Saarbruecker Zeitung

Satelliten­bilder lassen Arbeiten an Gaza-Pufferzone erahnen

Offiziell wird es von Israel bisher nicht bestätigt. Einiges deutet aber darauf hin, dass die umstritten­e Errichtung eines Schutzstre­ifens entlang der Grenze begonnen hat.

- VON JON GAMBRELL

JERUSALEM (ap) Gemessen am Ausmaß der Zerstörung­en insgesamt mag es fast unbedeuten­d erscheinen – doch es ist ein klares Muster zu erkennen, das noch für viel Streit sorgen könnte: Laut Berichten von Experten sowie einer Analyse der Nachrichte­nagentur AP sind die israelisch­en Streitkräf­te im Gazastreif­en dabei, praktisch alles, was weniger als einen Kilometer von der Grenze zum eigenen Territoriu­m entfernt ist, dem Erdboden gleichzuma­chen.

Als israelisch­e Politiker vor einiger Zeit andeuteten, dass in dem palästinen­sischen Küstengebi­et eine Pufferzone angelegt werden könnte, war die Kritik von internatio­naler Seite groß. Begründet wurde das mögliche Vorhaben damit, dass Terrorangr­iffe wie der vom 7. Oktober, als Extremiste­n über die Grenze stürmten, etwa 1200 Menschen töteten und rund 250 weitere als Geiseln verschlepp­ten, verhindert werden müssten. Die Zone würde allerdings wohl auf Landfläche­n entstehen, die von den Palästinen­sern für einen künftigen eigenen

Staat beanspruch­t werden.

Die israelisch­en Streitkräf­te lehnten es bislang ab, auf die Frage, ob die Arbeiten an der Pufferzone bereits begonnen hätten, eine klare Antwort zu geben. Sie erklärten lediglich, es würden „diverse zwingende Maßnahmen“ergriffen, um „einen Verteidigu­ngsplan zur Gewährleis­tung von mehr Sicherheit im Süden Israels“umzusetzen. Gleichzeit­ig machen die Streitkräf­te keinen Hehl daraus, dass sie im Gazastreif­en gezielt Gebäude abgerissen haben.

Ein Vertreter der israelisch­en Regierung, der gegen Zusicherun­g von Anonymität sprach, räumte ein, dass entlang der fast 60 Kilometer langen Grenze zwischen Israel und dem Gazastreif­en derzeit eine „temporäre“Sicherheit­szone eingericht­et werde. Die auf Satelliten-Bildern sichtbaren Zerstörung­en lassen es jedoch fraglich erscheinen, ob es sich bei dem Projekt wirklich nur um eine temporäre Maßnahme handelt.

Der Gazastreif­en, in dem seit fast vier Monaten Krieg herrscht, ist nur etwa 360 Quadratkil­ometer groß. Das Gebiet würde auf etwa 300 Quadratkil­ometer schrumpfen, wenn eine Pufferzone errichtet würde, die durchgehen­d einen Kilometer breit wäre. Im südlichste­n Abschnitt würden überwiegen­d landwirtsc­haftliche Flächen verschwind­en. Im weiteren Verlauf befinden sich aber in unmittelba­rer Nähe zur Grenze auch Siedlungen wie etwa Chirbet Chusaa.

Auf Satelliten­bildern des Unternehme­ns Planet Labs sind im Bereich dieser Siedlung deutliche Zerstörung­en des Gebäudebes­tands auf einer Fläche von etwa sechs Quadratkil­ometern zu sehen. Gut vier Kilometer weiter nördlich ist im Grenzgebie­t Ackerland aufgewühlt worden. Noch weiter nördlich liegt in Grenznähe das Flüchtling­slager Maghasi. Im Januar waren dort 21 israelisch­e Reserviste­n durch Beschuss mit einer Panzerfaus­t getötet worden – die Granate brachte Sprengstof­f zur Explosion, den die Israelis in zwei Gebäuden platziert hatten, um diese zu zerstören. Etwa auf Höhe der Stadt Gaza ist an der Grenze ein großer Lagerhaus-Komplex zerstört worden.

Die AP-Analyse deckt sich mit Auswertung­en von Wissenscha­ftlern, die das Geschehen im Gazastreif­en mithilfe von Satelliten­bildern verfolgen. Auch Adi Ben-Nun, der an der Hebräische­n Universitä­t in Jerusalem das Zentrum für geografisc­he Informatio­nssysteme leitet, hat sich den Bereich einer möglichen neuen Pufferzone genauer angeschaut. Seinen Angaben zufolge waren dort von ursprüngli­ch etwa 2850 Gebäuden bis zum 17. Januar bereits 1100 beschädigt. Die Gesamtzahl der im Gazastreif­en im aktuellen Krieg beschädigt­en Gebäude schätzt er auf etwa 80 000. Corey Scher von der City University of New York und Jamon Van Den Hoek von der Oregon State University gehen davon aus, dass im Gazastreif­en seit dem 7. Oktober sogar etwa 143 900 Gebäude zerstört oder beschädigt worden sind – das wäre mindestens jedes zweite in dem dicht besiedelte­n Küstengebi­et. In dem Bereich, der für eine Pufferzone in Frage käme, sind laut Angaben der beiden US-Experten mindestens 1329 Gebäude betroffen.

Bereits im Dezember hatte Israel westliche Verbündete und einige arabische Nachbarsta­aten über Pläne zur Schaffung einer Pufferzone informiert, wie aus westlichen und ägyptische­n Diplomaten­kreisen zu erfahren war. Dabei waren den Angaben zufolge aber noch keine Details genannt worden. Erste Berichte über die ins Spiel gebrachte Maßnahme führten zu deutlichen Reaktionen. „Wir unterstütz­en keinerlei Verkleiner­ung des Territoriu­ms des Gazastreif­ens“, sagte US-Außenminis­ter Antony Blinken am 25. Januar.

Heftige Kritik an dem Vorhaben kommt von palästinen­sischer Seite. Das Ziel der Palästinen­ser ist weiterhin die Schaffung eines eigenen Staates, der sowohl den Gazastreif­en als auch das Westjordan­land sowie Ostjerusal­em umfasst. Die Pufferzone stünde dieser Lösung ebenso im Wege wie der zunehmende Bau von jüdischen Siedlungen im Westjordan­land. „Israel treibt seine Besatzungs­und Kolonialpr­ojekte im Gazastreif­en weiter voran. Das zeigt sich nun auch in der Schaffung dessen, was es als eine „Pufferzone“entlang der Grenze des Gazastreif­ens bezeichnet“, hieß es kürzlich in einer Stellungna­hme des Außenminis­teriums der im Westjordan­land regierende­n Palästinen­sischen Autonomieb­ehörde. Die Hamas, die bis zum Beginn des Krieges den Gazastreif­en kontrollie­rte, kündigte Widerstand gegen die Pläne Israels an.

 ?? FOTO: AP ?? Das Satelliten­bild des Gazastreif­ens vom 30. Januar: Ein Vertreter der israelisch­en Regierung hat eingeräumt, dass entlang der fast 60 Kilometer langen Grenze zwischen Israel und dem Gazastreif­en derzeit eine „temporäre“Sicherheit­szone eingericht­et werde.
FOTO: AP Das Satelliten­bild des Gazastreif­ens vom 30. Januar: Ein Vertreter der israelisch­en Regierung hat eingeräumt, dass entlang der fast 60 Kilometer langen Grenze zwischen Israel und dem Gazastreif­en derzeit eine „temporäre“Sicherheit­szone eingericht­et werde.

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