Führerscheinentzug soll künftig europaweit gelten
Das EU-Parlament hat eine Richtlinie auf den weiteren Weg gebracht, die den Aufbau einer gemeinsamen Datenbank für schwere Verkehrsdelikte ermöglicht.
Es gibt zwar keine Schlagbäume mehr auf den Autobahnen innerhalb Europas, aber das Verkehrsrecht hinkt der europäischen Integration auch fast vier Jahrzehnte später immer noch hinterher. Rund 40 Prozent der Verkehrsverstöße, die Autofahrer in einem anderen EU-Land begehen, werden nach Feststellungen der EU-Kommission in deren Heimatländern nicht weiter verfolgt oder geahndet. Besonders krass ist es ausgerechnet bei den gravierendsten Verstößen, die zum vorübergehenden Entzug der Fahrerlaubnis führen: die gilt nur im Land, das diese Strafe verhängt, aber in allen 26 anderen Ländern kann der Verkehrssünder munter weiter fahren.
Das soll nun geändert werden.
Das europäische Parlament bringt diese Woche eine Richtlinie auf den weiteren Weg, nach der die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Datenbank aufbauen und so die Grundlage dafür schaffen, dass ein schweres Verkehrsdelikt in der gesamten EU mit dem Einzug der Fahrerlaubnis bestraft wird. „Die Einführung der EU-weiten Fahrverbote zielt darauf ab, die Sicherheit auf den Straßen in der gesamten Europäischen Union zu erhöhen“, erläutert Thomas Rudner, der verkehrspolitische Sprecher der Europa-SPD.
Durch die Möglichkeit, rücksichtsloses Fahren auch im Ausland zu ahnden, hofften die Abgeordneten auf eine signifikante Reduktion der durch überhöhte Geschwindigkeit, Alkohol und Drogenkonsum am Steuer verursachten Unfallzahlen und Todesfälle. Das Vorhaben gehöre zu den Maßnahmen, mit denen die EU das Ziel von null Verkehrstoten bis 2050 erreichen wolle.
Nach einer Intervention der europäischen Verkehrsminister hatte die EU-Kommission im Frühjahr vergangenen Jahres eine entsprechende Richtlinie vorgeschlagen. Die Abstimmung der Parlamentsposition dreht sich unter anderem um eine Ergänzung jener Verkehrsverstöße, die künftig grenzüberschreitende Untersuchungen auslösen sollen. Neben überhöhter Geschwindigkeit, Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss sowie solcher Delikte, die zum Tod oder zu schwerer Körperverletzung führen, geht es auch um das Fahren ohne Führerschein, gefährliches Parken, gefährliches Überholen, das Überfahren einer durchgezogenen Linie und Fahrerflucht.
Was davon in den nachfolgenden Verhandlungen zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission letztlich ins EU-Gesetzbuch kommt, ist noch offen. Die Unionsabgeordneten wollen etwa einen europaweiten Führerscheinentzug nicht schon bei Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um mindestens 30 sondern erst ab 50 km/h. Außerdem lehnen sie den Aufbau eines europaweiten Punktekataloges ab, wie er in Deutschland mit der Sammlung von Fahrverstößen in Flensburg existiert.
Der ADAC hält das Projekt für den richtigen Ansatz. Eine EU-weite Wirkung von Führerscheinmaßnahmen trage zu Steigerung der Verkehrssicherheit bei. Wenn ein Fehlverhalten im Ausland auch im Heimatland nicht mehr folgenlos bleibe, könne dies eine verkehrserzieherische Wirkung entfalten. Allerdings sieht der Verband auch noch einen beträchtlichen Klärungsbedarf – etwa mit Blick auf das sehr unterschiedliche Ausmaß der Bestrafungen von Verstößen in den 27 Mitgliedstaaten.
Auch der Umgang mit dem Entzug der Fahrerlaubnis ist unterschiedlich. So können sich deutsche Verkehrssünder in einigen EU-Staaten ihren Führerschein nach einigen Tagen bei der örtlichen Behörde wieder abholen – auf dem Führerschein befindet sich dann ein Vermerk über den Entzug der Fahrerlaubnis im jeweiligen Land. Nach der Rückkehr ist diese Auflage im Heimatland nicht mehr in Kraft.
Umgekehrt führt der Entzug der Fahrerlaubnis mit dem physischen Einbehalten des Führerscheins in Deutschland dazu, dass dies faktisch auch in allen anderen EU-Ländern gilt, denn dann begeht der Betroffene das Delikt des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, was Geldstrafen von mehreren Tausend Euro nach sich ziehen kann.
Der Aufbau der europaweiten Datei soll nicht nur die Maßnahmen der nationalen Behörden koordinieren, sondern Autofahrern eine Plattform bieten, auf der sie sich über die Regeln im jeweiligen EU-Land informieren und Bußgelder einfach begleichen können.