Pistorius stößt überfälligen Umbau an
Dass ein Minister von der Opposition gelobt wird, kommt selbst in politisch ruhigen Zeiten äußerst selten vor. Dass dies aber passiert, wenn es politisch so turbulent zugeht wie derzeit, ist bemerkenswert.
Boris Pistorius bekommt von der CDU Applaus für seine Pläne, das Bundesverteidigungsministerium umzukrempeln. Das dürfte den Verteidigungsminister freuen, Unterstützung kann der SPD-Politiker dabei von jeder Seite gebrauchen.
Das Verteidigungsministerium ist eines der schwierigsten Bundesressorts. Seine Struktur ist über die Jahrzehnte gewachsen wie ein Dickicht im Dschungel. Das Organigramm, so hat es Pistorius vor gut einem Jahr zu seinem Amtsantritt bereits zu Protokoll gegeben, habe wenig mit Effizienz zu tun.
Das sagte einer, der in seiner politischen Laufbahn schon viele Organigramme gesehen und geändert hat. Pistorius gilt als Kenner der Verwaltung. Einer, der auf Strukturen achtet und ihnen sehr viel Bedeutung zumisst. Insbesondere, wenn es nicht rund läuft im Laden. Und das tut es im Verteidigungsressort seit sehr langer Zeit nicht.
Es ist ein Haus, das auf Friedenszeiten ausgerichtet ist. Es ist während der Jahre nach dem Kalten Krieg nahezu unkontrolliert gewachsen. Zuständigkeiten gibt es viele, Verantwortlichkeiten nur wenige. Und so ist es zu begrüßen, dass Pistorius trotz des nur noch kurzen Rests der Wahlperiode beginnt, ein so dickes Brett zu bohren. Er will das Ministerium schlagkräftiger machen, Prozesse verschlanken, Befehlsketten verkürzen. Mehr Verantwortlichkeiten schaffen, damit niemand mehr so leicht auf den anderen zeigen kann, um sich herauszureden.
Dass der Personalrat über die Pläne meckern würde, war erwartbar. Und es ist in einem Ministerium, das zu einem Haus der Bedenkenträger und persönlichen Bequemlichkeiten geworden ist, vielleicht sogar ein Hinweis darauf, dass der Minister mit seinen Plänen so falsch nicht liegen kann.
Die Bürger haben nicht nur ein Anrecht darauf, dass ihre Steuergelder effizient ausgegeben werden. Sie haben vor allem auch ein Anrecht darauf vertrauen zu können, dass das Wehrressort gut funktioniert. Es muss das Land auf einen Ernstfall vorbereiten, den alle unbedingt vermeiden wollen. Es ist dafür zuständig, einen Abwehrkrieg gewinnen zu können, wie es Pistorius ausdrückt.
Er weiß, dass ihm für den Umbau und die vielen anderen Projekte, die er plant, nur noch ein gutes Jahr bleibt. Und sein bislang so glamourös strahlender Stern dürfte auch schnell sinken, wenn er etwa von der eigenen Koalition ausgebremst wird und es nur bei Ankündigungen ohne Vollzug bleibt.
Pistorius hat viel vor, bislang konnte er aber nur bedingt liefern. Auch der Umbau der Bundeswehr selbst steht noch bevor, die Personalengpässe will er angehen, das alles braucht vor allem langen Atem. Doch die Zeit spielt gegen den Minister, im Herbst 2025 ist die nächste Bundestagswahl.
Dann könnte das Haus wieder in andere Hände fallen.
Für die Truppe wäre dann zu hoffen, dass es auch unter neuer Führung beim Reformkurs bliebe.