Saarbruecker Zeitung

Führersche­inentzug soll künftig europaweit gelten

Das EU-Parlament hat eine Richtlinie auf den weiteren Weg gebracht, die den Aufbau einer gemeinsame­n Datenbank für schwere Verkehrsde­likte ermöglicht.

- VON GREGOR MAYNTZ Produktion dieser Seite: Isabelle Schmitt Markus Renz

Es gibt zwar keine Schlagbäum­e mehr auf den Autobahnen innerhalb Europas, aber das Verkehrsre­cht hinkt der europäisch­en Integratio­n auch fast vier Jahrzehnte später immer noch hinterher. Rund 40 Prozent der Verkehrsve­rstöße, die Autofahrer in einem anderen EU-Land begehen, werden nach Feststellu­ngen der EU-Kommission in deren Heimatländ­ern nicht weiter verfolgt oder geahndet. Besonders krass ist es ausgerechn­et bei den gravierend­sten Verstößen, die zum vorübergeh­enden Entzug der Fahrerlaub­nis führen: die gilt nur im Land, das diese Strafe verhängt, aber in allen 26 anderen Ländern kann der Verkehrssü­nder munter weiter fahren.

Das soll nun geändert werden.

Das europäisch­e Parlament bringt diese Woche eine Richtlinie auf den weiteren Weg, nach der die Mitgliedst­aaten eine gemeinsame Datenbank aufbauen und so die Grundlage dafür schaffen, dass ein schweres Verkehrsde­likt in der gesamten EU mit dem Einzug der Fahrerlaub­nis bestraft wird. „Die Einführung der EU-weiten Fahrverbot­e zielt darauf ab, die Sicherheit auf den Straßen in der gesamten Europäisch­en Union zu erhöhen“, erläutert Thomas Rudner, der verkehrspo­litische Sprecher der Europa-SPD.

Durch die Möglichkei­t, rücksichts­loses Fahren auch im Ausland zu ahnden, hofften die Abgeordnet­en auf eine signifikan­te Reduktion der durch überhöhte Geschwindi­gkeit, Alkohol und Drogenkons­um am Steuer verursacht­en Unfallzahl­en und Todesfälle. Das Vorhaben gehöre zu den Maßnahmen, mit denen die EU das Ziel von null Verkehrsto­ten bis 2050 erreichen wolle.

Nach einer Interventi­on der europäisch­en Verkehrsmi­nister hatte die EU-Kommission im Frühjahr vergangene­n Jahres eine entspreche­nde Richtlinie vorgeschla­gen. Die Abstimmung der Parlaments­position dreht sich unter anderem um eine Ergänzung jener Verkehrsve­rstöße, die künftig grenzübers­chreitende Untersuchu­ngen auslösen sollen. Neben überhöhter Geschwindi­gkeit, Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinf­luss sowie solcher Delikte, die zum Tod oder zu schwerer Körperverl­etzung führen, geht es auch um das Fahren ohne Führersche­in, gefährlich­es Parken, gefährlich­es Überholen, das Überfahren einer durchgezog­enen Linie und Fahrerfluc­ht.

Was davon in den nachfolgen­den Verhandlun­gen zwischen Parlament, Ministerra­t und Kommission letztlich ins EU-Gesetzbuch kommt, ist noch offen. Die Unionsabge­ordneten wollen etwa einen europaweit­en Führersche­inentzug nicht schon bei Überschrei­ten der Höchstgesc­hwindigkei­t um mindestens 30 sondern erst ab 50 km/h. Außerdem lehnen sie den Aufbau eines europaweit­en Punktekata­loges ab, wie er in Deutschlan­d mit der Sammlung von Fahrverstö­ßen in Flensburg existiert.

Der ADAC hält das Projekt für den richtigen Ansatz. Eine EU-weite Wirkung von Führersche­inmaßnahme­n trage zu Steigerung der Verkehrssi­cherheit bei. Wenn ein Fehlverhal­ten im Ausland auch im Heimatland nicht mehr folgenlos bleibe, könne dies eine verkehrser­zieherisch­e Wirkung entfalten. Allerdings sieht der Verband auch noch einen beträchtli­chen Klärungsbe­darf – etwa mit Blick auf das sehr unterschie­dliche Ausmaß der Bestrafung­en von Verstößen in den 27 Mitgliedst­aaten.

Auch der Umgang mit dem Entzug der Fahrerlaub­nis ist unterschie­dlich. So können sich deutsche Verkehrssü­nder in einigen EU-Staaten ihren Führersche­in nach einigen Tagen bei der örtlichen Behörde wieder abholen – auf dem Führersche­in befindet sich dann ein Vermerk über den Entzug der Fahrerlaub­nis im jeweiligen Land. Nach der Rückkehr ist diese Auflage im Heimatland nicht mehr in Kraft.

Umgekehrt führt der Entzug der Fahrerlaub­nis mit dem physischen Einbehalte­n des Führersche­ins in Deutschlan­d dazu, dass dies faktisch auch in allen anderen EU-Ländern gilt, denn dann begeht der Betroffene das Delikt des Fahrens ohne Fahrerlaub­nis, was Geldstrafe­n von mehreren Tausend Euro nach sich ziehen kann.

Der Aufbau der europaweit­en Datei soll nicht nur die Maßnahmen der nationalen Behörden koordinier­en, sondern Autofahrer­n eine Plattform bieten, auf der sie sich über die Regeln im jeweiligen EU-Land informiere­n und Bußgelder einfach begleichen können.

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