Ehemaliger SPD-Parteichef Kurt Beck feiert 75. Geburtstag
STEINFELD (dpa) Das hässliche Ende als SPD-Parteichef wurmt ihn immer noch. „Es war kein schöner Abschied“, sagt Kurt Beck sichtbar bewegt über seinen Rücktritt 2008. „Gezielte Falschinformationen“über Frank-Walter Steinmeier als SPDKanzlerkandidat hatten ihn damals bloßgestellt. „Wenn dir ein solcher Vorschlag hintenrum aus der Hand genommen wird, kannst du nicht mehr Vorsitzender bleiben“, sagt er. Es war eine bittere Erfahrung in einem ereignisreichen Leben. Diesen Montag wird der Pfälzer 75 Jahre alt.
Vielen gilt der frühere rheinlandpfälzische Ministerpräsident wegen seiner jovialen Art als Typus eines Sozialdemokraten. „Nah bei de Leit“, diesem Motto folgte er oft – „Nahe bei den Leuten“. Fast zwei Jahrzehnte amtierte er als Regierungschef in Mainz. 2006 holte die SPD mit 45,6 Prozent die absolute Mehrheit der Mandate im strukturell eher konservativen Rheinland-Pfalz.
Aufgewachsen ist der gelernte Elektromechaniker in der Südpfalz – dort lebt er immer noch. Er ist Fan des 1.FC Kaiserslautern, bodenständig und temperamentvoll. Wie blickt Beck zurück – ist er zufrieden? „Ja. Aber ohne jede Entscheidung verteidigen zu wollen“, sagt er in seinem Arbeitszimmer in Steinfeld.
Eine Sache habe er sich früh vorgenommen: „Wenn ich einmal nicht mehr innerlich berührt bin von Ungerechtigkeiten, höre ich auf mit der Politik. Dann ist das nur noch Karrierestreben.“
Beck wurde in Bad Bergzabern geboren, trat mit Anfang 20 in die SPD ein. „Ein Grund war eine Ausgrenzungserfahrung. Als einziger der Unterstufe durfte ich nicht Messdiener werden, weil ich eine schwere Hauterkrankung hatte. Diese Ungerechtigkeit hat mich geprägt.“Es gebe auch heute viel Ungleichheit, sagt Beck. „Es wäre Aufgabe der SPD, das anzuprangern. Aber nicht bloß einfach dagegen sein, sondern mit konkreten Schritten, wie man diese Herausforderungen in Hoffnungen umwandeln kann.“
In der heutigen Bundes-SPD sehe er durchaus Bemühungen. „Aber wir dringen nicht ausreichend durch.“
Wie schaut er auf die Bundespolitik? „Leider spielt die Bundesregierung derzeit keine besonders überzeugende Rolle“, sagt Beck. Zwar habe die Ampel einiges erreicht. „Aber die Performance ist verbesserungswürdig.“Sorgen bereiten ihm die Umfragewerte der AfD.
„Ich hätte mir nicht mehr vorstellen können, dass unsere Demokratie so massiv gefährdet sein könnte. Es ist besorgniserregend, dass vielen egal zu sein scheint, was sich um die AfD abspielt. Dagegen müssen wir uns mit aller Kraft stemmen“, betont Beck. „Die Gefahr ist groß, dass die sogenannte Brandmauer große Löcher bekommt. Viele spielen damit – sie wollen zwar keinen Rechtsruck, aber schließen es nicht konsequent aus. Vor 100 Jahren führte das zur Katastrophe.“
Auch außenpolitisch sieht der frühere SPD-Chef eine gefährliche Lage. „Ich war nie Pazifist“, sagt Beck. „Ich war immer der Meinung, dass sich eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft wehrhaft zeigen muss.“So müsse Deutschland der Ukraine natürlich bei ihrem Abwehrkampf gegen Russland helfen. „Aber mit Bedacht und nicht mit Hurra. Aus einem Unrechtsgefühl, das ich ja teile, darf man nicht vorwegmarschieren, sondern man muss gemeinsam mit den USA vorgehen.“Er unterstütze die vorsichtige Linie von Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Als Landesvater habe er Fehler gemacht, etwa die Nürburgring-Pleite. 2009 war die Privatfinanzierung der Rennstrecke gescheitert, 2012 ging der Ring insolvent. „Das hätte man besser wissen sollen“, sagt Beck. „Es waren die falschen Partner, und die Wirtschaftsprognosen, die mir vorgelegt wurden, haben nicht getragen.“Aber später sei am Nürburgring viel an Firmengründungen passiert.
Der mitunter hemdsärmelig auftretende Beck kann auch austeilen.
Einst riet er einem Arbeitslosen „Waschen und rasieren Sie sich erst mal“und organisierte ihm Stellenangebote. Als ein Passant ein Interview mit Zwischenrufen störte, gab der Politiker zurück: „Können Sie mal das Maul halten einen Moment?“Er sei nicht stolz darauf, sagt Beck. „Aber manchmal muss man Sachen so sagen, wie man sie empfindet.“
Zur Entspannung greift er zu Musik von Liedermachern wie Georg Kreisler. „Oder ich setze mich in ein Orgelkonzert im Speyerer Dom“, sagt Beck, der früher Klarinette im Musikverein von Steinfeld gespielt hat. Dort ist er aufgewachsen, hat er beim Hausbau geholfen. „Mein Vater hat gemauert, und ich habe die Sachen transportiert. Ich habe wirklich jeden Stein in der Hand gehabt.“
Auch seinen Geburtstag wird er in der Südpfalz feiern. Wie geht es weiter? „Mit 75 sollte man sich nicht mehr überall einmischen wollen. Vom Wegesrand aus rufen“, sagt Kurt Beck, „ist mir zu blöd.“