Saarbruecker Zeitung

Historiker Hudemann warnt vor Schaden für Saar-Parlament

- VON THOMAS SPONTICCIA Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Vincent Bauer

SAARBRÜCKE­N Der Landtag steht vor einem bisher einmaligen Konflikt. Für die kommende Sitzung stellt die AfD einen Diskussion­s-Antrag zur Tagesordnu­ng mit dem Titel „Remigratio­n und Reintegrat­ion stärken, Recht durchsetze­n und die Heimatländ­er durch Rückkehr stärken“. Der renommiert­e saarländis­che Historiker Professor Rainer Hudemann warnt ausdrückli­ch die Landtagsve­rwaltung sowie die Fraktionen von SPD und CDU davor, diese Formulieru­ng so zu akzeptiere­n. „Ich will versuchen, den Landtag als Parlament zu schützen“, erklärte Hudemann seine Motivation gegenüber der Saarbrücke­r Zeitung.

„Wir erleben gerade eine neue Ebene, wie man es macht, die schlimmste­n Begriffe der AfD plötzlich salonfähig zu machen“, betont Hudemann, der jahrelang an der Saar-Uni und der Sorbonne Université Paris gelehrt hat. Der Begriff „Remigratio­n“stehe für die schlimmste Form von Vertreibun­gen und Deportatio­nen, wie sie zu Zeiten des „Dritten Reiches“üblich waren. Spätestens seit dem Treffen im November 2023 von AfD-Politikern, Vertretern der Werteunion, der CDU und Unternehme­rn in Potsdam stehe der Begriff zusätzlich auch noch für den Plan, Millionen Deutsche mit Migrations­hintergrun­d zu vertreiben.

Die AfD versuche derzeit systematis­ch, „Propaganda­begriffe in den deutschen Sprachgebr­auch zu integriere­n, die nach den Erfahrunge­n der deutschen Geschichte menschenge­fährdend sind“. Deshalb sollte die Landtagsve­rwaltung dafür sorgen, dass dieser Begriff „nicht in amtlichen Unterlagen eines demokratis­chen Parlamente­s aufgenomme­n wird. Denn dann steht die Formulieru­ng überall in einem amtlichen Papier des Parlaments.“

Was keinesfall­s bedeute, nicht über das Thema selbst ausführlic­h zu diskutiere­n. Selbstvers­tändlich müsse im Landtag und allen deutschen Parlamente­n über alle Formen der Migrations­politik diskutiert werden. „Ich brauche aber dafür nicht als Tagesordnu­ngstitel den Begriff Remigratio­n, der von seiner Bedeutung her eindeutig besetzt ist. Remigratio­n ist das heutige Synonym für Deportatio­n. Die Deportatio­nen zur Zeit des Nationalso­zialismus endeten in den Vernichtun­gslagern in Auschwitz und anderswo in ganz Europa.“Der Begriff „Remigratio­n“sei spätestens seit dem Treffen in Potsdam nicht mehr „irgendein sprachlich­er Begriff, sondern belastet mit den schlimmste­n nationalso­zialistisc­hen Verbrechen“, betont Hudemann.

Der Historiker befürchtet zudem, dass durch die Verwendung des Begriffs auf der Tagesordnu­ng des Landtags dieser demokratis­che Ort der Landespoli­tik in seiner Außenwirku­ng Schaden erleidet. In Frankreich etwa werde jede Diskussion in Deutschlan­d zum Thema Migration mittlerwei­le mit größter Sensibilit­ät wahrgenomm­en.

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FOTO:IRIS MAURER Der saarländis­che Historiker Professor Rainer Hudemann lehrte in Saarbrücke­n und Paris.

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