltung an, ließ sich mit dem Gegenschlag aber mehrere Tage Zeit. Er stand vor der schwierigen Aufgabe, eine Balance zu finden: Die von Teheran unterstützten Kräfte in der Region abzuschrecken, ohne dabei noch härtere Reaktionen zu provozieren; Stärke zu zeigen, ohne die Lage im Nahen Osten komplett zu eskalieren und einen Krieg mit dem Iran zu riskieren.
Seit dem Beginn des Gazakriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Oktober artet die Lage in der Region zunehmend aus. Während Israel die Hamas im Gazastreifen bekämpft, kommt es in der israelisch-libanesischen Grenzregion fast täglich zu Angriffen zwischen Israel und der Schiitenmiliz Hisbollah. Gleichzeitig tyrannisiert die jemenitische Huthi-Miliz, die ihre Solidarität mit der Hamas erklärt hat, die internationale Container-Schifffahrt im Roten Meer. Alle drei Gruppen – Hamas, Hisbollah und Huthi – sind eng mit dem Iran verbunden. Und der Gazakrieg wird mehr und mehr zu einem Schattenkonflikt nicht nur zwischen Israel und dessen Erzfeind Iran, sondern auch zwischen Washington und Teheran.
Der Iran und die USA standen in der Vergangenheit immer wieder am Rande eines Krieges. Je tiefer die USA nun in die neuen Konfrontationen mit dem Iran und dessen Verbündeten gezogen werden, desto größer ist die Gefahr, dass diese eine Eigendynamik entwickeln – unabhängig vom Gazakrieg, auch wenn dieser der Auslöser war.
Biden entschied sich bei dem Vergeltungsschlag für einen Mittelweg. 30 Minuten lang feuerten amerikanische Streitkräfte in der Nacht zum Samstag aus der Luft auf mehr als 85 Ziele an sieben Standorten im Irak und in Syrien: auf Kommandozentralen, Geheimdienststandorte und Waffenlager, die demnach von den iranischen Revolutionsgarden (IRGC) und mit ihnen verbundenen Milizen genutzt wurden. Die Serie an Luftschlägen bedeutet eine neue
Eskalation im Nahen Osten – auch wenn die Amerikaner bewusst darauf verzichteten, Ziele im Iran selbst anzugreifen. Doch Biden macht klar: Dies ist nur der Anfang.
Die Reaktion der USA habe erst begonnen, erklärt er nach den Luftschlägen im Irak und in Syrien. „Sie wird fortgesetzt zu Zeiten und an Orten unserer Wahl.“US-Regierungsvertreter hatten bereits vorab angekündigt, die Vergeltung werde in mehreren Schritten erfolgen. Wann, wo und wie die Amerikaner als
Nächstes zuschlagen, dürfte davon abhängen, was der Iran und dessen verbündete Milizen nun tun.
Mehr als 160 Mal griffen proiranische Gruppen seit Mitte Oktober die US-Stützpunkte im Irak und Syrien an, das US-Militär reagierte mehrfach. In dieser Spirale aus Angriffen und Gegenschlägen ist unwahrscheinlich, dass die Attacken proiranischer Milizen jetzt einfach aufhören. Gefährlich werden könnte es besonders dann, wenn durch eine erneute Attacke von Milizen – etwa durch schlechte Planung oder Ausführung – eine noch größere Zahl US-Soldaten getötet würde. Danach wäre ein direkter Angriff auf Irans Revolutionswächter denkbar – und damit eine Ausweitung des Konflikts.
„Die Vereinigten Staaten streben keinen Konflikt im Nahen Osten oder irgendwo sonst in der Welt an“, betont Biden. „Aber all jene, die uns Schaden zufügen wollen, sollen dies wissen: Wenn Sie einem Amerikaner Schaden zufügen, werden wir darauf reagieren.“
Das bekommen auch die Huthi zu spüren. Nur einen Tag nach den Luftschlägen im Irak und in Syrien feuern Streitkräfte der USA und Großbritanniens gemeinsam auf Stellungen der Miliz im Jemen: 36 Ziele an 13 Orten. Es ist bereits der dritte gemeinsame britisch-amerikanische Militäreinsatz in den vergangenen Wochen gegen die Huthi. Deren Militärsprecher Jahja Sari spricht von 48 US-britischen Luftangriffen im Jemen und kündigt als Antwort eine „Bestrafung“an.
Serie an Luftschlä- gen bedeutet eine neue Eskalation im Nahen Osten – auch wenn die Amerikaner bewusst darauf verzichteten, Ziele im Iran selbst anzugreifen.