„Krebspatienten sind dankbar für Kleinigkeiten“
Am Universitätsklinikum des Saarlandes unterstützen sechs onkologische Pflegekräfte mehr als 4000 Patienten im Jahr – jenseits der Therapie.
HOMBURGKrebspatienten haben einen hohen Bedarf an Beratung: Wie verläuft die Behandlung, wie lassen sich Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Schmerzen bekämpfen, wie geht es weiter in Familie, Partnerschaft und Beruf, wer hilft bei finanziellen Problemen? Das Universitätsklinikum des Saarlandes kennt solche Ängste und Sorgen seiner Patienten. Daher wurden vor zwei Jahren sechs der onkologischen Pflegefachkräfte von ihrem regulären Dienst auf den Stationen freigestellt, um Krebspatienten vor allem zu beraten und zusätzlich während der Therapie zu unterstützen.
Eine der freigestellten onkologischen Pflegekräfte, zu denen vier Frauen und zwei Männer gehören, ist Anja Becker. „Jeder von uns berät und betreut im Jahr zwischen 800 und 1200 Krebspatienten“, berichtet sie. Für die Koordination im Universitären Tumorzentrum ist Bettina Knapp zuständig. „Wir haben neun zertifizierte Zentren für verschiedene Krebserkrankungen. Hier werden im Jahr fast 4500 Patienten behandelt. Auf den Stationen arbeiten über 40 onkologische Pflegefachkräfte, die alle eine zweijährige Zusatzausbildung absolviert haben. Diese spezielle Fachweiterbildung wird bei uns auf dem Campus angeboten und ist auch offen für interessierte Pflegekräfte aus anderen Einrichtungen“, sagt Knapp. „Einen besonderen Service können wir mit unseren sechs freigestellten Pflegefachkräften bieten.“
Zum Tumorzentrum des Uniklinikums gehören das Brustkrebszentrum, das Gynäkologische Krebszentrum, das Lungenkrebszentrum, das Darmkrebszentrum, das Prostatakrebszentrum, das Zentrum für Hämatologische Neoplasien (Blut- und Lymphsystem), das Hautkrebszentrum, das Kopf-Hals-Tumorzentrum sowie das Neuroonkologische Zentrum.
Die Grundpflege der Patienten gehört nicht zu den Aufgaben der freigestellten Pflegefachkräfte. „Stattdessen ist es unsere Aufgabe, Menschen zu beraten, das Wohlbefinden und die Lebensqualität unserer Patienten zu steigern“, erläutert Becker. „Als Nebenwirkungen einer Chemotherapie treten oft Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Schluckbeschwerden und damit verbunden auch Schwierigkeiten beim Sprechen auf. Ich betreue beispielsweise eine ältere Frau, bei der aufgrund ihrer Chemotherapie der Mund blutet und verkrustet ist. Sie hat dadurch auch Sprachprobleme. „Ich berate sie, wie die Mundspüllösungen anzuwenden sind und bin ihr dabei behilflich. Ebenso informiere ich sie darüber, was bei einer Entzündung der Mundschleimhaut gut und weniger gut ist“, berichtet Becker.
Einige Patienten leiden dauerhaft unter Übelkeit. „Da kann auch Akupressur helfen“, sagt Becker. „Ich leite den Patienten an, zeige ihm, wie das geht. Oder ich stelle einen Riechstift mit ätherischen Ölen her, weil das auch die Übelkeit vertreiben kann. Für solche Kleinigkeiten sind die Patienten enorm dankbar.“Jeder Patient wird individuell beraten. „Frauen nehmen das öfter in Anspruch als Männer“, sagt Becker.
Vor der Behandlung erläutern die Pflegefachkräfte den Patienten die geplanten Therapien, mögliche Nebenwirkungen und klären über die Abläufe auf. Um während des stationären Aufenthalts, der in der Regel auch mal mehrere Wochen dauert, die Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden der Patienten zu steigern, ziehen die Pflegefachkräfte bei Bedarf weitere Experten des Uniklinikums hinzu, von der Ernährungsberatung über den Sozialdienst, die Physiotherapie bis hin zur speziellen Wundbehandlung, Stomatherapie und auch die Palliativmedizin. „Doch unsere Aufgaben gehen über solche Hilfen während des stationären Aufenthalts hinaus“, sagt Becker. Dazu erklärt Bettina Knapp: „Was braucht ein Patient an Unterstützung, wenn er wieder nach Hause kommt? Wir reden darüber auch mit den Angehörigen, die oft nicht genau wissen, was nach der Entlassung aus der Klinik zu tun ist.“Hilfe für die Zeit nach der Entlassung zu organisieren, gelingt über ein Netzwerk von Partnern aus verschiedenen Bereichen. „Wir arbeiten beispielsweise mit dem Sozialdienst zusammen, mit Selbsthilfegruppen, ambulanten Pflegediensten und der Saarländischen Krebsgesellschaft, die nicht nur an Krebs erkrankten Menschen eine hervorragende Unterstützung bietet, sondern auch deren Angehörigen, wozu oft noch Kinder zählen“, sagt Anja Becker.
Die Pflegefachkräfte kooperieren auch eng mit der psycho-onkologischen Abteilung des Universitätsklinikums. „Nicht nur für die Krebspatienten selbst, sondern auch für ihre Angehörigen ist die Diagnose oftmals ein Schock“, sagt Knapp. „Der Alltag gerät durcheinander, das Familienleben und vielleicht sogar die berufliche Zukunft. Das alles belastet auch die Psyche enorm.“Vor allem wenn Patient, Familie und Freunde in einer solch außergewöhnlichen Situation die Kraft fehlt, alle Schwierigkeiten zu bewältigen, vermitteln die onkologischen Pflegekräfte eine psycho-onkologische Beratung. „Hier besteht ein riesiger Bedarf“, sagt Knapp.
„Die Behandlung einer Krebserkrankung verläuft ja nicht immer so reibungslos wie erhofft“, fügt Becker hinzu. „Doch grundsätzlich haben bei uns alle Krebspatienten ein Anrecht auf eine pflegerisch-onkologische Betreuung.“Auch nach der Entlassung sei eine ambulante pflegerische Beratung weiterhin möglich. „Doch das sind noch Ausnahmefälle. Noch ist die pflegerischonkologische Beratung im ambulanten Bereich kein Standard.“
Die Pflegekräfte organisieren
auch ungewöhnliche Aktionen, um ihren Patienten eine Freude zu bereiten. „Eine Frau, die nach einer Knochenmarktransplantation stark geschwächt war, hat sich an Rosenmontag einen Fastnachtsumzug in der Klinik gewünscht. Wir haben sie und uns verkleidet, dann ist sie mit uns und ihrem Rollator über die Station gezogen. Das war auch für die anderen Patienten eine große Freude“, berichtet Knapp. „Und zwei schwerstkranken Patientinnen haben wir als letzten Wunsch ihre
Trauung mit einem Standesbeamten im Krankenhaus ermöglicht.“
Zwei Jahre nach dem Start laufe das Konzept mit den freigestellten onkologischen Pflegekräften super, sagen Knapp und Becker, die Zusammenarbeit mit den anderen Berufsgruppen im Klinikum habe sich etabliert. „Jetzt will das Uniklinikum diese Betreuung von Krebspatienten weiter ausbauen. Es wäre schön, wenn in allen Abteilungen der Uniklinik onkologische Pflegefachkräfte tätig wären“, sagt Knapp.