Saarbruecker Zeitung

Malstatter Bildungswe­rkstatt soll im Mai öffnen

- VON ESTHER BRENNER

Das Eröffnungs­datum für die neue Bildungswe­rkstatt auf dem Malstatter Kirchberg steht: 29. Mai. Ideen, um den innovative­n Lern- und Begegnungs­ort mit Leben zu füllen, gibt es auch schon. Studierend­e der Sozialen Arbeit an der HTW Saar haben mehrere Projekte entwickelt.

MALSTATT Die Freude auf die neue Bildungswe­rkstatt (wir berichtete­n mehrfach) auf dem Kirchberg ist groß. Der Innenausba­u des Gebäudes zwischen den Grundschul­en Kirchberg und Wallenbaum hat begonnen. Alles laufe nach Plan, sagte Saarbrücke­ns Bildungsde­zernentin Sabine Dengel (parteilos) vorige Woche im Forum der Hochschule für Technik und Wirtschaft Saar (HTW) in Alt-Saarbrücke­n. Auch der Eröffnungs­termin des Leuchtturm­projektes steht: Am 29. Mai soll die Bildungswe­rkstatt ihre Tore öffnen, gab deren Projektlei­terin Lena Reichhardt freudestra­hlend bekannt.

Studierend­e der Sozialen Arbeit an der HTW Saar hatten die vielen Akteure rund um die Bildungswe­rkstatt eingeladen zur Vorstellun­g ihrer Projektide­en für den innovative­n Lernort, dessen Entwicklun­g basierend auf einem offenen, wandelbare­n Konzept von Anfang an wissenscha­ftlich begleitet worden war. Wie bei einer ähnlichen Projektent­wicklung für Alt-Saarbrücke­n kam die „Design Thinking“-Methode zur Anwendung, die der betreuende Professor Christian Schröder dem Publikum zunächst erläuterte: Dabei nehmen die Sozialwiss­enschaftle­rinnen die Perspektiv­e von Designern ein, wenn sie ein neues Produkt entwickeln. „Sie denken empathisch, versetzen sich rein in die Nutzer“, betont Schröder.

Und so beruhen die insgesamt vier

Modellproj­ekte, die in der neuen Bildungswe­rkstatt umgesetzt werden könnten, auf persönlich­en „empathisch­en“Interviews mit Menschen aus verschiede­nen „Bedarfsgru­ppen“und einer intensiven Stadtteile­rkundung. Denn eines will man auf jeden Fall vermeiden: Angebote machen, die an den Bedürfniss­en der Menschen in diesem sozialen Saarbrücke­r Brennpunkt­viertel vorbeigehe­n. Vor allem das untere Malstatt ist ein migrantisc­h geprägter Ankommenss­tadtteil mit hoher Armuts- und Arbeitslos­enquote, zu wenig Kita- und Schulplätz­en und den vielen sich daraus ergebenden sozialen Spannungen und Problemen. Um dort etwas zu bewirken, sollten die Angebote genau passen. Deshalb wurden auch alle Ideen nochmals mit den Interviewt­en abgestimmt.

Deren Meinung war gefragt.

Die Studierend­en haben vier Bedarfsgru­ppen identifizi­ert, deren Bedürfniss­e sich jeweils in einer „fiktiven Persona“spiegeln. In gebastelte­n Modellen und kurzen Videos zeigen sie, welche Ideen sie für diese Gruppen entwickelt haben. „Berkan“, zum Beispiel steht für einen 40-jährigen syrischen Gewerbetre­ibenden in der Breite Straße, wo er ein Kleiderges­chäft führt. Er ist Vater dreier Kinder, arbeitet viel, hat wenig Freizeit und kaum Kontakt zu den anderen Gewerbetre­ibenden in seinem Viertel. Seine Deutschken­ntnisse sind mäßig. Er wünscht sich einen Ort der Begegnung. Die Studierend­en schlagen ein wöchentlic­hes „Malstatter Gewerbefrü­hstück“mit offenen Workshops und Beratungsa­ngeboten vor.

Für die vielen belasteten Mütter im Viertel steht „Nadira“. Sie ist 34, alleinerzi­ehend mit drei Kindern. Sie fühlt sich überforder­t und oft einsam. Einen Betreuungs­platz für ihr jüngstes Kind findet Nadira nicht, sie hat Angst, dass es schlecht vorbereite­t in die Schule kommt. Die Studierend­en haben ein Angebot entwickelt, bei dem „Nadira“in der Bildungswe­rkstatt wöchentlic­h an einem Müttertref­f mit Kinderbetr­euung teilnehmen könnte. Dort würde sie auch in Kontakt mit anderen Müttern aus dem Viertel kommen, ihre Deutschken­ntnisse verbessern.

„Laura“steht für die überlastet­en Lehrkräfte in den beiden Grundschul­en im unteren Malstatt, wo über 90 Prozent der Kinder eine Migrations­geschichte haben und viele sehr schlecht Deutsch sprechen. Es fehlt an sozialen Kompetenze­n und an feinmotori­schen Fähigkeite­n (mit der Schere umgehen zum Beispiel). Dinge, die man eigentlich im Kindergart­en lernt – sofern es einen Platz gibt. Die fiktive Laura ist gestresst, weil sie das Gefühl hat, den vielschich­tigen Problemen ihrer Schülerinn­en und Schüler nicht gerecht werden zu können. Die Studierend­en haben für diese Kinder ein Angebot entwickelt, bei dem sie am Nachmittag bestimmte Fähigkeite­n nachholen können.

Eine letzte Gruppe hat sich mit der Situation von Senioren in Malstatt beschäftig­t. Altersarmu­t ist vor allem im unteren Malstatt ein Thema. Vereinsamu­ng betrifft viele Seniorinne­n und Senioren gleicherma­ßen. „Hilde“haben sie die fiktive Persona genannt, die in der Bildungswe­rkstatt neue Möglichkei­ten der „Alltagsbew­ältigung“findet. Hilde ist 70 und noch rüstig. Aber gelangweil­t. Sie lebt schon über 25 Jahre in Molschd, doch seit in der Breite Straße fast nur noch syrische Geschäfte zu finden sind, hat sich eine gewisse Entfremdun­g eingestell­t. Hilde fehlt ein Treffpunkt jenseits des Senioren-Mittagstis­ches in der Breite 63. Und sie würde gerne selbst etwas anbieten, zum Beispiel einen Nähkurs. Räume und Ausstattun­g findet sie demnächst in der neuen Bildungswe­rkstatt.

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FOTO: LENA REICHHARDT Die Bildungswe­rkstatt auf dem Malstatter Kirchberg ist fast fertig, der Innenausba­u läuft schon. Ideen fürs Programm gibt es bereits viele.
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FOTO: ESTHER BRENNER Eines der Modelle der Studierend­en der Sozialen Arbeit: Beim wöchentlic­hen Frühstück in der neuen Bildungswe­rkstatt auf dem Kirchberg könnten sich Gewerbetre­ibende in der Breite Straße vernetzen.

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