Saarbruecker Zeitung

US-Militärsch­läge gegen Milizen im Nahen Osten

Seit dem Beginn des Gazakriegs artet die Lage im Nahen Osten zunehmend aus. Nun schlagen die USA in hoher Taktung mehrfach gegen proiranisc­he Milizen zu.

- VON CHRISTIANE JACKE UND JOHANNES SADEK

WASHINGTON (dpa) In der Nacht zum Samstag schlagen die Amerikaner erst im Irak und in Syrien zu. Das US-Militär feuert auf Stellungen proiranisc­her Milizen in beiden Ländern. Es ist die Vergeltung für eine tödliche Attacke auf US-Soldaten. Etwa 24 Stunden später folgt eine weitere Aktion: In der Nacht zum Sonntag fliegen Streitkräf­te der USA und Großbritan­niens Luftschläg­e gegen Ziele der Huthi-Miliz im Jemen, die ebenfalls von Teheran unterstütz­t wird. Die Serie an Militärsch­lägen ist eine Machtdemon­stration der USA und ihrer Partner – und der Versuch, dem zunehmende­n Kontrollve­rlust im Nahen Osten etwas entgegenzu­setzen. Ob das Erfolg hat, ist offen. Klar ist nur, dass weitere US-Militärsch­läge folgen werden. Wie groß ist die Gefahr eines neuen

Krieges mit dem Iran?

Am vergangene­n Sonntag waren bei einem Drohnenang­riff proiranisc­her Milizen in Jordanien, nahe der syrischen Grenze, drei amerikanis­che Soldaten getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. US-Präsident Joe Biden kündigte danach sofort Vergeltung an, ließ sich mit dem Gegenschla­g aber mehrere Tage Zeit. Er stand vor der schwierige­n Aufgabe, eine Balance zu finden: Die von Teheran unterstütz­ten Kräfte in der Region abzuschrec­ken, ohne dabei noch härtere Reaktionen zu provoziere­n; Stärke zu zeigen, ohne die Lage im Nahen Osten komplett zu eskalieren und einen Krieg mit dem Iran zu riskieren.

Seit dem Beginn des Gazakriegs zwischen Israel und der islamistis­chen Hamas im Oktober artet die Lage in der Region zunehmend aus. Während Israel die Hamas im Gazastreif­en bekämpft, kommt es in der israelisch-libanesisc­hen Grenzregio­n fast täglich zu Angriffen zwischen Israel und der Schiitenmi­liz Hisbollah. Gleichzeit­ig tyrannisie­rt die jemenitisc­he Huthi-Miliz, die ihre Solidaritä­t mit der Hamas erklärt hat, die internatio­nale Container-Schifffahr­t im Roten Meer. Alle drei Gruppen – Hamas, Hisbollah und Huthi – sind eng mit dem Iran verbunden. Und der Gazakrieg wird mehr und mehr zu einem Schattenko­nflikt nicht nur zwischen Israel und dessen Erzfeind Iran, sondern auch zwischen Washington und Teheran.

Der Iran und die USA standen in der Vergangenh­eit immer wieder am Rande eines Krieges. Je tiefer die USA nun in die neuen Konfrontat­ionen mit dem Iran und dessen Verbündete­n gezogen werden, desto größer ist die Gefahr, dass diese eine Eigendynam­ik entwickeln – unabhängig vom Gazakrieg, auch wenn dieser der Auslöser war.

Biden entschied sich bei dem Vergeltung­sschlag für einen Mittelweg. 30 Minuten lang feuerten amerikanis­che Streitkräf­te in der Nacht zum Samstag aus der Luft auf mehr als 85 Ziele an sieben Standorten im Irak und in Syrien: auf Kommandoze­ntralen, Geheimdien­ststandort­e und Waffenlage­r, die demnach von den iranischen Revolution­sgarden (IRGC) und mit ihnen verbundene­n Milizen genutzt wurden. Die Serie an Luftschläg­en bedeutet eine neue

Eskalation im Nahen Osten – auch wenn die Amerikaner bewusst darauf verzichtet­en, Ziele im Iran selbst anzugreife­n. Doch Biden macht klar: Dies ist nur der Anfang.

Die Reaktion der USA habe erst begonnen, erklärt er nach den Luftschläg­en im Irak und in Syrien. „Sie wird fortgesetz­t zu Zeiten und an Orten unserer Wahl.“US-Regierungs­vertreter hatten bereits vorab angekündig­t, die Vergeltung werde in mehreren Schritten erfolgen. Wann, wo und wie die Amerikaner als

Nächstes zuschlagen, dürfte davon abhängen, was der Iran und dessen verbündete Milizen nun tun.

Mehr als 160 Mal griffen proiranisc­he Gruppen seit Mitte Oktober die US-Stützpunkt­e im Irak und Syrien an, das US-Militär reagierte mehrfach. In dieser Spirale aus Angriffen und Gegenschlä­gen ist unwahrsche­inlich, dass die Attacken proiranisc­her Milizen jetzt einfach aufhören. Gefährlich werden könnte es besonders dann, wenn durch eine erneute Attacke von Milizen – etwa durch schlechte Planung oder Ausführung – eine noch größere Zahl US-Soldaten getötet würde. Danach wäre ein direkter Angriff auf Irans Revolution­swächter denkbar – und damit eine Ausweitung des Konflikts.

„Die Vereinigte­n Staaten streben keinen Konflikt im Nahen Osten oder irgendwo sonst in der Welt an“, betont Biden. „Aber all jene, die uns Schaden zufügen wollen, sollen dies wissen: Wenn Sie einem Amerikaner Schaden zufügen, werden wir darauf reagieren.“

Das bekommen auch die Huthi zu spüren. Nur einen Tag nach den Luftschläg­en im Irak und in Syrien feuern Streitkräf­te der USA und Großbritan­niens gemeinsam auf Stellungen der Miliz im Jemen: 36 Ziele an 13 Orten. Es ist bereits der dritte gemeinsame britisch-amerikanis­che Militärein­satz in den vergangene­n Wochen gegen die Huthi. Deren Militärspr­echer Jahja Sari spricht von 48 US-britischen Luftangrif­fen im Jemen und kündigt als Antwort eine „Bestrafung“an.

Serie an Luftschlä- gen bedeutet eine neue Eskalation im Nahen Osten – auch wenn die Amerikaner bewusst darauf verzichtet­en, Ziele im Iran selbst anzugreife­n.

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FOTO: AS1 LEAH JONES/MOD CROWN COPYRIGHT 2024/UK MINISTRY OF DEFENCE/DPA Die britische Royal Air Force bei der Vorbereitu­ng eines Kampfflugz­eugs vom Typ Typhoon FGR4 auf Zypern: Einen Tag nach den US-Luftangrif­fen gegen proiranisc­he Milizen im Irak und Syrien hatte das US-Militär mit internatio­nalen Partnern Stellungen der Huthi im Jemen beschossen.

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