Satellitenbilder lassen Arbeiten an Gaza-Pufferzone erahnen
Offiziell wird es von Israel bisher nicht bestätigt. Einiges deutet aber darauf hin, dass die umstrittene Errichtung eines Schutzstreifens entlang der Grenze begonnen hat.
JERUSALEM (ap) Gemessen am Ausmaß der Zerstörungen insgesamt mag es fast unbedeutend erscheinen – doch es ist ein klares Muster zu erkennen, das noch für viel Streit sorgen könnte: Laut Berichten von Experten sowie einer Analyse der Nachrichtenagentur AP sind die israelischen Streitkräfte im Gazastreifen dabei, praktisch alles, was weniger als einen Kilometer von der Grenze zum eigenen Territorium entfernt ist, dem Erdboden gleichzumachen.
Als israelische Politiker vor einiger Zeit andeuteten, dass in dem palästinensischen Küstengebiet eine Pufferzone angelegt werden könnte, war die Kritik von internationaler Seite groß. Begründet wurde das mögliche Vorhaben damit, dass Terrorangriffe wie der vom 7. Oktober, als Extremisten über die Grenze stürmten, etwa 1200 Menschen töteten und rund 250 weitere als Geiseln verschleppten, verhindert werden müssten. Die Zone würde allerdings wohl auf Landflächen entstehen, die von den Palästinensern für einen künftigen eigenen
Staat beansprucht werden.
Die israelischen Streitkräfte lehnten es bislang ab, auf die Frage, ob die Arbeiten an der Pufferzone bereits begonnen hätten, eine klare Antwort zu geben. Sie erklärten lediglich, es würden „diverse zwingende Maßnahmen“ergriffen, um „einen Verteidigungsplan zur Gewährleistung von mehr Sicherheit im Süden Israels“umzusetzen. Gleichzeitig machen die Streitkräfte keinen Hehl daraus, dass sie im Gazastreifen gezielt Gebäude abgerissen haben.
Ein Vertreter der israelischen Regierung, der gegen Zusicherung von Anonymität sprach, räumte ein, dass entlang der fast 60 Kilometer langen Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen derzeit eine „temporäre“Sicherheitszone eingerichtet werde. Die auf Satelliten-Bildern sichtbaren Zerstörungen lassen es jedoch fraglich erscheinen, ob es sich bei dem Projekt wirklich nur um eine temporäre Maßnahme handelt.
Der Gazastreifen, in dem seit fast vier Monaten Krieg herrscht, ist nur etwa 360 Quadratkilometer groß. Das Gebiet würde auf etwa 300 Quadratkilometer schrumpfen, wenn eine Pufferzone errichtet würde, die durchgehend einen Kilometer breit wäre. Im südlichsten Abschnitt würden überwiegend landwirtschaftliche Flächen verschwinden. Im weiteren Verlauf befinden sich aber in unmittelbarer Nähe zur Grenze auch Siedlungen wie etwa Chirbet Chusaa.
Auf Satellitenbildern des Unternehmens Planet Labs sind im Bereich dieser Siedlung deutliche Zerstörungen des Gebäudebestands auf einer Fläche von etwa sechs Quadratkilometern zu sehen. Gut vier Kilometer weiter nördlich ist im Grenzgebiet Ackerland aufgewühlt worden. Noch weiter nördlich liegt in Grenznähe das Flüchtlingslager Maghasi. Im Januar waren dort 21 israelische Reservisten durch Beschuss mit einer Panzerfaust getötet worden – die Granate brachte Sprengstoff zur Explosion, den die Israelis in zwei Gebäuden platziert hatten, um diese zu zerstören. Etwa auf Höhe der Stadt Gaza ist an der Grenze ein großer Lagerhaus-Komplex zerstört worden.
Die AP-Analyse deckt sich mit Auswertungen von Wissenschaftlern, die das Geschehen im Gazastreifen mithilfe von Satellitenbildern verfolgen. Auch Adi Ben-Nun, der an der Hebräischen Universität in Jerusalem das Zentrum für geografische Informationssysteme leitet, hat sich den Bereich einer möglichen neuen Pufferzone genauer angeschaut. Seinen Angaben zufolge waren dort von ursprünglich etwa 2850 Gebäuden bis zum 17. Januar bereits 1100 beschädigt. Die Gesamtzahl der im Gazastreifen im aktuellen Krieg beschädigten Gebäude schätzt er auf etwa 80 000. Corey Scher von der City University of New York und Jamon Van Den Hoek von der Oregon State University gehen davon aus, dass im Gazastreifen seit dem 7. Oktober sogar etwa 143 900 Gebäude zerstört oder beschädigt worden sind – das wäre mindestens jedes zweite in dem dicht besiedelten Küstengebiet. In dem Bereich, der für eine Pufferzone in Frage käme, sind laut Angaben der beiden US-Experten mindestens 1329 Gebäude betroffen.
Bereits im Dezember hatte Israel westliche Verbündete und einige arabische Nachbarstaaten über Pläne zur Schaffung einer Pufferzone informiert, wie aus westlichen und ägyptischen Diplomatenkreisen zu erfahren war. Dabei waren den Angaben zufolge aber noch keine Details genannt worden. Erste Berichte über die ins Spiel gebrachte Maßnahme führten zu deutlichen Reaktionen. „Wir unterstützen keinerlei Verkleinerung des Territoriums des Gazastreifens“, sagte US-Außenminister Antony Blinken am 25. Januar.
Heftige Kritik an dem Vorhaben kommt von palästinensischer Seite. Das Ziel der Palästinenser ist weiterhin die Schaffung eines eigenen Staates, der sowohl den Gazastreifen als auch das Westjordanland sowie Ostjerusalem umfasst. Die Pufferzone stünde dieser Lösung ebenso im Wege wie der zunehmende Bau von jüdischen Siedlungen im Westjordanland. „Israel treibt seine Besatzungsund Kolonialprojekte im Gazastreifen weiter voran. Das zeigt sich nun auch in der Schaffung dessen, was es als eine „Pufferzone“entlang der Grenze des Gazastreifens bezeichnet“, hieß es kürzlich in einer Stellungnahme des Außenministeriums der im Westjordanland regierenden Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Hamas, die bis zum Beginn des Krieges den Gazastreifen kontrollierte, kündigte Widerstand gegen die Pläne Israels an.