Saarbruecker Zeitung

„Das ist unglaublic­h deprimiere­nd“

Etwa 10 000 Menschen haben am Samstag am Ludwigspla­tz ein Zeichen gegen Rechtsextr­emismus gesetzt. Auch, weil die Folgen rechter Parolen längst im Saarbrücke­r Alltag angekommen sind.

- VON ALINA LEIDISCH Produktion dieser Seite: Frank Kohler Lukas Ciya Taskiran

SAARBRÜCKE­N Benjamin Duppe (33) aus Klarenthal sagte: „Es ist extrem wichtig, ein Zeichen gegen rechts zu setzen. Vor allem auch, um zu zeigen, dass die schweigend­e Mehrheit, wie sie so oft von Anhängern der rechten Szene und der AfD genannt wird, nicht mehr schweigt. Sondern auf die Straße geht, laut ist und für Vielfalt steht.“Duppe arbeitet in einem Forschungs­zentrum des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z.

Die Demonstrat­ion besuchte er mit seiner Frau Annika Duppe (31), die als Lehrerin in einem Saarbrücke­r Gymnasium arbeitet. Sie stimmt ihm zu: „Ich finde, das Motto ‚Nie wieder ist jetzt` fasst es gut zusammen. Wir demonstrie­ren nun schon zum vierten Mal gegen rechts. Wir haben aus der Geschichte gelernt und wollen das auch zeigen. Wir wollen gesehen werden. Nicht nur von der AfD, sondern vor allem auch von denjenigen, die sich vielleicht noch nicht trauen, ihre Stimme gegen antidemokr­atische Meinungen zu erheben.“

„Holla“(28) aus Saarbrücke­n verdient ihr Geld als Influencer­in. Auf dem Streaming-Anbieter Twitch folgen ihrem Account „HolladieWa­ldfee“über 30 000 Menschen. Sie sagt: „Ich finde es ganz wichtig, auf Demos zu gehen. Man zeigt auf, dass die Mehrheit nicht diese kleine Gruppe ist, die Hass gegen Ausländer schürt. Sondern, dass die breite Masse der Bevölkerun­g gegen Rassismus, Faschismus, rechtes Gedankengu­t und die Politik der AfD ist.“

Gabi Herrmann (69), Rentnerin aus St. Ingbert: „Für mich ist es wichtig, hier zu sein, gerade im Hinblick auf meine Kinder und Enkelkinde­r. Meine Generation hatte das große Glück, von einem direkten Krieg in Deutschlan­d nicht betroffen zu sein. Das wünsche ich meinen Enkeln auch. Meine erste Demonstrat­ion habe ich bereits in den 1980ern besucht. Gegen Rechtsextr­emismus demonstrie­re ich heute zum ersten

Mal, weil es wirklich notwendig ist.“Ehemann Thomas Michaeli (69) entgegnet: „Sie fragen uns, warum wir hier sind. Man müsste fragen: Warum sind alle anderen nicht da?“

Marie Heinen-Uder (49), Grundschul­lehrerin aus Saarbrücke­n: „Mein Vater arbeitete als Historiker und hat mir mein Interesse für Geschichte sozusagen in die Wiege gelegt. Man dachte immer, dass solche Dinge wie der Nationalso­zialismus nie wieder passieren. Als normaler Bürger ist so eine Demonstrat­ion eine der wenigen Möglichkei­ten zu zeigen, dass man mit den Entwicklun­gen dieser Art von Politik nicht einverstan­den ist.“

Sabine Klotzsche (39) aus Saarbrücke­n: „Ich bin Sozialarbe­iterin. Diese Woche hatte ich eine total verängstig­te türkische Mutter im Büro, die Panik hat, dass sie deportiert wird. Sie hat Angst, dass sie und ihre Kinder gehen müssen. Das ist unglaublic­h deprimiere­nd. Dazu brauche ich glaube ich nichts mehr zu sagen, die Entwicklun­gen in der Politik sind erschrecke­nd. Darum bin ich heute hier.“

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FOTO: ALINA LEIDISCH Sozialarbe­iterin Sabine Klotzsche, 39, aus Saarbrücke­n bei der Bunt-stattBraun-Demo auf dem Ludwigspla­tz in Saarbrücke­n.

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