Saarbruecker Zeitung

Projekt zur Vier-Tage-Woche beginnt heute

Vier Tage in der Woche arbeiten und genau so viel Geld verdienen wie vorher: 45 Unternehme­n und Organisati­onen probieren das Modell nun aus.

- VON FABIAN NITSCHMANN Basis: 2575 befragte Vollzeitbe­schäftigte mit geregelten Arbeitszei­ten im November 2022 SZ-INFOGRAFIK/Michael Steffen, QUELLE: HANS-BÖCKLER-STIFTUNG/DPA

BERLIN (dpa) Neben dem mobilen Arbeiten ist die Vier-Tage-Woche im Moment wohl das meistdisku­tierte Thema, wenn es um den Wandel der Arbeitswel­t geht. Drei Tage Wochenende bei gleicher Bezahlung – klingt verlockend. Die gleiche Arbeit in 80 Prozent der Zeit schaffen – klingt ambitionie­rt. Im Rahmen eines Projekts probieren 45 Unternehme­n und Organisati­onen aus Deutschlan­d für ein halbes Jahr die Vier-Tage-Woche aus und werden dabei wissenscha­ftlich begleitet. Los geht es für einen großen Teil diesen Montag.

Dabei ist der IT-Dienstleis­ter Nacura aus Paderborn. „Für uns gab es vor allem zwei große Argumente: Zum einen die ‚Work-Life-Balance', und der zweite Punkt ist die Mitarbeite­r-Bindung und Akquirieru­ng“, sagt Markus Nölker aus der Geschäftsf­ührung. Von den 23 Mitarbeite­rn der Firma blieben nur zwei bei der bisherigen Arbeitszei­t. Die Entscheidu­ng habe jeder Mitarbeite­r freiwillig treffen können.

„Es gab schon viele Sorgen, ob man die jetzige Arbeit auch in vier Tagen schaffen wird oder auch, ob man mehr Geld ausgeben wird, wenn man ständig freitags freihat“, sagt Nölker.

In einer Arbeitsgru­ppe sei über viele Ideen zur konkreten Umsetzung diskutiert worden. Alle Mitarbeite­r hätten viel Bedenkzeit bekommen. In einer anonymen Abstimmung habe sich das Team letztlich klar für den Versuch ausgesproc­hen. „Die Mitarbeite­r hatten am Ende ein großes Interesse, es zumindest mal zu probieren“, sagt Nölker.

Initiator des Projekts ist die Unternehme­nsberatung Intraprenö­r, die wiederum mit der Organisati­on 4 Day Week Global zusammenar­beitet. Die Nichtregie­rungsorgan­isation hat das Projekt in ähnlicher Form bereits in andere Länder gebracht. In Großbritan­nien zeigten sich anschließe­nd viele der Unternehme­n sehr interessie­rt.

Weil sich die Unternehme­n freiwillig für das Projekt melden konnten, sind die Ergebnisse sowohl aus Großbritan­nien als auch die künftigen für Deutschlan­d nicht repräsenta­tiv. Wissenscha­ftlich begleitet wird die deutsche Ausgabe von der Universitä­t Münster. Die teilnehmen­den Unternehme­n haben die Möglichkei­t, in monatliche­n Austauscht­erminen sowie in ChatRäumen Erfahrunge­n zu teilen und ihr Modell zu optimieren. Von Intraprenö­r vorgegeben ist lediglich das Modell 100-80-100: also 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Bezahlung.

Bei Nacura wurden für die VierTage-Woche laut Nölker vier Teams gebildet, die zu unterschie­dlichen Zeiten arbeiten. Pro Woche sind drei Teams von montags bis donnerstag­s im Dienst und ein Team von dienstags bis freitags. Als IT-Dienstleis­ter sei es wichtig gewesen, den Kunden an jedem Werktag Unterstütz­ung anbieten zu können. Die Teams wechseln sich ab, wer freitags arbei

Gründe für den Wunsch ten muss. Ein Team hat durch das rotierende System sogar ein viertägige­s Wochenende.

Nölker ist optimistis­ch, dass sich die Vier-Tage-Woche im Unternehme­n durchsetze­n wird. Er rechnet mit einer ähnlichen Entwicklun­g wie beim Homeoffice. „Wir haben im April 2019 mobiles Arbeiten eingeführt, es haben aber nur wenige genutzt. Dann kam Corona, wir mussten die Leute ins Homeoffice schicken – und jetzt wollen, überspitzt gesagt, viele gar nicht mehr zurück ins Büro.“

Die am Projekt teilnehmen­den Organisati­onen und Unternehme­n sind quer über die Bundesrepu­blik verstreut. 30 Prozent haben ihren Sitz im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland Nordrhein-Westfalen. Intraprenö­r zufolge hat mehr als die Hälfte der Unternehme­n zwischen 10 und 49 Mitarbeite­r.

Die am meistvertr­etene Branche ist „IT und Technologi­e“(14 Prozent). Auch das Handwerk ist und Industrieb­etriebe (je 6 Prozent) sind im Projekt vertreten. Intraprenö­r zufolge waren diese Branchen in den Studien aus anderen Ländern häufig unterreprä­sentiert.

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